Dienstag, 19. März 2024

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Handelskonflikte
"Nicht überzeugt, dass China der attraktivere Handelspartner ist"

Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer trifft sich in Paris mit Vertretern der EU und Japans zu Handelsgesprächen. Es gebe ein gemeinsames Interesse, China stärker unter Druck zu setzen, sagte der US-Ökonom Brad Setser im Dlf. Zugleich kritisierte er den deutschen Handelsüberschuss.

Brad Setser im Gespräch mit Silke Hahne | 23.05.2019
Ein Containerschiff nimmt Ladung auf im Containerhafen in Hamburg
Containerschiff im Hamburger Hafen: Nach Ansicht des Experten könnte Deutschland stärker auf seine eigene Nachfrage setzen als auf Exporte (imago/Winfried Rothermel)
Silke Hahne: Versucht Lighthizer jetzt, Japan und die EU auf die Seite der USA zu ziehen?
Brad Setser: Ich fände es gut, wenn er noch mehr tun würde, um Europa und Japan auf die Seite der USA zu ziehen. Unsere Länder machen sich im Bezug auf China ähnliche Sorgen. Deutschland ist zwar auf gewisse Weise stärker von Chinas Strategie für 2025 betroffen, weil es mehr produziert als die USA. Es gibt aber durchaus ein gemeinsames Interesse daran, effektiver zusammenzuarbeiten, um China stärker unter Druck zu setzen. Auch wenn Europa natürlich niemals die gleichen Maßnahmen wie Trump und Lighthizer ergreifen würde.
Brad W. Setser im Gespräch mit Dlf-Redakteurin Silke Hahne im Dlf-Funkhaus Köln
Brad W. Setser im Gespräch mit Dlf-Redakteurin Silke Hahne im Dlf-Funkhaus Köln (Deutschlandradio/Ute Meyer)
Das Interview in voller Länge und im englischen Orginalton.
Hahne: Wirtschaftlich hat China etwa mehr zu bieten als die USA: Einen größeren Markt und höhere Wachstumsraten. Warum also sollte Europa sich mit den USA zusammentun und nicht mit China?
Setser: Das ist eine berechtigte Frage. China kann tatsächlich mit höheren Wachstumsraten aufwarten, da gebe ich Ihnen Recht. Ich glaube aber nicht, dass der chinesische Markt wirklich größer ist. Aktuell sind die USA noch immer die größere Volkswirtschaft und der mit Abstand größte Verbrauchermarkt der Welt. Dazu kommt, dass der US-Markt relativ offen ist. Trump versucht das zwar hier und dort zu ändern, aber die USA sind seit jeher der wichtigste Abnehmer für deutsche und europäische Exporte. Chinas Markt wächst schnell, ist aber nur schwer zugänglich.
Peking hat eine ganze Reihe von Gesetzen erlassen, die letztlich nichts anderes bewirken sollen, als die Importe anderer Länder von seinen Märkten zu vertreiben. Daher bin ich überhaupt nicht überzeugt davon, dass China auf lange Sicht der attraktivere Handelspartner ist. Ich glaube eher, dass viele Länder mit beiden handeln wollen: den USA und China. Sie wollen sich gar nicht entscheiden müssen.
Kein "Grund zur Sorge um Deutschlands Autoexporte"
Hahne: Brechen wir das ganze mal herunter: Für die USA ist Europa ein nützlicher Partner gegen China. Gleichzeitig bedrohen die USA Europa mit Zöllen, vor allem auf Autos – also Zölle gegen Deutschland. Aus Handelspolitischer Sicht: Was gibt es an deutschen Autos auszusetzen?
Setser: Sagen wir so: Aus der Perspektive von Präsident Trump gibt es vor allem eine Sache, die an deutschen Autos schlecht ist: Sie sind deutsch. Für seinen Geschmack gibt es auf New Yorks Straßen zu viele Mercedes und nicht genug Cadillacs. Für ihn gibt es auf Deutschlands Autobahnen zu wenig Chevrolets. Er sieht das und denkt: Die Handelsbilanz ist unausgeglichen. Das ist natürlich nicht die gängige Art, den Außenhandel zu bewerten.
