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Gesetz gegen Hasskriminalität
Härtere Gangart gegen Extremismus

Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, Kommunalpolitiker besser vor Beleidigung und Angriffen zu schützen. Plattformbetreiber sollen Nazi-Propaganda und Morddrohungen melden. In der ersten Lesung im Bundestag stand Lob für härteres Durchgreifen neben Warnungen vor einer Rollenänderung der Plattformen.

von Johannes Kuhn | 12.03.2020
Computertasten mit der Aufschrift Hass und Radiergummi, auf dem ein Paragrafen-Zeichen zu sehen ist
Wer Beleidigung oder Morddrohung online äußert, muss mit schärferer Strafe rechnen (imago/Christian Ohde)
Weil sich Justizministerin Christine Lambrecht erkältet krank gemeldet hatte, blieb es an ihrem Staatssekretär Christian Lange, den Bogen zu spannen: Von der Bundestagsdebatte über den rassistisch motivierten Terroranschlag von Hanau zum Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität:
"Den Menschen, die vor Rassismus und Rechtsextremismus sich fürchten, haben wir damals eines versprochen: Wir nehmen den Kampf gegen diese Bedrohung auf. Und meine Damen und Herren: Heute zeigen wir, dass wir es ernst meinen".
Innen- und Justizministerium hatten das Paket bereits vor Monaten geschnürt - auch als Reaktion auf den Anschlag auf eine Synagoge in Halle. Antisemitische Motive sollen bei Straftaten künftig strafverschärfend wirken.
Zugleich aber soll auch dem entgleisten Diskurs entgegengewirkt werden. Dessen Folgen treffen auch Lokalpolitiker: In einer aktuellen Umfrage geben knapp zwei Drittel der Bürgermeister an, bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder gar tätlich angegriffen worden zu sein. Im Schutz vor übler Nachrede und Verleumdung werden Kommunalpolitiker deshalb Bundes- und Landespolitikern gleichgestellt. Ingmar Jung von der CDU:
"Dass wir jetzt auch gesetzlich klarstellen, dass wir mit Politik auch die Kommunalpolitik meinen - ist ja eigentlich sein Wahnsinn, dass man das tun muss. Aber es gibt tatsächlich Rechtsprechung, die sich da nicht so ganz sicher war an dieser Stelle."
Strafverschärfung bei Beleidigung
Diese Änderung darf als überparteilicher Konsens gelten, ebenso erleichterte Auskunftssperren im Melderegister.
Um im Netz für Abschreckung zu sorgen, wird auch das Strafrecht geändert: Gerade der öffentliche Charakter von Äußerungen im Internet wirkt nun strafverschärfend: Bei öffentlichen Beleidigungen oder Androhungen von Verbrechen verdoppelt sich die mögliche Freiheitsstrafe auf je bis zu zwei Jahre. Wer öffentlich mit Mord oder sexueller Gewalt droht, muss sogar mit bis zu drei Jahren rechnen.
Der bayerische CSU-Justizminister Georg Eisenreich hätte sich sogar eine Grundsatzreform des Beleidigungsrechts gewünscht:
"Zum Beispiel müssen auch Fälle von Hasskriminalität, Beleidigung von Politikern, die ja auch ein Angriff auf unsere Demokratie darstellen, Cybermobbing, besser erfasst werden und auch härter geahndet werden können."
Meldepflicht für Plattformen
Umstritten ist die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes: Plattformen müssen künftig Neonazi-Propaganda, die Billigung schwerer Straftaten, Morddrohungen, Terror-Pläne oder Volksverhetzung nicht nur löschen, sondern an eine Zentralstelle des Bundeskriminalamts melden, inklusive der zugehörigen IP-Adresse. Jürgen Martens, rechtspolitischer Sprecher der FDP:
"Problematisch sehen wir die Meldepflicht für Plattformbetreiber. Hier wird eine zusätzliche Komplikation eingebaut, die der Verfolgung solcher Taten nicht unbedingt dienlich ist, wenn nicht zugleich auch bei den Verfolgungsbehörden der Flaschenhals der personellen Kapazitäten erweitert wird, meine Damen und Herren."
Auch die AfD kritisierte, dass nun die Ersteinschätzung von Delikten bei den Plattformen lägen. Der ehemalige Oberstaatsanwalt Roman Reusch:
"Die Beurteilung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, ist eine klassische Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, beschrieben in Paragraph 152, Absatz 2 StPO. Hier wird sie vorverlagert auf Private. Ein merkwürdiger Vorgang."
Die Linke wiederum begrüßte in Person von Petra Pau, dass die Bundesregierung Rechtsextremismus endlich als größte Gefahr für die Demokratie anerkannt habe.
"Umso mehr begrüße ich, wenn es nun auch in der Bundesregierung diese Einschätzung gibt. Nun gilt allerdings auch, dass dieser Erkenntnis, den Worten Taten folgen müssen."
Zu diesen Taten gehört für Linke wie für die Grünen auch eine Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen. Renate Künast, selbst prominentes Opfer zielgerichteter Beleidigungen, verwies auf die unsichere Finanzierung vieler Programme gegen Rechts:
"Es braucht mehr als Strafrechtsänderungen. Es braucht eine breite Struktur, mit der sich die Gesellschaft, Menschen wehren können. - Weil das Wehren passiert im Alltag."
Die Große Koalition will das Gesetz zeitnah verabschieden, im parlamentarischen Prozess kann es noch zu Änderungen in Detailfragen kommen.