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Handelsbeziehungen China - USA
"Pragmatisches Vorgehen sollte gegenüber protektionistischem überwiegen"

Im Mittelpunkt der Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatspräsident Xi stehen auch die Handelsstreitigkeiten zwischen den beiden Volkswirtschaften. Außenhandelsexperte Volker Treier sagte im DLF, es liege Interesse beider Länder, pragmatisch zu handeln - und nicht etwa protektionistisch.

Volker Treier im Gespräch mit Peter Kapern | 06.04.2017
    Magazine mit US-Präsident Trump und Chinas Präsident Xi auf dem Cover liegen in Peking aus
    Magazine mit US-Präsident Trump und Chinas Präsident Xi auf dem Cover liegen in Peking aus (AFP/ Nicolas Asfouri)
    Peter Kapern: Nordkorea und Handelsfragen, das sind die beiden großen Themen heute, wenn sich Donald Trump und Xi Jinping treffen. Über das eine haben wir vorhin mit dem Politikwissenschaftler Christian Hacke gesprochen und jetzt soll und Volker Treier, der Außenhandelsexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, erläutern, ob mit dem Treffen Trump/Xi der offene Handelskrieg zwischen Washington und Peking beginnt. Guten Tag, Herr Treier!
    Volker Treier: Guten Tag, Herr Kapern.
    Kapern: Was denken Sie, kommt es zur Eskalation im amerikanisch-chinesischen Handel?
    Treier: Ich hoffe nicht und ich denke es auch nicht. Es liegt in beiderseitigem Interesse, dass jetzt pragmatisches Vorgehen überwiegt und nicht etwa protektionistisches und nationalistisches.
    Kapern: Wie würde denn so ein pragmatisches Handeln aussehen, angesichts der Zahlen, auf die Donald Trump immer wieder hinweist, nämlich das gigantische Handelsbilanzdefizit mit China?
    Treier: Das kann man ja auch von zwei Seiten lesen. Einerseits erhalten die Vereinigten Staaten dadurch insbesondere viele Konsumgüter aus China, für die sie nichts weiter geben als einen Dollar, und der Dollar ist ein Zahlungsversprechen der Amerikaner in der Zukunft. Das heißt, die Chinesen geben den Vereinigten Staaten Kredit, und davon leben ganz viele Menschen in den Vereinigten Staaten ganz gut. Die Erkenntnis, dass ein Handelsbilanzdefizit per se jetzt auch noch gar nichts Schlimmes ist, wenn diese Erkenntnis etwas stärker greift – und das scheint aber auch so zu sein -, dann wäre das ein guter Schritt. Und nicht zuletzt sieht man auch an dem Vorwurf, den Donald Trump gegen China erhoben hat, Währungsmanipulation würde zu diesem Handelsbilanzdefizit beitragen, dass China durch seine Notenbank zuletzt auch die eigene Währung unterstützt hat.
    Kapern: Lassen Sie mich auf den ersten Teil Ihrer Antwort noch mal eingehen: Die Geschichte mit dem Dollar, der nur ein Versprechen ist. Das ist – ich will Ihnen nicht zu nahe treten – aber vielleicht doch eine etwas esoterische Betrachtung, vor allem aus der Perspektive derjenigen, deren Jobs nach Trumps Darstellung ja nach China abgewandert sind.
    Treier: Das wird dann nicht esoterisch, wenn wir auf das deutsche Beispiel rekurrieren. Deutschland hat auch einen Handelsbilanzüberschuss mit den Vereinigten Staaten und das ist gleichzeitig ein Kapitalexport. Wir leihen den Vereinigten Staaten hier auch von unseren Produkten etwas. Aber dieser Kapitalexport, den wir haben, führt aus deutscher Sicht zu Direktinvestitionen und Jobs in den USA. Deutsche Unternehmen haben enorm investiert und beschäftigen rund 800.000 Menschen in den Vereinigten Staaten. Und wenn die Chinesen weniger US-Staatsanleihen halten würden, was sie zurzeit in höchstem Maße weltweit tun, sondern etwas mehr von diesem Kapital auch in den Jobaufbau in die USA geben, dann ist dieses Handelsbilanzdefizit gar nicht so schlimm. Aber an dieser Stelle könnten sich und wollen sich, so wie wir das hören, auch die Chinesen etwas mehr bewegen.
    Kapern: Nun stehen ja ein paar konkrete Vorwürfe im Raum, die von Donald Trump immer wieder angeführt werden. Einen haben Sie gerade genannt: Die chinesische Währung würde manipuliert, künstlich niedrig gehalten. Was ist dran?
