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Habecks Abschied aus Kiel
Danksagungen und eine ungewöhnliche Einladung

Robert Habeck stieg in Schleswig-Holstein in wenigen Jahren vom einfachen Parteimitglied der Grünen bis zum Umweltminister und Landesvorsitzenden auf. Seit Kurzem ist er auch Co-Vorsitzender der Bundes-Grünen. Jetzt wurde er aus Kiel verabschiedet - mit einer ungewöhnlichen Einladung vom politischen Gegner.

Von Johannes Kulms | 29.08.2018
    Robert Habeck (r, Bündnis 90/Die Grünen), Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, und sein Nachfolger Jan Philipp Albrecht. Schleswig-Holsteins Grüne verabschiedeten Habeck, der sein Amt zum Monatsende abgibt, um sich ganz auf seinen Posten als Bundesvorsitzender der Grünen in Berlin zu konzentrieren.
    Robert Habeck (rechts, Bündnis 90/Die Grünen) und Jan Philipp Albrecht, sein Nachfolger als Umweltminister von Schleswig-Holstein (dpa / Frank Molter)
    "Deichperle" heißt das Lokal, in dem die Schleswig-Holsteinischen Grünen ihr Zugpferd verabschieden wollen. Wer sich dem Café zu Fuß nähert, hat vom Deich aus beste Sicht auf Strand und Ostsee. Und den Leuchtturm Friedrichsort.
    Bei guten Sichtverhältnissen strahlt das grün-weiße Seezeichen 33 Kilometer weit. Robert Habecks Strahlkraft reicht deutlich weiter. Sie ist längst in Berlin angekommen. Nun endet fürs erste seine Karriere in Kiel. Hier war der heute 48-Jährige vieles: Abgeordneter, Fraktionschef, Landesvorsitzender – und zuletzt sechs Jahre lang Umweltminister.
    "Danke, Robert" steht auf einem großen Transparent am Eingang zur Deichperle. Darunter steht Ole Eggers.
    "Robert Habeck war 'n charmanter, charismatischer Macker hier für Schleswig-Holstein."
    Eggers ist Landesgeschäftsführer der Umweltschutzorganisation BUND.
    "Er hat viel vorangebracht. Energiewende, ja. Dialogprozesse, ja. Aber für uns als Umweltverbände ist da auch ein Aber. Denn nur reden, nützt uns nichts bei den brennenden Fragen…"
    Aufstieg vom Mitglied zum Vorsitzenden der Grünen
    Habeck sei zu lasch mit dem Thema Klimaschutz umgegangen, genauso wie mit der Landwirtschaft findet Ole Eggers. Die Bauernlobby hat Habecks Politik ganz anders wahrgenommen – nämlich als Zumutung. Habeck habe in seinen sechs Jahren als Minister überhaupt nichts gelernt, polterte vor wenigen Wochen der Schleswig-Holsteinische Bauernverbandspräsident Werner Schwarz mitten in der Dürrekrise. Auch mit den Schleswig-Holsteinischen Fischern hat sich Habeck gezofft.
    Doch von Konflikten ist an diesem Abend wenig zu spüren. An die 100 Gäste sind gekommen, die meisten von ihnen Grünen-Mitglieder. Monika Heinold – Schleswig-Holsteins Finanzministerin und seit kurzem auch stellvertretende Ministerpräsidentin hat eine kleine Schachtel mitgebracht. Darin Dinge, die sie in ihrer Wohnung und im Keller gefunden hat und die sie mit Robert Habeck verbindet.
    "Du nimmst sie raus, egal in welcher Reihenfolge, ich sag was dazu und zum Schluss haben wir die Rede."
    Robert Habeck – der mit seinem blauen Kapuzenpulli mit dem Logo eines Surfshops auf der Bühne neben Monika Heinold steht – greift zur Box. Zum Vorschein kommen gelbe Bänder, die an den Kampf gegen Atomkraft erinnern sollen. Oder ein Fächer, der zeigt: Wenn es heiß wird, kann es schnell vorbei sein mit dem netten Herrn Habeck und laut werden. So wie bei einer Demo von Studenten vor dem Kieler Landtag. Dann zieht Habeck eine kleine Karte hervor. Die soll Habecks Gestaltungswillen zeigen. Oder sollte man besser sagen Machthunger?
