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Hacker
Computeraktivisten tüfteln und diskutieren im Chaos Communication Camp

Im brandenburgischen Mildenberg treffen sich noch bis Montag Hacker, Nerds und Netzaktivisten beim Chaos Communication Camp. 5000 Teilnehmer diskutieren und basteln an technischen Neuerungen wie Kunststoff-Stethoskope und Funkgeräte, mit denen man Signale bis zum Mond senden kann.

Von Wolfgang Noelke | 15.08.2015
    Die Dresdener Thomas Skowron (r) und Constantin Müller sind im Ziegeleipark in Mildenberg (Brandenburg) am 13.08.2015 beim Chaos Communication Camp im Netz unterwegs.
    Chaos Communication Camp im brandenburgischen Mildenberg: Bei einem entspannten Hacker-Urlaub tauschen die Computerfreaks ihr Wissen aus. (picture alliance / dpa / Bernd Settnik)
    Ihren Urlaubs- und Tagungsort haben sich die 5000 zahlenden Gäste gleich selbst mitgebracht und aufgebaut. Nicht nur der Strom wird selbst gemacht – die Generatoren tuckern 24 Stunden lang – auch die Dekoration des Camps erinnert an die zauberhaften Märchenwelten, etwa von Second Life, abends, wenn zwischen farbiger Beleuchtung und Musik gefeiert und diskutiert wird. Das dominierende Geräusch ist hier das Rascheln, über unzählige Zelte gespannter Rettungsfolien, die vor allem die, in den Zelten zurückgelassene Technik vor sommerlichen Temperaturen schützen sollen.
    Währenddessen wird nämlich tagsüber noch bis einschließlich Montag in knapp 90 Foren über Technik diskutiert und selbstverständlich über Politik. Einen dieser Diskutanten brauchte man gar nicht erst namentlich vorzustellen:
    "Für den nächsten Talk muss ich eigentlich nicht viel ansagen. Herzlich willkommen, Landesverräter!"
    Technik-Experimente und Diskussionen
    Etwa 60 freiwillige Helfer hatten das Camp bereits Wochen vorher mit technischer Infrastruktur ausgerüstet. Parallel, so Sascha Ludwig aus der hiesigen Telefonzentrale, wird im Hintergrund selbstverständlich experimentiert:
    "Da gibt es IP basierte DECT Basisstationen. Das ist ein Berliner Hersteller für Telefontechnik. Der hat gesagt: Hier, ihr bekommt von uns 60 Basisstationen und 100 Handgeräte. Ihr könnt damit rumtesten, wenn Ihr wollt und wir haben bereits am ersten Tag, als wir getestet haben, zehn von den Basisstationen kaputtgemacht, beim Software Update. Und da lernt der Hersteller auch sehr viel, in dieser Infrastruktur, in diesem großen Maßstab. Das ist ja nicht das, was man mal eben so zuhause hinstellt."
    Das größte Experiment nennt sich hier Rad1o. – Rad1o, mit einer eins, statt mit i. SDR, "Software defined Radio" ist eine Platine, in Größe eines Oktavhefts, die im Funkbereich von 50 MHz bis 4 GHz auf allen Betriebsarten empfangen und auch senden kann. Letzteres zwar nur zwei Meter weit, aber der österreichische Funkamateur Andreas Schreiner ist jetzt schon begeistert, von diesem Radiobaustein, dass er damit Amateurfunk betreiben will:
    "Man könnte mit der, als Funkgerät jetzt direkt die Signale vom Mond empfangen. Dafür wird sich die sehr gut eignen. Das müsste man ohne Probleme empfangen können. Und die Badge ist ein richtiges Funkgerät, kann senden und empfangen, mit sehr geringer Leistung. Aber als Funkamateur darf man sich die entsprechenden Verstärker noch dazuhängen. Dann kann man richtig funken, damit. Man muss nur ausreichend verstärken. Aber man kann auch bis zum Mond. Das geht."
    Funkgeräte, die bis zum Mond Signale senden
    Im Camp hat Andreas Schreiner eine riesige Antenne aufgebaut, mit der er Tonsignale zum Mond senden – und empfangen kann, wenn sie drei Sekunden später vom Mondboden reflektiert, auf der Erde ankommen. Andere Funkamateure antworten mit ebensolchen Tonsignalen.
    Den Mond hat auch Karsten Becker im Blick. Ein ferngesteuertes Fahrzeug will er hochschicken. Aus der anfänglichen Träumerei wurde inzwischen ein industrielles Welktraumprojekt. Becker und seine Kollegen von den "Part-Time-Scienteists" planen dort ein technisches Experiment:
    "Was wir zum Beispiel auf dem Mond auch ausprobieren wollen, ist 3D-Druck. Das heißt, wir wollen aus dem Mondstaub ein neues Bauteil fertigen. Das Verfahren, das wir für den Monddruck verwenden wollen, ist vom Prinzip her, dass man das Material eingesammelt und dann mit dem Leser einschmilzt. Das würde zum Beispiel die Raumfahrt drastisch revolutionieren, wenn man die Dinge nicht immer zum Mond mitnehmen müsste, sondern sie dort einfach fertigen könnte."
    Gefertigt werden im Camp heute Kunststoff- Stethoskope, für Ärzte armer Länder. Gedruckt kosten die höchstens einen Euro. Generell, so Dodger, einer der ältesten CCC-Mitglieder, seien Hacker sowieso darauf erpicht, mit ihrem Wissen soziale Probleme zu lösen:
    "Das können Hacker, Computermenschen mit relativ einfachen Mitteln realisieren. Und die Freifunker haben sich das auch gerade zur Aufgabe gemacht, Erstaufnahme-Unterkünfte mit kostenfreien, freiem offenen WLAN zu versorgen und diese Techniken werden natürlich auch hier weiterentwickelt."