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Handelsstreit
Wirtschaftsexperte: US-Strafzölle nur eine unangenehme Störung

Die wirtschaftliche Auswirkung der US-Strafzölle sei für Europa relativ gering, sagte der Wirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr im Dlf. Möglicherweise versuche Washington aber, die EU zu spalten. Sollten die Europäer demnächst US-Produkte mit Strafzöllen belegen, wäre der Schaden für die USA jedoch größer.

Gabriel Felbermayr im Gespräch mit Christiane Kaess | 04.10.2019
Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Beim Thema Subventionen gebe es in der Welthandelsordnung sehr Unklarheit - hier seien dringend neue Regeln nötig, so Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (dpa/Carsten Rehder)
Christiane Kaess: Am Telefon ist jetzt Gabriel Felbermayr, er ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Guten Tag, Herr Felbermayr!
Gabriel Felbermayr: Guten Tag, Frau Kaess!
Kaess: Die Strafzölle auf europäische Waren wie Wein, Käse oder Oliven, können die tatsächlich so gravierende Auswirkungen haben?
Felbermayr: Nein, da sollte man jetzt nicht so tun, als wäre das ein Riesenpaket, das hier ins Treffen geführt wird. Wir reden von einem Volumen von 7,5 Milliarden Euro.
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Kaess: Hört sich viel an.
Felbermayr: Das hört sich sehr viel an, aber das ist das Importvolumen, das betroffen ist. Die Zölle darauf, die betragen dann 10 Prozent, wenn wir über Flugzeuge reden, und Oliven, Wein und so weiter, da reden wir über 25 Prozent. Das ist für einzelne Produzenten natürlich ein großer Schaden – auch in Deutschland gibt es hier Sektoren und Unternehmen, die stark betroffen sind –, aber gesamtwirtschaftlich bleibt das relativ wenig. Und was uns schon überrascht, ist, dass die Amerikaner nicht alles ausschöpfen, was sie ausschöpfen dürften. Sie bleiben mit den Zollhöhen bei 10 und 25 Prozent deutlich hinter dem zurück, was sie eigentlich dürften nach WTO-Recht. Da könnten sie bis zu 100-prozentige Zölle erheben, das wäre sehr viel gravierender. So ist das eine unangenehme Störung, aber es bleibt relativ im Rahmen und hinter den ersten Befürchtungen doch deutlich zurück.
"US-Luftfahrtunternehmen haben Bestellungen bei Airbus"
Kaess: Und warum glauben, handelt man in Washington so und schöpft den Rahmen nicht völlig aus?
Felbermayr: Bei Flugzeugen scheint die Sache relativ klar zu sein, da wird es auf Flugzeuge, die schwerer sind als 30 Tonnen, einen Zoll von 10 Prozent geben und nicht mehr. Da haben viele amerikanische Luftfahrtunternehmen ja Bestellungen bei Airbus, das ist rechtsgültig, die Bestellungen werden auch bezahlt werden müssen, und da machen die schon einen großen Unterschied, ob 10 Prozent auf diese neuen Airbus-Flugzeuge fällig werden oder 25 oder 50 oder mehr – da dürften sich die Delta und United Airlines in Washington durchgesetzt haben. Dass bei den anderen Produkten nicht mehr kommt, ist vielleicht auch nicht ganz so überraschend.
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Was hier überraschend ist, ist, dass man zum Beispiel Flugzeugteile gar nicht verzollt – davon sind wir eigentlich ausgegangen, das kommt nicht . Dafür hat man eine ganze Palette von Gütern jetzt in die Liste aufgenommen, mit denen man versucht, Druck aufzubauen in ganz unterschiedlichen Mitgliedsstaaten, auch vielleicht hier der Versuch, Europa ein Stück zu teilen, denn französischer oder deutscher Wein soll betroffen sein, aber der ungarische Tokajer zum Beispiel nicht. Das sind alles interessante Wendungen, und vieles davon ist ziemlich überraschend.
