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Handball-EM
Die Lex Karlsson

In Schwedens ersten EM-Gruppenspiel gegen Slowenien wird der schwedische Kapitän, Tobias Karlsson, auf seine typische regenbogenfarbene Armbinde verzichten. Grund dafür ist eine neue Regel des Europäischen Handballverbandes. Doch die wurde erst einen Tag vor Beginn der EM eingeführt.

Von Victoria Reith | 16.01.2016
    Beim Testspiel Schweden gegen Tschechien Anfang Januar 2016 trug Tobias Karlsson die Regenbogenarmbinde noch.
    Beim Testspiel Schweden gegen Tschechien Anfang Januar 2016 trug Tobias Karlsson die Regenbogenarmbinde noch. (imago/bildbyran)
    Er wollte die Regenbogenbinde tragen, bis ihn jemand aufhält. Das war der Plan von Tobias Karlsson. Der Regenbogen als Zeichen für Toleranz und Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung hatte am Arm des schwedischen Kapitäns viel mediale Aufmerksamkeit erhalten. Doch einen Tag vor Turnierbeginn wurde Karlsson vom Europäischen Handballverband (EHF) gestoppt. In einer eigens für ihn geschaffenen Lex Karlsson, wie es scheint. "Es ist schwierig, das anders zu interpretieren. Vorher gab es nämlich keinerlei Regeln für die Kapitänsbinde. Plötzlich gibt es ein ziemlich strenges Reglement nur einen Tag vor Beginn der EM - das kann man schwierig anders interpretieren", so Karlsson im schwedischen Rundfunk.
    Das neue Reglement besagt, dass die Kapitäne nur noch einfarbige Armbinden oder welche in Nationalfarben tragen dürfen. Der Verband sei zudem nicht in der Position, politische Äußerungen innerhalb der Europameisterschaft zu dulden. Dabei hatte die EHF vor der EM offenbar kein Problem mit dem Regenbogen. Ein Beispiel: Johan Jepson. Der Kapitän von IFK Kristianstad hatte seit letztem Jahr in der Champions League, ebenfalls ein EHF-Wettbewerb, eine Kapitänsbinde in diesen Farben getragen. Und auch in Karlssons EM-Vorbereitung stand sie offensichtlich nicht zur Debatte.
    Homophobie ist in Polen verbreitet
    Auf die Frage des Deutschlandfunks, ob die Regeländerung mit dem EM-Ausrichterland Polen zusammenhänge, ging die EHF nicht ein. Homophobie ist in Polen verbreitet, homosexuelle Paare sind rechtlich nicht gleichgestellt. Karlsson habe nach Aussage seines Verbandes gar nicht die polnische Politik kritisieren wollen - er wollte Mitgefühl und Offenheit vermitteln und zeigte sich enttäuscht: "Ich finde es sehr traurig, dass die EHF mich, uns Spieler, abhält, einen Standpunkt in Sachen Mitmenschlichkeit zu vertreten."
    Die EHF reiht sich damit ein in Entscheidungen des IOC und des Leichtathletik-Weltverbandes, die politische Symbolik bei den Olympischen Spielen und der Leichtathletik-WM in Russland untersagten und unter anderem die schwedische Leichathletin Emma Green für Nagellack in Regenbogenfarben rügten. Gerade der internationale Sport, der so häufig mit Werten wie Toleranz und Respekt für sich wirbt, erlaubt seinen Athleten nicht, diese auch auf die große Bühne zu tragen.
    Der schwedische Handballverband hat gestern eine Stellungnahme an die EHF geschickt. In der Hoffnung, dass die Funktionäre ihre Entscheidung zumindest für das nächste Turnier überdenken.