    Treier: Das war schon eine Vorgehensweise, die aus China heraus schon lange zu beobachten war, dass sie mit einer relativ günstigen Währung ihre Produkte weltweit angepriesen haben.
    Chinesische Notenbank hat Yuan im Blick
    Kapern: Dann stimmt der Vorwurf?
    Treier: Diesen Kurs hat China schon dann wiederum seit etlichen Jahren verlassen. Der Yuan hat aufgewertet. Er hat dann wieder einen Rückschlag bekommen, aber das war aus einem anderen Grund. Das war und ist heute noch so, dass in China sich angesichts von dem Immobilien-Boom so manche Preisblasen entwickelt haben und Investoren in China dann Angst bekommen haben und versuchen, Kapital aus China zu verlagern, und das bringt wieder den Druck auf den Yuan. Aber da versucht die Notenbank gerade gegenzusteuern und sie hat auch Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, was uns an anderer Stelle auch wiederum nicht passt. Das heißt, der Vorwurf von Donald Trump zielt auf die Beobachtung ab, womit China aber aus ganz anderen Gründen selbst ein Problem hat. China tut im Moment schon sehr vieles, um eine weitere Abwertung des Yuan zu verhindern, und deswegen geht dieser Vorwurf ins Leere.
    Kapern: Noch ein Vorwurf, der immer wieder genannt wird: China exportiert zu Dumping-Preisen.
    Treier: Das ist ein Vorwurf, den nehmen wir alle sehr ernst. Das gilt insbesondere, wenn wir den Blick auf die Stahlproduktion und die Stahlexporte aus China sehen. Da gibt es dann über die Welthandelsorganisation eingeleitete Verfahren und auch die USA haben sehr, sehr hohe Strafzölle auf Stahlimporte aus China erhoben, viel größere als Europa das beispielsweise macht.
    Kapern: Europa hat hier gerade heute noch mal nachgelegt. Das haben wir gerade in den Nachrichten gehört.
    Treier: Europa hat nachgelegt. China ist sich des Problems bewusst. Sie haben Überkapazitäten in diesem Bereich aufgebaut und müssen sich jetzt nach geordneten Verfahren der WTO dann auch diesen Strafzöllen unterwerfen. Das ist dann gut so und insofern zielt dann der andere Vorwurf des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, nämlich dass die Welthandelsorganisation ja ein Desaster sei, auch ins Leere, weil die USA wenden gerade WTO-mögliche Strafmaßnahmen gegen China an der Stelle an. Unser Welthandelssystem funktioniert an dieser Stelle. Eine weitere Eskalierung des Handelsstreits würde gerade uns in der deutschen Wirtschaft vielleicht zerreiben, oder uns vielleicht dazu zwingen, uns für die eine oder die andere Seite entscheiden zu müssen, was wir, glaube ich, nicht wollen.
    Kapern: Aber noch mal einen halben Schritt zurück, Herr Treier. Wenn Trumps Vorwurf, dass China mit Dumping-Preisen auf dem Weltmarkt agiert, zutreffend ist, trifft er dann auch auf Europa, auf Deutschland zu? Denn Trump erhebt genau diesen Vorwurf ja auch gegen Deutschland und die EU.
    Treier: An dieser Stelle ist der Vorwurf abwegig. Wir müssen auch fragen, Vorwurf gegen was. Gegen die Stahlproduktion aus China – da kann man sagen, da gibt es Anlässe zu sagen, dass das Dumping wäre, und deshalb gibt es erlaubte Strafmaßnahmen.
    Kapern: Aber Trump hat ja deutsche Stahlexporte auch angeführt.
    Treier: Genau. Vorwürfe gegenüber Deutschland, dass aufgrund einer manipulierten Währung – dieser Vorwurf wurde ja auch erhoben – wir einen Handelsbilanzüberschuss mit den Vereinigten Staaten hätten, das geht ins Leere, weil nicht die deutsche Politik oder sogar die deutsche Wirtschaft verantwortlich ist für die europäische Geldpolitik, derer wir unterliegen, und die ist im Moment aus anderen Gründen und nicht aus Währungsmanipulationsgründen eine relativ expansive, sondern weil wir die Eurozonenkrise noch nicht vollständig überwunden haben. Bei der Stahlproduktion aus Deutschland raus, da ist derjenige, der die Märkte flutet, einfach China und das ist nicht Europa. Da sind wir genauso Betroffene wie die Vereinigten Staaten.
    Kapern: … sagt Volker Treier, der Außenhandelsexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Treier, danke, dass Sie Zeit für uns hatten.
    Treier: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.