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Gutes Recht muss nicht teuer sein

Vor drei Jahren hat der Gesetzgeber die Rechtsberatung neu geregelt. Seitdem engagieren sich immer mehr Jurastudenten in diesem Bereich. Jetzt hat sich erstmals eine studentische Rechtsberatung selbständig gemacht.

Von Christoph Overkott | 01.03.2012
    Ärger mit dem Vermieter? Streit mit dem Handyanbieter? Zoff um offene Rechnungen? Student Litigators, auf Deutsch: Studentenanwälte, verspricht kostenlose Hilfe. Hinter diesem klangvollen Namen verbirgt sich eine studentische Rechtsberatung. Pro bono, also für lau, bietet sie ihren Dienst an. Angefangen hat sie mit der Rechtsberatung im Freundeskreis. Balthasar Lackner aus Bonn erzählt von einer ersten positiven Erfahrung.

    "Im Rahmen unseres Abiballs haben wir nach der Hauptrechnung, die wir selbstverständlich beglichen hatten, eine zweite Rechnung bekommen, die aus unserer Sicht völlig unberechtigt war, über 1300 Euro, und haben uns dann gefragt: Wer könnte uns helfen? und sind dann auf Student Litigators gekommen und Georg Dietlein. Im Rahmen dieser Beratung konnten wir es erreichen, dass diese Forderung zurückgewiesen ist. Wir sind sehr froh darüber."

    Georg Dietlein, Mitbegründer der Rechtsberatung, studiert Jura und Betriebswirtschaft in Köln. Schon vor dem Abitur hat der 19-Jährige mit dem Jurastudium begonnen. Ein Praktikum bei einer internationalen Kanzlei hat ihn stark motiviert, vergleichbare Begriffe und Bezeichnungen auch bei studentischer Rechtsberatung einzuführen.

    "Die GmbH gehört aktuell den vier Gründern, den fünf Gründern. Und die Partner sind keine rechtlichen Partner, im Partnerschaftsgesetz verankert. Sie sind eigentlich faktisch Auftragnehmer und werden dann kostenlos Teil der Kanzlei."

    Um Kosten zu sparen, verzichtet die studentische Rechtsberatung auf eigene Räumlichkeiten. Kontakt und Hilfe erfolgt vor allem über Internet und Telefon, auf der Homepage finden sich neben einem Formular Email-Adressen und Handynummern. Auch auf facebook ist Student Litigators vertreten. Dort hat die Initiative schon 860 Freunde gefunden, 50 Studenten als Mitarbeiter gewonnen, ist an 21 Standorten in mehr als 10 Bundesländern vertreten und hat vier Rechtsanwälte ins Boot geholt. Einer von ihnen ist der Kölner Professor Andreas Müller-Wiedenhorn:

    "Diese Initiative ist positiv zu bewerten. Sie schafft für die Studenten frühzeitig einen Praxisbezug. Der Praxisbezug kommt in der universitären Ausbildung immer noch etwas zu kurz, wobei sich da auch schon vieles verändert und verbessert hat."

    Die Kooperation der Studenten mit Anwälten ist nicht einfach eine Imagefrage, sondern vom Gesetzgeber vorgegeben. Dieser verlangt bei einer kostenlosen Rechtsberatung nicht persönlich bekannter Personen eine Anleitung durch einen Richter oder einen Anwalt. Tatsächlich hat Müller-Wiedenhorn Student Litigators schon bei der Beratung eines Start-up-Unternehmens in Hamburg begleitet.

    "Ich habe eine Arbeitsprobe bekommen. Da ging es um eine Gestaltung im Bereich des Gesellschaftsrecht, um den Entwurf eines Partnerschaftsgesellschaftsvertrages für Angehörige Freier Berufe. Und was ich gesehen habe, hat mich sehr positiv eingestimmt und ich war sehr zufrieden."

    Kritiker im Internet zeigen sich über das unternehmerische Auftreten von Student Litigators befremdet. Denn es handelt sich bei den Mitwirkenden meist weder um Doktoranden, noch um Examenskandidaten. Tatsächlich sind selbst die Gründer noch mitten im Studium, so Georg Dietlein:

    "Das Team hier in Köln, die Chefs in Anführungszeichen, die sind so: viertes, viertes und zweites Semester. Das Semester zählt gar nicht so sehr. Es zählt eher die Kenntnis, die man hat, und ob man das irgendwie vertiefen möchte."

    Selbst Kritiker räumen ein, dass ein Engagement in der studentischen Rechtsberatung den Lebenslauf verschönert. Darüber hinaus sieht Wirtschaftsrechtler Müller-Wiedenhorn die Kontaktmöglichkeiten und schaut dabei auf die eigene Studienzeit zurück:

    "In den 80er-Jahren war ich Mitglied der studentischen Initiative Organisationsforum Wirtschaftskongress. Die gibt es im Übrigen immer noch. Und das waren ganz wertvolle Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, die ich auch nicht missen möchte, und deswegen wünsche ich auch den jungen Leuten hier viel Glück bei ihrer Initiative, die sie jetzt gegründet haben."

    Wer bei Student Litigators mitmachen möchte, muss kein Geld, sondern vor allem Engagement mitbringen. Denn das Unternehmen verlangt weder Einlagen zur Erhöhung des Stammkapitals und schon gar keine Vereinsbeiträge. Anfänger werden natürlich noch nicht in der Beratung eingesetzt, so Dietlein, sondern als Botschafter und Multiplikatoren. Vor allem sind für die Beratung Kenntnisse im Zivilrecht gefragt, aber auch Betriebswirtschaftler sind gesucht, die sich in Buchführung auskennen. Umfang und Dauer der Mitarbeit in der studentischen Rechtsberatung kann jeder Partner selbst bestimmen.