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Guttenberg sollte "eine längere Pause machen"

Dieter Hildebrandt rät Karl-Theodor zu Guttenberg zu einer längeren Pause vom Politikgeschäft. Ein Comeback - "gereinigt, geläutert, nachdenklich" - könne ihm jedoch nicht verweigert werden. Die CSU werde den Freiherrn beizeiten zurückholen, da sie ihn "nun einmal als Genie verehrt".

Dieter Hildebrandt im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 09.03.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, die Vorsitzenden der kleineren Parteien, sie alle haben heute zum Teil zeitgleich ihren mehr oder weniger großen Auftritt, denn alle Parteien begehen heute den Politischen Aschermittwoch. Traditionell ein Anlass, um die eigene Anhängerschaft mit deftigen Sprüchen bei Laune zu halten. Der Streit über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, wird da mit Sicherheit eine Rolle spielen, ebenso wie der tiefe Sturz des zurückgetretenen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Politiker spaltet das Land wie kein anderer.

    O-Ton: Ja ich find' den immer noch gut!

    Heckmann: Tja, und da steht die Dame nicht alleine. Fast 600.000 Personen unterstützen mittlerweile die Facebook-Seite "Wir wollen Guttenberg zurück". Die für das Wochenende angekündigten Solidaritätsdemonstrationen allerdings, die fielen mager aus beziehungsweise fielen ganz aus. – Am Telefon ist jetzt der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Guten Morgen!

    Dieter Hildebrandt: Guten Morgen.

    Heckmann: Herr Hildebrandt, ein Minister gibt eine Dissertation ab, die in weiten Teilen nicht von ihm selbst stammt, und am Tag seines Rücktritts wird schon sein Comeback gefordert. Muss man Kabarettist sein, um das zu verstehen?

    Hildebrandt: Das muss man nicht sein. Das kann jeder verstehen. Nur es ist wieder die Frage, das ist ein grotesker Fall natürlich, hier wird ja beklagt, dass die Medien es geschafft hätten, diesen Menschen zum Rücktritt zu bringen. Auf der anderen Seite sind es die Medien, die wiederum schaffen, dass die Leute falsch informiert werden über den Fall und dass sie darauf reihenweise reinfallen und immer noch glauben, dass es die Medien waren. Aber die Medien waren es ja tatsächlich, nur war es ein Medium. Es war das Flaggschiff der Verleumdungskampagnen selber, die über Verleumdungskampagnen geschrieben haben und sich wahnsinnig empören, noch heute empören, und dann feststellen, dass ihnen der liebste Kronprinz, den Deutschland je hatte, verloren gegangen ist. Das ist gerade jetzt schon etwas komisch.

    Heckmann: Der Chef der Christsozialen, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der hat in einem ganz frischen Zeitungsinterview jetzt gesagt, die CSU unterstütze nicht nur ein Comeback zu Guttenbergs, sondern strebe es auch an. Er könnte sogar auch noch durchaus Parteichef werden, denn Guttenberg gehöre fraglos zu den genialsten Köpfen, die wir jemals hatten und haben, und habe in manchen Bereichen sogar historische Arbeit abgeliefert, so Seehofer. Ja, der Begriff "historisch", der ist passend, oder?

    Hildebrandt: Es ist so, es wird ja behauptet immer, dass Lügner beispielsweise ein weißes Gehirn haben, und deswegen nenne ich den Herrn Seehofer lange schon Herrn Schneehofer, weil Herr Seehofer weiß ganz genau, dass nicht nur ein Genie geboren worden ist, es ist nicht der Messias geboren worden mit Herrn zu Guttenberg, sondern es gibt auch andere begabte Politiker, Gott sei Dank, sogar bei der CSU und bei der CDU. Und wenn ihm jetzt dieses Comeback schon so wichtig ist, dann soll er doch ein bisschen verdammt noch mal warten, denn es ist nun einfach so: Der Fall ist so, er hat seine Doktorarbeit gefälscht. Und der Herr Lammert, den sie alle so angiften jetzt, das ist ein kluger Mann und der hat auch ein bisschen Humor, der sieht die Sache auch so und sagt, dass er ein Schwindler ist, und jetzt wird ihm nachgeworfen, dass er einen Schwindler einen Schwindler nennt. Auch das ist nicht ohne Komik.

    Heckmann: Woher nehmen Sie denn die Vermutung, dass Herr zu Guttenberg ein Lügner ist, denn die ganze Geschichte wird ja jetzt von der Uni Bayreuth noch intensiv geprüft?

    Hildebrandt: Aus der Tatsache, dass nachgewiesen wurde – und ich meine, in der Süddeutschen Zeitung stand es ja nun schwarz auf weiß da, und das kann ja nun wiederum auch keine Fälschung sein -, dass diese Stellen, die da angekreuzt sind, zu fast über die Hälfte nicht aus seiner Feder geflossen sind, aus seiner Maschine gekommen sind und nicht aus seinem Kopf. Und wenn er das als sein Werk ausgibt, ist es doch eine Fälschung, oder wie nennen Sie das sonst?