"Wir alle hoffen, dass Vernunft einkehrt"
Kaess: Und es ist relativ absehbar, dass es zu Gegenzöllen von europäischer Seite kommen wird, wenn die entsprechende WTO-Entscheidung erst einmal gefallen ist. Mit welchen Maßnahmen rechnen Sie?
Felbermayr: Na ja, jetzt sieht es so aus, als ob die Volumina, um die es da geht, aus europäischer Perspektive noch mal etwas größer sein könnten als die 7,5 Milliarden der Amerikaner, also das kann durchaus zweistellig sein – einfach auch deswegen, weil Boeing mehr Flugzeuge nach Europa verkauft als Airbus in die Vereinigten Staaten. Und auch hier ist damit zu rechnen, dass nicht nur Boing-Flugzeuge betroffen werden würden durch die europäischen Zölle, sondern eben auch wieder ein ganzes Sammelsurium von unterschiedlichen Produkten. Man möchte dort Druck aufbauen, wo das politisch am wirksamsten ist. Da sind immer Agrarprodukte sehr zweckmäßig, das Ketchup ist da ja schon im Gespräch.
Die ein oder anderen erinnern sich vielleicht auch an die europäische Reaktion auf die amerikanischen Zöllen auf Stahl und Aluminium, auch da wurde ja ein ganz breites Spektrum dann adressiert – von der Erdnussbutter bis hin zu den Jeans und den Harley-Davidson. Ganz ähnlich wird das wohl auch werden, obwohl wir alle hoffen, dass Vernunft einkehrt, denn wenn sowohl die Amerikaner Zölle auf europäische Produkte erheben, das WTO-rechtskonform machen, und die Europäer ebenso WTO-rechtskonform Zölle auf die amerikanischen Unternehmen erheben, dann hat ja keine Seite einen relativen Vorteil. Deswegen wäre es wirklich dringend notwendig, dass man diese Probleme auf dem Verhandlungsweg aus der Welt schafft.
"Der Schaden in den USA wäre größer"
Kaess: Ob eine Seite einen Vorteil hätte, Herr Felbermayr, das ist die Frage, denn wenn ich Sie gerade richtig verstanden habe, dann wären die Auswirkungen, die negativen, auf der amerikanischen Seite ja viel stärker, wenn die Europäer Strafzölle erheben würden.
Felbermayr: Das ist richtig, die Schäden wären in den USA höher, aber gleichwohl wären sie auch in Deutschland da. Da reden wir nur über die Größe, aber nicht über das Vorzeichen. Sowohl in den europäischen Mitgliedsstaaten als auch in den USA werden Arbeitsplätze gefährdet, würde Wohlfahrt verloren gehen. Sie haben recht, weil die Amerikaner mehr nach Europa liefern beim Bereich Flugzeuge als umgekehrt, wäre der Schaden in den USA größer. Interessant ist auch, wer den größten Nutzen hätte, wenn dieser Konflikt eskalieren sollte, und das ist ganz klar China, vielleicht auch Russland.
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Beide Länder wollen ja auch Fuß fassen im Bereich der Großflugzeuge, und wenn die beiden bisherigen Produzenten am Weltmarkt, Boeing und Airbus, sich das Leben gegenseitig schwer machen, dann macht man hier neue Chancen auf für Asien als Produktionsstandort. Das kann nicht im Interesse der Amerikaner, die ja versuchen, China einzudämmen, auch nicht im Interesse Europas. Insofern haben wir da durchaus auch zwischen Washington und Brüssel Interessen, die in dieselbe Richtung deuten.
"Es geht auch um Drittmärkte"
Kaess: Und die vielleicht die beiden noch mal zusammenbringen könnten. Aber um das kurz zu klären: Auch China und Russland müssten sich ja an WTO-Standards halten, also auch für sie wären Subventionen verboten, und Sie gehen davon aus, dass man dann darauf verzichten würde?
