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Halloween auf katholisch

Halloween ist ursprünglich kein amerikanisches Fest, sondern es hat irische Wurzeln. Keltische und katholische Ahnen- und Heiligenkulte verschmelzen hier. Im Mainzer Dom macht eine nächtliche Führung diese Tradition lebendig.

Von Ludger Fittkau | 01.11.2013
    "Die Skelette im Dom können beginnen."

    Der Kunsthistoriker Gerhard Kölsch dirigiert eine etwa dreißigköpfige Gruppe. Noch steht sie im rot und grün angestrahlten Kreuzgang am Mainzer Dom. In wenigen Augenblicken soll sie im fast vollständig abgedunkelten Dominneren mit Taschenlampen auf Skelette stoßen.

    "Wer keine Taschenlampe hat, darf sich hier noch gerne eine mitnehmen."

    Die wenigen Kinder in der Gruppe haben natürlich Taschenlampen mitgebracht - die Erwartungen an die Nachtführung im Mainzer Dom ist groß:

    "Ja, dass vielleicht ein Geist raus springt."

    Bleiche Gespenster, die ihr Unwesen treiben – dieses typische Halloween-Spektakel lehnen allerdings viele Erwachsene ab, die in den nächtlichen Dom gekommen sind.

    "Halloween ist nicht so unsere Sache."

    "Weil Halloween nach Amerika gehört und nicht nach Deutschland."

    "Wir sind Mainzer und Halloween nach Amerika gehört und nicht nach Deutschland."

    An Halloween scheiden sich also die Geister im Mainzer Dom. Doch nicht alle, die sich zum nächtlichen Treiben im Kreuzgang versammeln, sind Halloween-Hasser. Einige Kinder sind als Vampire verkleidet ins Gotteshaus gekommen – mit Einverständnis der Eltern:

    "Das war ein langer familiärer Entscheidungsprozess, de noch nicht abgeschlossen ist, denn der heimliche Wunsch der Verkleideten ist, dass anschließend noch Halloween stattfindet."

    Bei Beginn der Führung im nächtlichen Dom verabrede ich mit der zehnjährigen Francesca und den zwei Jahre älteren Simon, sie immer mal wieder nach ihrem Gefühlszustand fragen zu dürfen. Dann geht es los. Gerhard Kölsch führt die Gruppe im finsteren Dom an eine beleuchtete Vitrine, in der in einem etwa 30 Zentimeter langen, offenen Sarg eine Miniaturleiche aus dem 17. Jahrhundert liegt:

    "Da ist so alles an Gewürm dran, die Schlangen, die Kröten und alles, was die Toten nun auffrisst. Und wenn man das Skelett genau betrachtet, ist hier das so dargestellt, dass es noch nicht ganz verwest ist. Also ein halb verwester Leichnam, ein kleiner Tod, ein sogenannten 'Tödlein', so nannte man die in der Barockzeit."

    Simon, der ganz nah an der Vitrine steht, ist schon ein wenig anzumerken, dass er sich gruselt:

    "Der Anblick, auf den ersten Hinblick schon ein bisschen. Ja, sieht schon echt aus, an der kleinen Größe erkennt man, dass es nicht echt sein kann."

    Dann geht es weiter, immer tiefer in den dunklen Mainzer Dom hinein. Die nächste Station: ein mehrere Meter hohes, barockes Grabbild.

    "Jetzt denkt man, dass die Skelette im Grab sein müssten, aber es gibt aus der Barockzeit, also dem 17. und 18. Jahrhundert auch Beispiele, dass die Skelette am Grab sind und dort bedeuten sie etwas ganz Besonderes."

    Die Knochengerippe setzen einen Schlusspunkt unter das Theater des Lebens – eine Metapher der Barockzeit, die in einem Seitenschiff des Mainzer Domes verbildlicht ist. Ein fast menschengroßes Skelett ist neben einer Theaterbühne platziert, auf der ein hier begrabener Dompropst der Hauptdarsteller ist, wie Gerhard Kölsch erklärt:

    "Von der Leyen – der Dompropst, er ist nicht mit der Ursula verwandt. Ein Dompropst muss ja eben auch zölibatär leben. Der Mann der Ursula ist vielleicht ganz entfernt mit diesem von der Leyen der Barockzeit nicht verwandt, das konnte ich leider nicht herausfinden."

    800 Menschen nehmen gestern Abend insgesamt an verschiedenen Führungen im Mainzer Dom teil. Halloween – auf katholisch:

    "Ich mag den Dom, ich komme aus Mainz und ich wollte einfach noch ein bisschen mehr erfahren. Bei Nacht, das ist was Besonderes."

    Der Dom ist an sich reizvoll, wir kennen ihn unter allen möglichen unterschiedlichen Aspekten, waren aber noch nie in einer Nachtführung drin.

    Die Idee für die "Nacht der Heiligen" sei im vergangenen Jahr entstanden, erklärt Ester Klippel, Mitarbeiterin des Mainzer Dommuseums. Halloween ist nämlich ursprünglich kein amerikanisches Fest, sondern ein Europäisches. Genauer gesagt: ein Irisches. Keltische und katholische Traditionen treffen sich in Irland an Allerheiligen:

    "Wir müssen mal zurück zu den Wurzeln von All Hallows Eve, also nicht Zombies und Hexen, sondern machen eine Nacht der Heiligen. Und das war im letzten Jahr schon sehr erfolgreich und wird auch in diesem Jahr, wie es ausschaut wieder sehr erfolgreich."

    Für Francesca und Simon war die Taschenlampen-Führung im Mainzer Dom jedenfalls ein Erlebnis, das sie nicht so schnell vergessen werden:

    "Ich fand es cool, dass es im Dunkeln war."

    "Das Licht und diese Dunkelheit und die ganzen Skelette, ich fand es cool. Nicht so gruselig. Also es war für mich bestens geeignet."