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Hambacher Forst
RWE-Kommunen profitieren von kohlefreundlicher Politik

Der Hambacher Forst wird gefällt – daran hält der Energiekonzern RWE fest. Doch hinter RWE stehen auch zahlreiche Städte, Gemeinden und Landkreise, die Aktien des Konzerns halten. Und die machen sich durchaus Sorgen um das Klima – wie passt das zusammen?

Von Kai Rüsberg | 17.09.2018
    Hauptverwaltung der RWE AG am Opernplatz 1 in Essen.
    Die Stadt Essen sagt, sie sei auf die Dividende von RWE angewiesen (picture alliance / Daniel Kalker)
    "Viele sagen es sei nur ein Symbol, aber Symbole sind kräftig und mächtig und es gibt wahrscheinlich kein stärkeres Symbol als einen Wald, der für Braunkohle fallen muss."
    Frank Taschner, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bochumer Rathaus, ist gar nicht froh, wenn er die Nachrichten zum Hambacher Forst hört. Indirekt ist er als Politiker sozusagen Miteigentümer von RWE, dem Unternehmen, dass die Braunkohle unter dem Wald abbaggern will. Die Stadt Bochum war über Jahrzehnte einer der größten Aktienbesitzer des Energieunternehmens, das viel Geld mit Braunkohle verdient hat, die wesentlich zur Freisetzung des Klimagases CO2 beiträgt.
    "Da wird natürlich in die Energieform investiert, deren Tage einfach gezählt sind."
    An anderen Stellen versuchen die Lokalpolitiker in Bochum - gegen große Widerstände - CO2 in der Lokalpolitik zu vermeiden, so wie im Verkehr. Dazu passt es dann gar nicht als Miteigentümer für den Abbau der Braunkohle verantwortlich zu sein, meint Taschner.
    "Das ist natürlich ein Widerspruch. Also wir knapsen gerade rum, dass wir die Herner Straße nicht nur auf 30 abgesenkt kriegen, sondern einspurig reduziert wird. Schon das ist unglaublich schwer umzusetzen.
    Diese Widersprüche machen den Essener Kommunalpolitikern offenbar weniger Kopfzerbrechen. Der Stadt Essen gehören fast 19 Millionen Aktien von RWE. Historisch ist das Unternehmen wie selbstverständlich eng mit der Stadt verbunden, meint Sprecherin Silke Lenz.
    "Die Stadt Essen ist Anteilseigner bei RWE so lange es das Unternehmen gibt. Das hat einfach etwas mit der Stromversorgung zu tun, mit den Stromleitungen zu tun. Wir sind Standortkommune auch schon seit jeher gewesen. Und insofern spielt das für uns eine große Rolle. Zumal es auch ein wichtiger finanzieller Asset ist."
    Essen handelt als Kapitaleigentümer, der seine Dividende aus den Gewinnen des Unternehmens ziehen möchte. Dazu sei die Kommune aufgrund der schwierigen Haushaltslage geradezu verdammt, argumentiert Lenz.
    "Die Stadt Essen ist Stärkungspaktkommune. Das heißt, wir haben eben auf der anderen Seite nicht so viele sichere Einnahmen, wir sind auch ein bisschen darauf angewiesen auf die Dividende."
    Essen finanziert Sozialausgaben auch durch RWE-Dividende
    RWE bemühe sich auch durch Forschung und Investitionen um den Klimaschutz, argumentiert die Stadtsprecherin. Doch nach der Energiewende war die jährliche Ausschüttung von RWE an die Anteilseigner zwischenzeitlich weggebrochen und der Wert der Aktie abgesackt. Aber in diesem Jahr gibt es eine Sonderdividende, die in die Stadtkasse strömt.
    "Wenn wir diese Aktien jetzt verkaufen würden, dann hätten wir zwar weniger Schulden, dass ist erst Mal ein positiver Effekt. Wir haben keine Einnahmen und die brauchen wir, weil wir eben eine hohe Soziallast tragen. Wir sind eine Region mit sehr viel Langzeitarbeitslosigkeit, wir sind eine Region, die sehr viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Das alles muss finanziert werden und das wird eben auch mit der Dividende der RWE Aktie finanziert."
    Solche Argumente lassen Aktionsgruppen wie Greenpeace nicht gelten. Sie fordern den sofortigen Verkauf. Ein Investment in Braunkohle stehe den Zielen einer Kommune zum Klimaschutz entgegen, meint Anna Reichensteiner von Greenpeace im Ruhrgebiet.
    "Das passt gar nicht. Die Kommunen haben eine Vorbildfunktion für die Bürger und Bürgerinnen und haben eine Bildungsaufgabe. Es ist nicht glaubwürdig, wenn die Kommune als Klimaschutzziel die Einsparung von 80 bis 95 Prozent CO2-Emission hat und dann in ein Unternehmen investiert, was aktuell einen Wald rodet, um noch mehr Braunkohle zu fördern, obwohl noch gar nicht klar ist, zu welchem Schluss die Kohle-Kommission kommen wird."
    RWE-Aktionäre profitieren von kohlefreundlicher Politik
    In Bochum hatten die Grünen den Ausstieg aus den RWE-Aktien als Bedingung an die SPD für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition im Rat gemacht. Bereits vor einem Jahr wurden zwei Drittel der 2,2 Millionen Aktien in zwei Tranchen an der Börse verkauft. Auch das letzte Drittel soll in Kürze noch verkauft werden, beteuert Grünenpolitiker Taschner.
    "Wenn man die Aktien hält, muss man guten Grund haben, die meisten, die sie halten wollen, spekulieren auf steigende Kurse. Wer das tut, muss aber auch wollen, dass die Politik Entscheidungen im Sinne der Kohlelobby trifft. Und damit der Kurs noch weiter nach oben geht. Das ist für uns keine Option, das wollen wir gerade nicht, dass kohlefreundliche Politik gemacht wird."
    Die meisten anderen Kommunen im Ruhrgebiet haben zurzeit keine konkreten Pläne Aktien zu verkaufen. Viele freuen sich darüber, dass sich der Börsenkurs von RWE in diesem Jahr wieder etwas erholt hatte, nachdem der Wert der Aktienpakete zuvor deutlich geschrumpft war.