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Haftstrafen für die Fälscher

Es war ein Betrug der etwas anderen Art: Falsche Avantgarde-Kunst-Bilder aus einer fiktiven Sammlung waren tief in den internationalen Kunstmarkt hineingeschleust worden. Heute hat das Kölner Landgericht im Kunstfälscherprozess Recht gesprochen. Dabei ging es auch um die Frage, ob die Angeklagten als Bande tätig waren.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig | 27.10.2011
    Stefan Koldehoff: Das war eigentlich, Herr Schossig, der einzige Punkt, der noch so ein bisschen offen war nach dieser Verständigung, die man ja sehr früh in diesem Verfahren schon getroffen hatte, die Frage nämlich: War es eine Bande oder nicht. Und relevant ist sie A für die Strafhöhe, denn bei gewerbsmäßigem Betrug ist ansonsten die Höchstgrenze fünf Jahre – wenn es aber eine Bande ist, dürfen es auch zehn Jahre sein -, und zum anderen die Frage der Verjährung – bei bandenmäßigem Betrug erst nach zehn Jahren, bei Einzelbetrug schon nach fünf Jahren. Deswegen sind die Strafen so ausgefallen, wie sie heute ausgefallen sind, nämlich sechs Jahre für den Haupttäter, fünf, vier und ein Jahr und neun Monate auf Bewährung für die Beteiligten. Das war einfach nur dadurch möglich, dass es der Staatsanwaltschaft gelungen ist, die Bande nachzuweisen, und das wiederum ging nur, weil alle vier umfassende Geständnisse abgelegt hatten.

    Schossig: Die Strafen sind relativ harmlos. Es waren ja nur 14 Bilder, die jetzt zur Diskussion standen, im Stile von Max Ernst, Pechstein, Campendonk und so weiter, mit denen die Angeklagten ja immerhin fast zehn Millionen Euro erlöst haben sollen. Die Ermittlungen zu mehr als 40 weiteren Fälschungen werden jetzt eingestellt. Wie geht das an?

    Koldehoff: Na ja, da stößt das deutsche Rechtssystem an seine Grenzen, und das hängt unter anderem mit der Verjährung zusammen. Sie haben gerade schon gesagt: Ab Mitte der 80er-Jahre, hat Beltracci eingestanden, habe er immer mal wieder (zunächst auf Flohmärkten, noch nicht so systematisch wie später) mit Fälschungen gehandelt. Das ist alles längst verjährt. Für die Anklageschrift, die sehr, sehr akribisch und auch sehr, sehr umfangreich vom Landeskriminalamt Berlin zusammengestellt worden ist, konnte, durfte nur das relevant sein, was nach 2001 geschehen ist. Das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt ist: Es hat eben diesen sogenannten Deal, diese Verständigung gegeben, und da haben die Anwälte eben darauf bedungen, wenn unsere vier Mandanten gestehen, dann sollen damit aber auch bitte alle Fälle erledigt sein, in denen im Moment ermittelt worden ist.

    Schossig: Vor und nach 2001 ist ja sehr viel mehr geschehen, als dass nur Bilder gemalt wurden. Es ist im internationalen Kunstbetrieb Handel getrieben worden, es sind große Summen Geldes mit diesen gefälschten Bildern verdient worden. Hat man es den Fälschern zu leicht gemacht?

    Koldehoff: Das ist heute im Schlusswort in der Urteilsbegründung von Richter Wilhelm Kremer noch mal deutlich zur Sprache gekommen. Die Angeklagten hatten darauf hingewiesen, die Anwälte auch, und Richter Kremer hat das heute noch mal bestätigt: Es war tatsächlich sehr einfach. Es hat offenbar keine Kontrollmechanismen, keine ausreichenden, im Kunsthandel gegeben. Man hat geglaubt, was erzählt wurde. Man hat vieles nicht mehr überprüft, man hat viele Gutachten, die eigentlich nötig gewesen wären, nicht in Auftrag gegeben. Also er hat es noch mal bestätigt, der Richter: Es ist den Angeklagten sehr leicht gemacht worden. Er hat aber auf der anderen Seite auch gesagt, das hat keine Auswirkungen aufs Strafmaß. Trotzdem ist über einen sehr langen Zeitraum mit sehr hoher krimineller Energie ein sehr hoher materieller Schaden verursacht worden und deswegen eben diese Strafen. Zehn Jahre wäre die Höchststrafe gewesen, die machbar gewesen wäre, und durch die Geständnisse ist das bei allen um etwa ein Drittel gemindert worden.

    Schossig: Steht es denn der Staatsanwaltschaft oder vielleicht einem Nebenkläger jetzt frei, in Richtung Kunstmarkt noch weiter zu ermitteln?

    Koldehoff: Das, was heute abgeschlossen wurde, war nur das Strafverfahren, also nur die Anklage der Staatsanwaltschaft im Namen der Öffentlichkeit. Es werden sicherlich jetzt privatrechtliche Verfahren folgen, einige sind wohl auch schon angestrengt, weil man sich natürlich das Geld zurückholen möchte. Von knapp zehn Millionen ist die Rede gewesen, die den Angeklagten zugeflossen sind. Einiges davon konnte gesichert werden in Form von Immobilien in Freiburg, in Südfrankreich, in Form von Kontoguthaben. Das steht jetzt dem sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich zur Verfügung. Da wird man sich jetzt privatrechtlich noch mal vor Gericht sehen müssen.

    Schossig: Ist so ein Prozess dann eher eine Abschreckung, oder wird gerade da vielleicht ein neuer Täterkreis ermutigt, noch geschickter vorzugehen künftig?

    Koldehoff: Es ist in der Vergangenheit seit den 50er-Jahren, seit der Kunstmarkt einen großen Aufschwung genommen hat, immer so gewesen, wenn es Rekordpreise gab und wenn darüber in der Öffentlichkeit berichtet wurde, wie viel Kunst eigentlich wert ist, dass das auch immer Täter auf den Plan gerufen hat.

    Schossig: So weit, so gut. Stefan Koldehoff war das zum Ausgang des Kölner Kunstfälscherprozesses.