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Handelskonflikt
"Europa hat sehr viel bessere Karten als China"

Auch Europa muss sich laut Wirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr bereit machen für einen handelspolitischen Konflikt mit den USA. "All das, was wir jetzt zwischen China und den USA sehen, sollte uns wirklich auch in Europa Sorgen machen", sagte Felbermayr im Dlf. Gleichwohl befinde sich Europa in besserer Position.

Gabriel Felbermayr im Gespräch mit Silvia Engels | 10.05.2019
Ein Containerschiff in Nansha Port, Guangzhou, China
Containerschiff im Hafen von Nansha, Guangzhou: Die US-Strafzölle auf chinesische Produkte steigen, von 10 auf 25 Prozent (picture alliance / Xinhua News Agency)
Silvia Engels: Lange stand die Drohung im Raum; nun hat US-Präsident Trump ernst gemacht. Die US-Strafzölle auf chinesische Produkte steigen, von 10 auf 25 Prozent. Sie erreichen damit ein Volumen von rund 200 Milliarden US-Dollar. China hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt und gleichzeitig setzte die US-Seite die Gespräche mit der chinesischen Führung fort.
Am Telefon ist Professor Gabriel Felbermayr. Er ist Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Das ist die Einrichtung unter den führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten, die sich besonders mit dem Welthandel auseinandersetzt. Guten Morgen, Herr Professor Felbermayr.
Gabriel Felbermayr: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Welche Folgen müssen wir denn jetzt durch diese neue Eskalationsstufe für den internationalen Handel erwarten?
Felbermayr: Die Frage ist, ob wir wirklich eine neue Eskalationsstufe sehen, denn es wird ja nach wie vor verhandelt. Trump hat vor zwei Stunden diese Zollerhöhung angekündigt. Er kann sie aber auch sofort wieder zurücknehmen, wenn die Chinesen sich bewegen. Ob das wirklich eine Eskalation ist, die dann auch Konsequenzen hätte für das Volumen des Handels zwischen USA und China und für die Weltwirtschaft, das ist noch abzuwarten.
Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (dpa/Carsten Rehder)
Engels: Das heißt, Sie werten das im Moment als handelspolitisches Pokerspiel?
Felbermayr: Das ist eine taktische Strategie. Das ist eine taktische Bewegung, die Trump hier anwendet. Er hat seine Glaubwürdigkeit unter Beweis gestellt. Wenn er droht, dann setzt er das auch um. Da haben ja manche daran gezweifelt. Auch ich habe mir gedacht, das ist ein Bluff. Er hat den chinesischen Verhandlern, die ja heute in Washington sind, gezeigt, wie er bereit ist zu eskalieren. Aber die Bereitschaft zu eskalieren heißt noch nicht, dass er es dann auch tatsächlich tut, wenn die Chinesen sich bewegen. Die Gespräche liefen ja bis vor fünf, sechs Tagen noch ganz gut. Da gab es auch von Donald Trump eher positive Nachrichten.
Er hat dann am Sonntag den Schocker losgelassen und gesagt, wenn da nicht die Chinesen sich noch weiter bewegen, werde ich die Schraube enger ziehen. Ich meine, dass da noch nichts verloren ist und dass wir sehr gespannt auf die nächsten Stunden warten müssen. Die Chinesen haben zwar gesagt, sie werden sich wehren gegen diese Zölle, aber sie sind noch nicht konkret geworden. Auch das ist ein Zeichen, dass da durchaus noch Spielraum ist. Und ein weiteres Zeichen ist: Die Zölle, die Trump jetzt erhöht hat, die betreffen nicht Waren, die China gerade verlassen haben. Was jetzt in China exportiert wird, was die chinesischen Häfen verlässt, das braucht ja drei Wochen ungefähr, bis es in die USA kommt. Das heißt, wir haben jetzt noch ein Fenster von 20 Tagen vielleicht, wo man diese Zölle noch abwenden kann, weil sie da gar nicht angewandt werden würden.