    "So, das ist das einzige Utensil, was ich gekauft hab‘. Da steht drauf 'Schön, dass du da bist‘ und es ist eine Leiter. Und die Leiter brauchte ich, weil dein Weg, Robert, ist eigentlich der Aufstieg klassische Karriereleiter. Du stellst es immer anders da und sagst, 'alles zufällig'. Aber wenn man sich das anschaut: Vom Basismitglied über den Kreisvorstand in die Landtagsfraktion hin auch in den Grünen-Parteitag und jetzt auch Grünen-Bundesvorsitzender: Du hast alles mitgenommen. Aber wir sehen, diese Leiter hat noch ein bisschen Platz, schauen wir, was die Zukunft mit sich bringt, alles Gute für das, was du noch erreichen willst!"
    Moderationsvermögen und Durchsetzungskraft
    Es folgen Danksagungen der beiden Landesvorsitzenden: Habecks früherer Büroleiter Stefan Regis freut sich darüber, dass Robert Habeck ihn gepusht habe. Und Ann-Kathrin Tranziska findet, dass der Philosoph ein "cooler Bundesvorsitzender" sei. Jan-Philipp Albrecht, der vom EU-Parlament nach Kiel wechselt und am Samstag Habecks Amt als Umweltminister antritt, macht sich derweil Gedanken über die Fußstapfen, die Habeck ihm hinterlässt…
    "Die ohne Zweifel groß sind. Aber jetzt latscht du damit nach Berlin und machst ordentlich was. Und wir füllen diese Fußstapfen und machen noch was viel geileres. Mail schauen!"
    Die Grünen scheinen an diesem Abend stark mit sich zufrieden. Nicht nur als Minister hat Robert Habeck Moderationstalent bewiesen. Auch bei der Auflösung der Flügelkämpfe. Schon vor seiner Wahl zum Führungsduo der Bundesgrünen mit Annalena Baerbock zeigte Habeck sein Durchsetzungsvermögen: Mit großer Mehrheit erlaubten ihm die Grünen für einen Übergangszeitraum von acht Monaten gleichzeitig zum Bundesvorsitz auch noch Minister in Kiel zu bleiben.
    "Es war immer – und so habe ich das immer gesehen – ein gemeinsamer Weg und kein Solotrip. Und ich hoffe, dass das auch immer so wahrgenommen wurde."
    Auch Habeck sagt Danke an diesem Abend. Und macht sich über manche Eigenart an seiner künftigen politischen Wirkungsstätte lustig.
    "In Berlin ist es wirklich so, dass man sagt: 'Oh, wir müssen mal reden, wenn wir abends essen gehen.' Ja, dieses Essengehen in Berlin ist wirklich wie die Pest am Bein, es ist wirklich nur chichi und kein gar nicht und dann immer diese Weinprobe 'Ach nee, hm?‘"
    Camping mit dem CDU-Vorsitzenden
    Doch so schlecht scheint die Berliner Kost Habeck nicht zu bekommen. Denn wie das Geschäft in der Bundespolitik funktioniert, hat er längst begriffen. Seit Monaten schwebt das Führungsduo um Habeck und Baerbock auf einer Welle. Und mit ihnen die Grünen. Die Partei hat kräftig zugelegt und will noch stärker die schwächelnde SPD angreifen und sich als Partei breiter aufstellen.
    Gerade in dem Moment, als Habeck seine kleine Dankesrede beendet hat, springt ein Mann im Anzug auf die Bühne. Es ist Daniel Günther – Schleswig-Holsteins Ministerpräsident. Der CDU-Politiker ist von der Eröffnung des Fischereitags in Lübeck herbeigeeilt. Früher waren sich gerade im hohen Norden CDU und Grüne spinnefeind. Seit einem Jahr nun regieren sie zusammen mit der FDP das Land. Und Günther sagt, er habe mit Robert Habeck vereinbart…
    "Dass wir demnächst mal gemeinsam campen wollen um uns `n bisschen näher kennenzulernen. Und heute habe ich `ihm einen Gutschein geschenkt, damit er sich Outdoor-Kleidung und all so was besorgen kann. Versehentlich hatte sich Wolfgang Kubicki auch noch für dieses Treffen aufgedrängt. Wir haben aber verabredet, dass wir uns an einem Ort treffen und ihm einen anderen nennen wo wir dann den Abend verbringen weil wir sagen, es soll wirklich lustig werden!"
    Ähnlich wie Robert Habeck hat auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther einen steilen Aufstieg hingelegt. Nur lief der noch schneller als beim Grünen-Politiker. Sicher scheint: Beide haben jetzt schon in ihren Parteien glänzende Karten.