    Heckmann: Herr Hildebrandt, rund 40 Prozent der Deutschen sagen, die Glaubwürdigkeit von Herrn zu Guttenberg habe gelitten. Dennoch sagen 72 Prozent laut aktueller Umfrage, dass sie sich für ein Comeback aussprechen. Das lässt doch eigentlich nur den Rückschluss zu, dass die Menschen denken, Politiker haben eh alle Dreck am Stecken, man braucht als Politiker gar keine Glaubwürdigkeit, oder?

    Hildebrandt: Ja, das war wahrscheinlich immer schon so. Ich bin nur etwas enttäuscht darüber, dass das so bestätigt wird und dass nun 70 Prozent der Menschen der Meinung sind, er hätte gar nichts gemacht, nach dem alten Prinzip, dass dieser Doktor, der deutsche Doktor - Ich habe das selber mal geschrieben, ein Deutscher muss ein Doktor sein, sonst ist er nichts und kann er nichts und kommt nicht in die Wirtschaft rein. Das habe ich selber geschrieben. Es ist aber lange her und ich nehme das natürlich zurück. Wenn ich jetzt daran denke und selbst erlebt habe, wie zum Beispiel Mediziner, wie Ärzte zum Beispiel ihre Habilitationsarbeiten geschrieben haben, bei 32 Stunden Arbeit teilweise, bei Tag und Nacht, und wenn ich jetzt höre, wie bejammernswert dieser arme, mit der Quadratur des Kreises behaftete Guttenberg nun in Armut seine Arbeit gemacht hat, in einem kleinen Zimmer, und Pflichten hatte nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Politiker und auch als Familienvater, und Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung geschrieben hat, ja wenn man das so sieht, dann sieht man seine Quellennachweise wirklich in den Windelsäcken verschwinden.

    Heckmann: Aber hat es nicht auch was Sympathisches, wenn die Deutschen sagen, es hat jemand gefehlt und wir brechen nicht für alle Zeiten den Stab über ihn?

    Hildebrandt: Ach selbstverständlich ist das richtig! Ich bin auch der Meinung, er soll doch wiederkommen, selbstverständlich, gereinigt, geläutert, nachdenklich soll der wiederkommen und er ist begabt genug. Selbstverständlich die alte Geschichte, jeder hat eine zweite Chance, die ist schon richtig. Ich bin nicht dagegen, dass er wiederkommt, nein! Aber er muss schon eine kleine Pause machen, finde ich.

    Heckmann: Eine Pause? – Und die reicht?

    Hildebrandt: Weiß ich nicht, wem es reicht. Mir würde es reichen, weil ich sage, nun gut, das ist zwar nicht so von ohne, so eine Arbeit, und dann mit diesem Abschied auch noch abzugehen, mit diesem tränenreichen Abschied, wo er sich noch auf dem Rücken der Soldaten wähnend dann wirklich also dramatisch verabschiedet, sollte er vielleicht doch eine längere Pause machen. Aber es ist ja nicht zu verhindern, wenn eine Partei einen Menschen nun einmal als Genie verehrt, dass sie ihn wieder herausholen wird. Strauß ist gleich danach wiedergekommen. Strauß hat doch auch das Parlament belogen, das war auch nicht so ein kleiner Fehler, und nach kurzer Zeit hatte er dann die Chance, wieder Ministerpräsident zu werden in Bayern, also nicht wieder zu werden. Der hat auch die zweite Chance gehabt. Warum sollte Guttenberg die nicht haben?

    Heckmann: Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl hat sich auch dafür ausgesprochen, hat gesagt, es seien in der Vergangenheit bereits Politiker zurückgekehrt, die sehr viel mehr kriminelle Energie gehabt hätten. War das wohl ein Freudscher Versprecher?

    Hildebrandt: Das, glaube ich, ist ein Uhlscher Versprecher. Ich meine, Uhl ist nicht unbekannt. Das ist ein richtig fahrlässiger Redner!

    Heckmann: Vielleicht noch ein Wort abschließend zu dem Auftritt des Vaters von Karl-Theodor zu Guttenberg, der Baron Enoch zu Guttenberg. Er hat ja bei einer Demonstration die Häme und Selbstgerechtigkeit kritisiert, mit der über seinen Sohn hergezogen werde, hat von Geifer und von Jagdrausch gesprochen, so etwas habe er seit 1945 nicht mehr erlebt. Haben Sie manchmal das Gefühl, im falschen Film zu sitzen?

    Hildebrandt: Ich bin - darüber bin ich mehr als empört, denn dieser Vergleich ist so unsinnig und ihm überhaupt nicht würdig, das kann doch nicht sein. Er hat auch gesagt, wir haben auch die Nazis überstanden, seine Familie. Dieser Vergleich ist absolut unzulässig. Und ich meine, ich habe ihn als Dirigenten erlebt, ich finde ihn wunderbar, aber dieses, was er da sagt, das ist einfach hirnrissig, das ist Schwachsinn und das soll man schnell vergessen.

    Heckmann: Der Kabarettist Dieter Hildebrandt war das im Gespräch hier live im Deutschlandfunk zum politischen Aschermittwoch und dem Phänomen zu Guttenberg. Herr Hildebrandt, ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich genommen haben.

    Hildebrandt: Auf Wiederschauen!