Niemand erwartet, dass der Handel bei allen Waren ausgeglichen ist, oder dass die Handelsbilanzen zwischen allen Ländern ausgeglichen sind. Normalerweise guckt man darauf, ob die eigene Handelsbilanz insgesamt positiv oder negativ ausfällt, und nicht auf das Handelsdefizit in Bezug auf einzelne Güter oder Länder. Was daran so heikel ist, haben Sie bereits gut auf den Punkt gebracht: Indem die USA der EU drohen, machen sie es sich selbst schwerer, die EU als Partner zu gewinnen und gemeinsam effektive Maßnahmen gegen andere Handelspartner zu ergreifen.
Hahne: Und das kritisieren Sie?
Setser: Genau. Das wäre auch meine Kritik. Man kann darüber streiten, ob es Präsident Trump vielleicht zu schnell auf einen Handelskrieg mit China angelegt hat, aber ich finde, dass die Vorbehalte gegen Chinas Handelspolitik grundlegend berechtigt sind. Ich finde dagegen nicht, dass es Grund zur Sorge um Deutschlands Autoexporte gibt. Ich habe jedoch oft beschrieben, dass die unausgeglichene Handelsbilanz zwischen den USA und Deutschland und Deutschlands Handelsbilanzüberschuss insgesamt symptomatisch dafür sind, dass unsere Länder unterschiedliche wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen: Deutschland verfolgt eine relativ rigide Haushaltspolitik, die USA eine relativ lockere. Genau diese makroökonomischen Strategien haben am Ende maßgeblichen Einfluss auf den internationalen Handel.
"Handelsüberschuss macht Deutschland anfällig für Handelskrisen"
Hahne: Und muss sich an diesem Handelsüberschuss etwas ändern?
Setser: "Muss" ist ein starkes Wort. Ich glaube, er sollte sich ändern. Meiner Meinung nach ist Deutschlands Handelsüberschuss eine Spur zu groß für die Weltwirtschaft. Er zwingt andere Länder, mehr zu tun, um Nachfrage zu generieren, denn es fließt weitaus mehr Nachfrage nach Deutschland, als aus Deutschland in diese Länder zurückfließt. Das setzt sie unter Druck, die Nachfrage über ihre Haushalts- und Finanzpolitik und andere Maßnahmen zu generieren. Und auch Deutschland sollte sich fragen, ob es wirklich einen so großen Teil seiner Ersparnisse in die Welt hinausschicken will, statt sein Kapital zuhause zu investieren. Der Handelsüberschuss macht Deutschland anfällig für Handelskrisen, und ich finde, das müsste nicht sein. Deutschland könnte sich für sein Wachstum wesentlich stärker auf seine eigenen Ressourcen und seine eigene Nachfrage stützen.
Hahne: Das würde aber heißen, dass Deutschland mehr ausgeben müsste – was deutsche Haushaltspolitiker gar nicht mögen.
Setser: Das ist für US-Amerikaner am allerschwersten zu verstehen.
Hahne: Das liegt wohl daran, dass man nachfolgenden Generationen nicht zu viele Schulden hinterlassen will…
Setser: Das ist an sich ein guter Punkt. Aber wir hinterlassen unseren nachfolgenden Generationen ja nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch die öffentliche Infrastruktur. Wenn du deine Schulden nun dadurch niedrig hältst, dass du notwendige infrastrukturelle Investitionen aufschiebst, verbesserst du damit nicht die Ausgangslage für kommende Generationen. Jetzt wird es ein wenig technisch: Es gibt außerdem auch eine ganze Reihe finanzieller Probleme im Zusammenhang mit der Knappheit deutscher Staatsanleihen. Bundesanleihen sind die sicherste Form der Kapitalanlage in Europa, und sie sind wahnsinnig knapp. Darum kann sich Deutschland zu negativen Zinssätzen Geld leihen. Wenn man dieses Privileg aber nicht nutzt, um wichtige öffentliche Investitionen zu tätigen, dann tut man nachfolgenden Generationen damit keinen Gefallen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.