Freitag, 19. April 2024

Archiv

Habitat-Konferenz
Weltgemeinschaft beschließt neue globale "Stadt-Agenda"

Nach vier Tagen ist der UN-Weltsiedlungsgipfel in Ecuadors Hauptstadt Quito zu Ende gegangen. Zum ersten Mal hat es die Weltgemeinschaft geschafft, sich auf gemeinsame Leitlinien zur Lösung der Probleme in den stark wachsenden Städten zu einigen.

Von Anne Herrberg | 21.10.2016
    Protest vor den Toren der Konferenz. Die Demonstranten fürchten die Vertreibung aus ihren Stadtvierteln.
    Protest vor den Toren der Konferenz. Die Demonstranten fürchten die Vertreibung aus ihren Stadtvierteln. (picture alliance / dpa / Jose Jacome)
    Der Schlussakt war dann ziemlich unaufgeregt. Doch, was da am Donnerstag in Quito einstimmig angenommen wurde, ist nichts weniger als eine neue Stadt-Agenda für die kommenden 20 Jahre. Städte sollen lebenswerter werden, sozial gerechter, nachhaltiger, klimafreundlicher. Es gibt da nur ein Problem. Die Agenda, von Vertretern aus 193 Staaten beschlossen, hat keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Es sind Richtlinien; was Stadt- und Landesregierungen davon umsetzten, hängt allein von deren gutem Willen ab. Trotzdem ein Riesenerfolg, findet Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesumwelt und Bauministerium: Die Agenda erkenne erstmal an, dass die Städte Protagonisten bei den großen Zukunftsfragen seien.
    Deutschland hat eine Mobilitätsoffensive lanciert
    "Dass wir uns in dieser Völkerfamilie darauf verständigt haben, wie Nachhaltigkeit aussehen soll in unseren Städten, welche Rechte die Städte haben, welchen Rechtsrahmen sie haben sollen, das sie eine eigene finanzielle Ausstattung benötigen, um planen zu können, das ist allen Lobes wert."
    Deutschland war zwar mit keinem Bundesminister vertreten, hat im Rahmen der Habitat-Konferenz aber eine Mobilitätsoffensive lanciert – zur Finanzierung nachhaltiger Transportsysteme in Schwellenländern. Sicher gut, aber selbst in Deutschland, weltweit unter den Vorreitern beim Thema Nachhaltigkeit sei beispielsweise gerade wieder in Rekord an Neuzulassungen von Autos aufgestellt worden, kritisiert Daniel Moser von Greenpeace: "Was die Mitgliedstaaten hier verpasst haben, ist, klare Ziele und einen Zeitplan zu vereinbaren, der verbindlich und überprüfbar ist."
    Auch beim Kampf gegen Wohnungsnot, Vertreibungen und Verslumung in den Städten gibt es eher Rück- als Fortschritte. Da entziehe sich der Staat immer mehr seiner Verantwortung, sagt Dawid Bartelt, langjähriger Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Südamerika.
    Die Umsetzung in die Praxis wird schwer
    "Unternehmen müssen mit einbezogen werden in diesen Prozess, diese Prozesse haben nationale Größenordnung, die betreffen nationale Volkswirtschaften, aber es ist sozusagen ein ungebremstes oder nicht genügend kontrolliertes Wirtschaften, das uns diese Probleme geschaffen hat und dieselben Akteure, also Finanzinstitutionen, große Erdölkonzerne, Verkehrsverbände, Flugzeughersteller, die jetzt als Hauptakteure für die Lösung zu präsentieren, überrascht dann doch etwas."
    Vor den Toren der Konferenz hatten sich am Abschlusstag rund 100 Demonstranten versammelt, umstellt von schwer bewaffneten Polizisten.
    "Wir aus dem Viertel Bolanos kämpfen, weil uns die Stadtregierung vertreiben will. Da wo wir leben soll eine neue Zubringerautobahn ins Zentrum von Quito entstehen. Wir sind im Weg, aber wir wollen nicht weg, wir wollen, dass sie uns in Ruhe leben lassen."
    Das sagt der 66-jährige Taxifahrer Julio Guarcha. Seine Geschichte macht deutlich, wie wichtig die neue Stadt-Agenda ist – aber auch wie schwer es ihre Umsetzung in die Praxis haben wird.