Marktöffnung für amerikanische Produkte
Engels: Dann schauen wir auf die letzten Wochen zurück. Da gab es ja auch immer Zeichen, als ob sich die USA und China annähern würden in diesem Handelskonflikt und eine Vereinbarung in Aussicht stünde. Das scheint, wenn man Ihrer Einschätzung folgt, nach wie vor nicht vom Tisch. Ist denn unter Experten bekannt, wie eine solche Einigung aussehen könnte?
Felbermayr: Ja, die Konturen kennen wir. Es geht im Wesentlichen um zwei Dinge. Es geht zum einen darum, dass die Chinesen Maßnahmen ergreifen, die das bilaterale Defizit der Amerikaner mit China reduzieren sollen, das heißt Maßnahmen, die die Importe aus den USA erhöhen, Rücknahme zum Beispiel der Restriktionen, die die Chinesen eingeführt haben in den letzten Monaten im Bereich Sojabohnen zum Beispiel, weitere Marktöffnung für amerikanische Produkte, Energieprodukte, Lebensmittel, landwirtschaftliche Waren, Maschinen auch. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist aber auch, dass die Amerikaner sehr stark darauf drängen, dass die Chinesen Änderungen an ihrem Wirtschaftsmodell durchführen. Das ist sehr viel schwieriger. Auch da hat man in den letzten Monaten durchaus Fortschritte erzielt. Da geht es um die Frage, wie darf man in China investieren, gibt es diesen Joint Venture Zwang noch, in welcher Form gibt es ihn, wie wird ausländisches intellektuelles Eigentum behandelt in China, wie werden Subventionen in China administriert. Das geht alles sehr tief in das chinesische Wirtschaftsmodell hinein. Aber da gab es auch schon von China Bewegung. Angeblich hat China letzte Woche Teile der Zugeständnisse, die sie schon gemacht haben, wieder in Frage gestellt oder zurückgenommen. Das hätte dann die Reaktion des US-Präsidenten hervorgerufen. - Es ist für die Chinesen ja überhaupt nicht leicht, auch nach innen wirklich tiefgreifende Veränderungen ihres Wirtschaftsmodells durchzusetzen, nur weil der amerikanische Präsident das so wünscht.
"Trump pokert, er ist ein Spieler"
Engels: Auch zwischen Europa und den USA drohen ja weiter Eskalationen der bestehenden Handelskonflikte dort. Können die Europäer etwas aus diesem Miteinander und Gegeneinander, was gerade zwischen den USA und China herrscht, lernen?
Felbermayr: Ja, ich denke schon. Wir sehen einfach jetzt wieder, in welcher Art und Weise Trump bereit ist zu eskalieren. Er pokert in der Tat. Er ist ein Spieler. Rational ist nicht alles, was er tut, und man kann ihn kaum vorberechnen. Diese fehlende Berechenbarkeit macht es schwierig, Strategien zu entwickeln, Trump wirklich zu entgegnen. Ich denke, wir müssen uns in Europa in der Tat bereit machen für einen handelspolitischen Konflikt mit Trump, der sehr, sehr schwer sein wird zu gestalten und wo wir immer damit rechnen müssen, dass Dinge, die man vielleicht schon ausverhandelt geglaubt hat, dass die wieder in Frage gestellt werden, Last Minute Änderungen der Taktik. All das macht es schwer und ich denke, was wir jetzt zwischen China und den USA sehen, sollte uns wirklich auch in Europa Sorgen machen.
Engels: Klingt aber auch ein bisschen danach, dass Ihre Empfehlung an die EU wäre, wenn jetzt dort die Konflikte eskalieren, auch gegenzuhalten und sich auch von Drohungen bis zum Schluss durch die USA nicht abschrecken zu lassen.
