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Hambacher Forst
"Rodungsmaßnahmen sind schlichte Provokation"

Die geplanten Rodungen im Hambacher Forst durch den Energiekonzern RWE seien eine Provokation, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger im Dlf. Er appellierte an das Unternehmen, keine Rodungen durchzuführen, solange die Kohlekommission tage, die einen gesellschaftlichen Konsens über den Ausstieg aus der Kohle erreichen wolle.

Hubert Weiger im Gespräch mit Ann-Katrin Büüsker | 15.09.2018
    Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger
    Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger (dpa/ picture alliance/ Arne Immanuel Bänsch)
    Büüsker: Schwierige Vorzeichen der Kohlekommission in Berlin, die ja ohnehin nicht einfach werden dürfte. Am Telefon ist jetzt eines der Mitglieder der Kommission, der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger. Einen schönen guten Morgen!
    Hubert Weiger: Guten Morgen, Frau Büüsker!
    Büüsker: Herr Weiger, RWE hatte ja in dieser Woche angeboten, die Rodung bis zum letzten geplanten Sitzungstermin am 15. Dezember aufzuschieben unter der Voraussetzung, dass Sie als Umweltverbände die Rodung dann endgültig und öffentlich akzeptieren. Warum sind Sie darauf nicht eingegangen?
    Weiger: Weil damit natürlich es sich nicht um irgendein verhandlungsfähiges Angebot handelt, denn es ist ja eines der zentralen Ziele der Kohlekommission, unter anderem einen gesellschaftlichen Konsens über den Ausstieg aus der Kohle, auch damit aus der Braunkohlenutzung herbeizuführen. Wir plädieren natürlich aus Klimaschutzgründen für einen möglichst raschen, konsequenten Ausstieg, und das bedeutet dann vor allem für das rheinische Revier, weil dort mit die ältesten und klimabelastendsten Kraftwerke laufen, dass hier vorrangig Kraftwerke in der Leistung entweder reduziert oder stillgelegt werden müssen, um tatsächlich unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Und das hat natürlich damit unmittelbare Auswirkungen auch auf den Hambacher Wald. Und von daher heißt das, wenn wir dann quasi nach dem Ergebnis der Kohlekommission dann der Rodung komplett zustimmen, dann brauche ich ja nicht eine solche Kommissionsarbeit. Sie dient ja unter anderem dazu, letztendlich den Braunkohleabbau in Deutschland, und zwar auch in allen, auch genehmigten Bereichen deutlich zu reduzieren. Ansonsten können wir unsere Klimaschutzziele vergessen. Es hilft doch nichts, in Paris in der Weltgemeinschaft zu sagen, wir sind bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral, um dann im eigenen Land so zu tun, als wären wir davon nicht betroffen. Wir sind das viertgrößte Land, welches Kohle nutzt, weltweit. Also von daher glaube ich, war das kein Angebot, das überhaupt verhandlungsfähig ist.
    "Entscheidend ist das Ergebnis der Kommissionsarbeit"
    Büüsker: Aber wenn Sie mit so einer Maximalforderung, also der Hambacher Forst muss definitiv stehenbleiben, in die Kohlekommission gehen, in die Verhandlungen, wie sollen die dann zu einem Ergebnis kommen?
    Weiger: Wir haben ja nicht gesagt, er muss komplett stehenbleiben, sondern wir haben gesagt, jetzt müssen wir doch erst einmal diskutieren und gemeinsam, hoffentlich in einem breiten Konsens, festlegen, wie es dann tatsächlich weitergeht. Und wir haben auch RWE damit angeboten, dann nach dem Ergebnis dieser Kommission dann im Lichte der Ergebnisse der Kommission weiter zu diskutieren, wie es dann konkret mit dem Hambacher Wald weitergeht. Und vor dem Hintergrund heißt das nicht, dass wir von vornherein sagen, da muss jeder Quadratmeter noch erhalten bleiben, sondern entscheidend ist das Ergebnis der Kommissionsarbeit. Und was wir vor allem immer verdeutlicht haben, dass natürlich es völlig unmöglich ist, während der Diskussion tatsächlich in Berlin mit der Zielsetzung eines breiten gesellschaftlichen Konsenses zu Ergebnissen zu kommen, dass während dieser Zeit mit Rodungsmaßnahmen im Hambacher Wald begonnen wird. Und das, was jetzt ja – die Baumhäuser, die jetzt geräumt werden, dienen ja letztendlich dazu, dann Mitte Oktober mit Rodungsarbeiten beginnen zu können.
    Büüsker: Sind Sie denn tatsächlich so optimistisch, dass Sie glauben, dass die Kohlekommission bis Ende des Jahres ein Ergebnis finden wird?