Felbermayr: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben ja zwischen Washington und Peking einen ganz ausgewachsenen Handelsstreit, der schon zu Zöllen führt, wo es ja auch ganz konkret um Subventionen geht. Es geht aber natürlich auch immer um Drittmärkte – es geht um den Verkauf von Flugzeugen vielleicht nach Japan oder in afrikanische Staaten. Dort wären dann ja auch Airbus und Boeing gehandikapt, wenn sie sich gegenseitig schwächen durch Zölle, und man würde den Chinesen und anderen das Leben leichter machen. Aber es ist vollkommen richtig, dass auch die chinesische Flugzeugindustrie stark von Subventionen lebt.
Das ist eines der Kernprobleme überhaupt in der heutigen Welthandelsordnung, dass wir gegen Subventionen keine guten Mittel haben, und dass die Mittel, die existieren, wie jetzt eben die sogenannten "Countervailing Tariffs", diese kompensierenden Zölle, die die Amerikaner einsetzen, dass die sehr unscharf sind, sehr umstritten sind, viele Jahre dauern, bis man da zu Ergebnissen kommt, sodass es auch für China heißen kann, ein paar Jahre lang könnten die profitieren, wenn Airbus und Boeing streiten, bis dann auch für Chinesen die WTO-Regeln greifen.
"Die WTO-Regeln bei Subventionen sind nicht eindeutig"
Kaess: Und dann beginnt das Ganze wieder von vorne. Jetzt könnte man natürlich fragen, Herr Felbermayr, wenn der EU klar ist und den USA klar ist, dass diese Subventionen ohnehin rechtswidrig waren, warum hat man nicht drauf verzichtet.
Felbermayr: Na ja, so klar ist das eben nicht. Wie schon gesagt, die WTO-Regeln bei Subventionen sind nicht so eindeutig, darum werden auch häufig diese Regeln gar nicht angewandt, sondern man ergreift andere Instrumente, die sogenannten Antidumpingzölle. Dort sind die Verfahren einfacher und die Datenlage auch besser zu überblicken. Die WTO hat ja jetzt auch fast 15 Jahre gebraucht, um die europäischen Subventionen als rechtswidrig einzustufen, und umgekehrt ist es auch so für die europäische Klage über die US-Subventionen. Das heißt, das dauert einfach wahnsinnig lange, und die Rechtslage ist so eindeutig nicht.
Ich denke, dass die allermeisten in Europa weiterhin darauf bestehen, dass die Hilfen, die wir Airbus geleistet haben, durchaus rechtskonform sind, und die Amerikaner werden dasselbe tun. Sie subventionieren ja sehr indirekt Boeing über Militäraufträge, da ist die Rechtslage noch mal ein Stück undeutlicher. Und das ist das Kernthema, glaube ich, in der Welthandelsordnung, so wie wir sie heute haben, dass sie gerade bei Subventionen eben sehr viel Unklarheit lassen. Wir bräuchten da dringend neue Texte, neue Regeln, die eindeutiger sind und auch besser und schneller dann vor den Schiedsgerichten entschieden werden können.
Kaess: Trump verkauft das ja jetzt als seinen Erfolg. Er sagt ja sinngemäß, seitdem er Präsident ist, würde die WTO viel mehr im Sinne der USA handeln. Also Sie würden sagen, das stimmt nicht, das hat jetzt mit seinem Druck überhaupt nichts zu tun, dass das Urteil jetzt kommt?
Felbermayr: Genau, das sehe ich ganz anders. Es ist ja auch gar nicht so, dass die WTO systematisch gegen amerikanische Interessen entschieden hätte, das stimmt überhaupt nicht. Die Amerikaner haben genauso oft Recht behalten vor der WTO wie die EU, Japan oder andere Länder, die wurden da überhaupt nicht systematisch benachteiligt, und ich glaube, es ist ganz egal, wer jetzt US-Präsident wäre, ob das ein Trump ist oder ein Obama, die WTO hätte so entschieden, wie sie entscheidet. Deswegen, das ist eine Aussage des Präsidenten, die ... [unverständlich] - vor allem die historischen Bedingungen - wenig sinnvoll ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.