Felbermayr: Absolut! Wir haben in Europa auch sehr viel bessere Karten, als die Chinesen das haben. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen: Die Amerikaner hatten ein Handelsdefizit mit China letztes Jahr von 419 Milliarden Dollar. Der Präsident spricht immer von 500, da übertreibt er ein bisschen. Aber 419 ist schon eine riesige Zahl. Mit Europa haben die Amerikaner einen eher ausgeglichenen Handel. Zwar gibt es im Güterbereich ein Defizit, aber die Amerikaner verdienen bei uns sehr viel Geld mit Dienstleistungen. Und das heißt, wir haben in Europa auch sehr viel mehr in der Hand, um einer weiteren handelspolitischen Aggression der Amerikaner etwas entgegenzusetzen – mehr als die Chinesen. Ich denke, dieser Stärke muss man sich in Europa auch bewusst sein.
Es ist wichtig gewesen letztes Jahr, dass wir auf die Stahl- und Aluminiumzölle des Herrn Trump mit Gegenmaßnahmen reagiert haben, auf die Erdnussbutter und die Jeans und die Harley-Davidsons. Und andere Produkte. Das war wichtig, hat Trump vielleicht auch überrascht, dass Europa da durchaus in der Lage ist gegenzuhalten, und wir müssen diese Glaubwürdigkeit weiter aufrechterhalten. Wenn Trump eskaliert, dann wird er eine Gegenreaktion aus Europa erwarten. Die paradoxe Situation ist ja ein bisschen, dass man auf Zölle, die die Amerikaner WTO-rechtswidrig setzen, mit Gegenzöllen reagiert, Feuer mit Feuer bekämpft, wenn man so will, aber das ist die Logik des Handelskonflikts und da muss Europa jetzt schauen, dass die innere Einigkeit weiter gewahrt bleibt, so dass man glaubwürdig agieren kann.
Beschaffungsstrategie sehr schnell geändert
Engels: Nun geht es in diesen Konflikten ja nicht nur um staatliche Akteure, sondern es geht auch um Firmen, um Unternehmen. Seit Jahren erleben wir ja immer wieder diese neuen Drohungen zwischen Washington und Peking, zwischen Washington und Brüssel, manchmal gefolgt von neuen Zöllen, manchmal nicht. Das bedeutet Unsicherheit und Wirtschaftsakteure mögen das nicht. Beobachten Sie, dass jetzt Firmen und Unternehmen aufgrund dieser Unsicherheit grundsätzliche Umgehungsstrategien entwickeln?
Felbermayr: Wir haben das sehr, sehr deutlich gesehen letztes Jahr bei den Sojabohnen, dass die Chinesen einfach sehr schnell ihre Beschaffungsstrategie verändert haben. Chinesische Unternehmen haben dann nicht mehr aus den USA, sondern aus Brasilien und Argentinien ihre Sojabohnen besorgt. Und weil das dazu geführt hat, dass die amerikanischen Farmer auf großen Sojabohnen-Bergen sitzen geblieben sind, hat Europa günstig Sojabohnen einkaufen können aus den USA. Wir sehen das bei den Sojabohnen, aber ganz allgemein. Natürlich reagiert die Wirtschaft auf diese Zölle und auf die Androhung dieser Zölle. Das ist etwas, das Herrn Trump aber in die Hände spielt. Denn wie kann zum Beispiel ein deutscher Automobilkonzern sich gegen die Möglichkeit amerikanischer Zölle versichern? – Die beste Strategie ist, in den USA zu produzieren. Dann ist man mit Sicherheit von diesen Zöllen nicht betroffen, und das sehen wir auch ein Stück weit.
Ich glaube, dass die schlechten Produktionsstatistiken der deutschen Automobilindustrie auch damit zu tun haben, dass der amerikanische Markt peu a peu stärker durch Produktion in den USA bedient wird als durch Exporte aus Deutschland in die USA. In vielen anderen Produktsorten sollten wir schön langsam ähnliche Reaktionen sehen. Es dauert natürlich ein bisschen, bis die Produktions- und Wertschöpfungsnetzwerke umgestellt sind, und deswegen sehen wir das noch nicht so richtig in den Daten. Aber die letzten Handelszahlen zum Beispiel der USA, die zeigen schon, dass die Importe, die die USA bisher aus China bezogen haben, stärker nun aus anderen Quellen gezogen werden, vor allem aus Quellen in den USA.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.