Freitag, 19. April 2024

Archiv


Gut gesungen, Seemann

Rummelsnuff hat die Tür des Berliner Szeneklubs Berghain bewacht - wie nebenbei hat er sich aber auch einen Namen als Musiker gemacht. Jetzt erscheint sein mittlerweile viertes Album.

Von Martin Becker | 26.10.2013
    Stell dir vor, du willst auf eine Party und Rummelsnuff lässt dich nicht rein. Will man sich lieber nicht vorstellen. Denn eins siehst du gleich, wenn er so vor dir steht: Rummelsnuff hat Muckis. Rummelsnuff kann stark sein. Rummelsnuff ist genau das, worüber er singt: Ein harter Kerl mit gar nicht so hartem Kern.

    "Mittlerweile ist das ein bisschen zu einer Rolle geworden. Wenn man so viel auf Bühnen steht, um zu unterhalten, nimmt man das in sein restliches Leben mit."

    Früher war Rummelsnuff voll im Geschäft – heute muss er das mit der Türsteherei nicht mehr so exzessiv betreiben. Seine Musik hat ihn berühmt gemacht. Und: Sie hat viele Namen. Derbe Strommusik. Elektropunk-Gassenhauser. Neues Arbeiterlied. Jungsmucke, die aber längst nicht mehr nur von Jungs gehört wird.

    "Am Sonnabend hatte ich eine Hochzeitsfeier zu besingen sozusagen. Zweier Damen. Man hätte jetzt eher meinen können wahrscheinlich, wenn, dann schon eher zweier Herren, aber es waren zwei Damen."

    Auf dem Gelände einer Autowerkstatt am Rand von Berlin hat Rummelsnuff sich einige ehemalige Lagerräume zurechtgemacht. So eine normale Wohnung in einem richtigen Haus – nein, das sei einfach nichts mehr für ihn. Auf dem Werkstatthof vor der Rummelsnuff'schen Residenz: Reifenstapel mit Hammer zum Draufkloppen. Gewichte und Trainingsutensilien. Und natürlich, ganz wichtig: der Grill. Für kalte und warme Tage.

    Später gibt es Rindfleischbuletten, Hühnchen und Fisch. Aber zuerst sitzt Rummelsnuff in seinem Muskelshirt da, trinkt aus seiner Flasche mit Saftschorle - und sieht mürrisch aus, fast düster. Aber sobald er spricht, dann zeigt er sein durch und durch freundliches, markantes Gesicht, sanft und ironisch. Eigentlich stimmt Rummelsnuff ja noch nicht mal ganz: Käpt'n Rummelsnuff, so nennt er sich in den letzten Jahren. Und so nennt er sich nicht nur, genau so lebt er auch.
    "Die Mütze habe ich gerade nicht auf, das fehlt ein bisschen. Aber fehlt mir selber, weil ich sie vorhin nicht gefunden habe. Also, ich setze die auch beim Einkaufen auf. Diesen schwarzen Elbsegler trage ich immer. Da kam natürlich schnell der Spitzname 'Käpt'n Rummelsnuff'. Warum nicht."

    Rummelsnuff, der sogar einen bürgerlichen Namen hat, wird 1966 in Großenhain geboren und kommt aus einer Musikerfamilie. Früh mischt er selbst in Bands mit, 1989 zum Beispiel wird er Mitglied der Dresdner Underground-Band "Freunde der italienischen Oper". Und irgendwann in den Nuller-Jahren taucht er als der auf, den jeder lieben muss: Käpt'n Rummelsnuff. Dicke Oberarme. Kantige Stimme. Und Texte, die mal zutiefst melancholisch, mal zutiefst ironisch, vor allem aber: immer zutiefst klug sind. Das erkennen auch seine Kolleginnen und Kollegen: Die Liste seiner musikalischen Verehrer, die mit ihm gearbeitet haben, ist mittlerweile endlos lang. Und Rummelsnuff macht weiter: Nach "Halt durch!", "Sender Karlshorst" und "Himmelfahrt" kommt jetzt sein viertes Album mit dem markigen Titel "Kraftgewinn".

    Ob Schwermut oder Maloche, ob testosterontriefende Muskelmucke oder schmerzliche Sehnsuchtszeilen, eins haben Rummelsnuffs Lieder alle gemeinsam: Sie sind volle Kanne ehrlich. Und das merkt man auch. Was Rummelsnuff uns zu sagen hat, das kommt von Herzen, das ist keine Pose und kein Schauspiel und kein Rumgetue.

    "Wenn du anfängst zu konstruieren, dann wird es auch nicht mehr schön. Das ist auch nicht mehr das, was ich jedenfalls machen will. Es muss irgendwas sein, was so perlt, und die meisten Lieder, die veröffentlicht wurden, sind so. Es gibt viele, viele, viele, die nie veröffentlicht wurden. Da ist dann irgendwas nicht so."

    Bleibt am Ende des Nachmittags, bevor der Grill auf dem Hof der Autowerkstatt angeschmissen wird, noch die Frage, die man nur dem echten Käpt'n Rummelsnuff stellen darf: Hat der Kerl eigentlich noch vor irgendwas Angst? Ja, sagt er nach kurzem Überlegen. Vor behördlicher Willkür. Und vor zwischenmenschlichen Konflikten. Denn da hilft auch die Muskelkraft allein nicht weiter – es sei denn, der Partner hat auch so viele Muckis wie der Käpt'n selbst:

    "Man kann wunderbar Spaß haben, wenn der Andere auch ein Mann ist und auch noch stark, dann fliegen die Tische schön durch die Gegend. Das ist geil. Vielleicht lacht man dann auch ein paar Jahre später drüber oder vielleicht sogar schon ein paar Stunden später, dann ist es am allerbesten."