    Weiger: Das hat mit Optimismus nichts zu tun, sondern mit den politischen Vorgaben. Es gibt den klaren Auftrag der Bundesregierung, bis Mitte Dezember zu Ergebnissen zu kommen. Wir haben einen klaren Zwischenauftrag, bereits für die Weltklimakonferenz in Kattowitz Ergebnisse zu liefern, damit eben die Bundesregierung nicht mit leeren Händen nach Kattowitz fahren muss. Also von daher wird eben unter einem in der Tat gewaltigen Zeitdruck gehandelt. Diese Kohlekommission ist deswegen extrem beanspruchend für alle Teilnehmer, und alle sind hier engagiert letztendlich mit dabei, bringen sich voll ein im Interesse letztendlich durchaus dieses Ziels. Und deswegen gibt es ja auch die Chancen, letztendlich zum ersten Mal durch einen breiten Dialog und Vereinbarungen zwischen eben nicht nur Umweltverbänden, sondern Betroffenen, den Gewerkschaften, den Spitzenvertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft und der Politik, letztendlich zu einem Ergebnis zu kommen. So was hat es ja in Deutschland bisher nicht gegeben. Und während dieser Zeit nun mit Rodungsmaßnahmen im Hambacher Wald zu beginnen, dann ist das eben eine schlichte Provokation. Und deswegen können wir nur eindringlich an RWE appellieren, seiner gesellschaftlichen Verantwortung Rechnung zu tragen. Es ist selbstverständlich, wenn Gewerkschaften mit Arbeitgebern verhandeln um Tarifverträge, dann gibt es die sogenannte Friedenspflicht, und ich glaube, das wäre auch hier der Fall.
    "Hände weg während der Kommission von Rodungen im Hambacher Wald"
    Büüsker: Sie appellieren jetzt an RWE. Es sieht aber derzeit so aus, als würde das Unternehmen nicht davon ablassen und tatsächlich dann im Oktober mit den Rodungen beginnen. Was bedeutet das dann für den BUND? Das Ende der Mitarbeit in der Kohlekommission?
    Weiger: Wir haben gesagt, dass das in der Tat unsere Mitarbeit gefährdet. Es ist ja schlecht vorstellbar, dass zum Beispiel ich als Vorsitzender des BUND in der Kommission dann mitarbeite, während draußen meine Basis engagiert protestiert gegen die Rodungen. Also von daher sind da keine Entscheidungen noch getroffen. Wir werden es uns nicht leicht machen, genauso wie wir es uns nicht leicht gemacht haben, überhaupt in die Kommission reinzugehen, weil natürlich am Ende irgendein Kompromiss stehen wird. Aber wir sind bereit dann, Kompromisse, die wir für fachlich vertretbar halten aus Klimaschutzgründen, dann auch gesellschaftlich mitzutragen. Aber es ist eine große Gefahr für unsere Mitarbeit in der Kommission. Und da geht es ja nicht nur um den BUND und dessen Glaubwürdigkeit, sondern da geht es insgesamt um die Umweltbewegung. Und deswegen haben wir ja eben gesagt, Hände weg während der Kommission von Rodungen im Hambacher Wald, denn das erschwert auf alle Fälle notwendige Kompromisse in Verbindung mit der Frage, wie schaffen wir unsere Klimaschutzziele 2020, wie schaffen wir unsere Klimaschutzziele 2030. Unsere Klimaschutzziele haben ja nicht wir festgesetzt, sondern die sind politisch aus gutem Grund festgesetzt.
    Büüsker: Lassen Sie uns dieses Szenario mal weiterspinnen. RWE setzt die Rodung fort beziehungsweise setzt die Räumung fort und beginnt dann im Oktober mit der finalen Rodung des Hambacher Forsts. Sie als Umweltverbände steigen dann unter Umständen aus der Kohlekommission aus. Das würde bedeuten, dass sich eine Lösung für den Kohleausstieg unter Umständen noch weiter verzögern würde. Lassen Sie sich da von RWE nicht auch so ein bisschen vor sich hertreiben, austricksen vielleicht sogar?
    Weiger: Mit Sicherheit nicht. Wie gesagt, es ist ja nicht das letzte Wort gesprochen. Das entscheiden in unserem demokratischen Verband dann unsere zuständigen Gremien, möglicherweise sogar die Delegiertenversammlung. Also, vor dem Hintergrund machen wir es uns in der Tat nicht leicht, aber es ist eine riesige Herausforderung. Aber wenn wir aussteigen, hat das natürlich Konsequenzen. Nicht, weil wir als BUND dann aussteigen, sondern weil es ja darauf ankommt, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens über diese zentralen Fragen herbeizuführen. Es geht auch darum letztendlich, sehr viel Geld in die betroffenen Regionen zu verteilen, Geld, welches an anderer Stelle für notwendige Strukturmaßnahmen nicht vorhanden ist. Von daher braucht es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, und der wird gefährdet, und deswegen sehen wir diese Entwicklung mit größter Sorge, und deswegen unterstützen wir auch …
    "Anliegen absolut gewaltfrei vertreten"
    Büüsker: Herr Weiger, wenn ich da ganz kurz einhaken darf. Sie fordern einen breiten gesellschaftlichen Konsens, werfen RWE vor, diesen zu torpedieren, aber torpedieren diesen Konsens nicht auch diejenigen, die jetzt im Hambacher Forst Gewalt einsetzen, um die Räumung zu verhindern?
    Weiger: Gewalt ist mit Sicherheit kein Mittel, welches aus unserer Sicht akzeptabel ist. Wir haben uns davon immer klar distanziert, völlig egal, von wem Gewalt ausgeübt wird. Wir bekennen uns zum Prinzip des absolut gewaltfreien Einsatzes für Natur und Umwelt seit Jahrzehnten. Von daher geht natürlich auch unser Appell an alle Betroffenen, hier tatsächlich das Anliegen absolut gewaltfrei zu vertreten.
    Büüsker: Sagt Hubert Weiger, er ist Vorsitzender des BUND. Wir haben gesprochen über die anstehenden Rodungen im Hambacher Forst und die unter Umständen bedrohte Mitarbeit des BUND in der Kohlekommission. Herr Weiger, vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
    Weiger: Ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.