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Gutachten am EuGH
Generalanwalt fordert Visa für Verfolgte

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Paolo Mengozzi, plädiert dafür, dass Botschaften der EU-Staaten nachweislich verfolgten Menschen Visa ausstellen. Aufgrund der Menschenrechtscharta gebe es dazu die Verpflichtung, wenn Folter oder eine andere unmenschliche Behandlung drohten.

Von Thomas Otto | 07.02.2017
    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Deutschlandfunk / Andreas Diel)
    Droht Menschen in ihrer Heimat Folter, dann haben sie ein Recht auf ein humanitäres Visum für die EU. Zu diesem Ergebnis kommt Paolo Mengozzi, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes. Mit solch einem Visum können Menschen legal in die EU einreisen und dort dann Asyl beantragen.
    In einem Verfahren vor dem belgischen Rat für Ausländerstreitsachen hatte eine Familie aus Syrien geklagt. Die beiden Eltern hatten mit ihren drei Kindern an der belgischen Botschaft im Libanon ein solches räumlich beschränktes Visum beantragt. Als Christen drohe ihnen die Verfolgung aufgrund ihres Glaubens; ein Familienmitglied sei bereits entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen worden – so ihre Argumentation. Das Visum wurde ihnen allerdings verwehrt.
    Nach Ansicht des Generalanwalts Mengozzi seien die EU-Mitgliedsstaaten nicht nur ermächtigt, sondern sogar dazu verpflichtet, in solchen Fällen ein humanitäres Visum auszustellen. Sie seien dabei an die EU-Grundrechtecharta gebunden, die in Artikel vier Folter oder andere erniedrigende Behandlungen verbietet.
    Sollten die Richter des EuGH der Meinung des Generalanwalts folgen, hätte das große Auswirkungen auf die bisherige EU-Flüchtlingspolitik. Flüchtlinge könnten dann – so sie eine entsprechende Gefahr, misshandelt zu werden, nachweisen können – legal in ein EU-Land einreisen und dort Asyl beantragen. In der Regel folgen die Richter den Empfehlungen der Generalanwälte. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.