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Gute Beratung - wenige Kitaplätze

Babys sitzen mit in Vorlesungen, Seminaren und Sprechstunden - auch, weil es immer noch nicht genug Betreuungsangebote für studierende Eltern gibt. Für die Eingeschriebenen bedeutet das ein Spagat zwischen Familie und Studium - ohne das Verständnis aller Beteiligten wäre das nicht möglich.

Von Nikolaus Steiner | 07.11.2011
    Sara Miebach sitzt mit der zehn Monate alten Safia im Philosophikum der Universität Köln. Sie hat sich bewusst für ein Studium mit Kind entschieden:

    "Die Entscheidung zu studieren habe ich getroffen, nachdem ich wusste, dass ich schwanger war. Weil ich dachte: Ich kann die Zeit sinnvoll füllen und habe danach bessere Berufsaussichten."

    Und die Lehramtsstudentin hat schnell gelernt, sich zu organisieren:

    "Ich finde es gar nicht so stressig, weil ich alles viel besser planen muss und das dann in der Regel auch dazu führt, dass alles besser klappt. Natürlich ist es so, dass wenn man in Begleitung ist, nicht immer alles so reibungslos abläuft. Es gibt auch unvorhergesehen Sachen, dass jemand gewickelt werden muss oder so. Aber mittlerweile kenne ich mich aus und weiß, wo ich hin muss."

    Sara Miebach ist eine von rund 95.000 Studierenden mit Kind in Deutschland. Die Hilfsangebote der Universitäten – zum Beispiel Beratungen oder Kitaplätze – sind in den letzten Jahren zwar immer mehr geworden, doch das ist nur die eine Seite, sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk:

    "Wir reden ja oft, wenn wir über Kinderbetreuung reden auch in der großen politischen Debatte über die Infrastruktur, also: Haben wir genug Kitaplätze? Genau so wichtig ist es aber, familienfreundliche Strukturen in den Köpfen zu schaffen, gerade auch von Hochschullehrenden. Dass die Verständnis haben, wenn eine Mutter oder ein Vater sagt: Ich kann heute nicht zu einer Prüfung kommen, weil mein Kind krank ist. Das ist genau so wichtig, wie die Strukturen."

    Sara hat bislang gute Erfahrungen mit ihren Hochschullehrern gemacht, auch wenn Tochter Safia viel Aufmerksamkeit verlangt.

    "Wenn Sie mit muss, dann habe ich bis jetzt das Glück gehabt, dass die Leute in der Uni auch gut mit gespielt haben, also bei Professoren oder Dozenten in der Sprechstunde, dass das nicht so das Problem war. Das ist mein Glück."

    Und auch die meisten ihrer Kommilitonen reagieren verständnisvoll, wenn sie ihr Baby mit in den Hörsaal nimmt:
    ""Während der Vorlesung stört es mich eigentlich nicht - folgen kann man trotzdem."

    "Mich stört das eigentlich nicht, wenn das nicht zu laut ist, ist es kein Problem."

    "Ich bin da ambivalent, ich würde ja sagen, aber wenn es mich stören würde, würde ich auch was dagegen sagen."

    Die junge Mutter würde natürlich lieber ihr Kind in einer Kindertagesstätte lassen, aber es gibt momentan noch zu wenige Plätze. Da sieht auch Christiane Kienle von der Kölner Studienberatung Handlungsbedarf:

    "Also ganz klar, aber das betrifft die allgemeine Bevölkerung genau so, gibt es zu wenig Kinderbetreuungsplätze – das ist ganz klar. Aber das ist eben ein Kostenfaktor, das wissen wir alle. Und da gibt es noch viel zu tun."

    Beratungsangebote hingegen gibt es genug. Zum Beispiel können sich die Eltern informieren, wie sie sich von Prüfungen befreien oder eine Zeit lang beurlauben lassen können. Das Problem ist eher, sich im Beratungsdschungel zurechtzufinden. Die Studienberatung in Köln hat sich für das Lotsenprinzip entscheiden. Eine Anlaufstelle für alle Studierenden mit Kind:

    "Und da ist es, glaube ich, für diejenigen ganz gut, dass sie zu einer unabhängigen zentralen Stelle gehen können, wo man erst mal miteinander guckt: Um was geht es hier eigentlich? Und wir verweisen dann immer auf andere Stellen, wo wir wissen, dass diejenigen auch dort Hilfe bekommen können."

    Alle deutschen Hochschulen haben mittlerweile solche Beratungsangebote. Mit der Kleinkindbetreuung ist es da schwieriger. An der TU-Dresden zum Beispiel haben sich studierende Eltern zusammengeschlossen, um gemeinsam für mehr Betreuung zu kämpfen. Sara Miebach sieht da aber eher die Hochschulen in der Pflicht:

    "Ich fände es schön, wenn es mehr Kinderbetreuung in Uninähe gäbe. Also wirklich auf Initiative der Uni, dass es nicht Elterninitiativen sind, die das ins Leben rufen, sondern dass die Uni mehr involviert ist."

    Stefan Grob vom deutschen Studentenwerk sieht Familienfreundlichkeit mittlerweile als Profilmerkmal einer Hochschule, das Studierende dazu bewegen kann, an einer bestimmten Hochschule zu studieren und eine andere zu meiden:

    "Ich glaube, mittelfristig, kann es sich keine Hochschule in Deutschland leisten, nicht familienfreundlich zu sein. Und ich glaube, dass in beide Richtungen: Infrastruktur und mentale Einstellung, Haltung zu Kindern, noch viel zu tun ist."
    Veranstaltungshinweise:

    LMU-München: Einführungsveranstaltung "Studieren mit Kind" in München
    Veranstaltung der Zentralen Studienberatung der LMU
    Termin: Dienstag, 08.11.2010, 15.00 Uhr s. t.
    Ort: Zentrale Studienberatung, Ludwigstr. 27/II, Zimmer G 212.
    Anmeldung über studierenmitkind@lmu.de

    FU-Berlin: Infoveranstaltung "Studieren mit Kind(ern)

    Termin: Mittwoch, 9. November 2011 | 14.30 bis 17.30 Uhr
    Ort: Freie Universität Berlin Silberlaube (Erdgeschoß) Seminarzentrum Raum L 113 Otto-von-Simson-Straße 26, 14195 Berlin

    FH-Münster: Studieren mit Kind?! Infoveranstaltung
    Termin: Donnerstag, 10. November 2011
    Uhrzeit: 10 - 12 Uhr
    Ort: Fachhochschulzentrum (FHZ), Raum A 313
    Corrensstraße 25
    Schwangerschaftsberatungsstelle donum vitae Münster e. V.