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Handgranaten-Angriff auf Flüchtlingsheim
Polizei richtet Sonderkommission ein

Nach dem Anschlagsversuch auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen hat die Polizei eine Sonderkommission mit 75 Beamten eingerichtet. Es werde in alle Richtungen ermittelt, erklärte die Polizei. Eindeutige Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund gebe es bisher nicht.

29.01.2016
    Kriminalbeamte der Spurensicherung untersuchen den Tatort.
    Kriminalbeamte der Spurensicherung untersuchen den Tatort. (dpa/picture alliance/Patrick Seeger)
    Der Chef der Sonderkommission, Rolf Straub, äußerte sich zurückhaltend zum Stand der Ermittlungen. Befragungen in der Nachbarschaft hätten zwar einige Hinweise gebracht, die seien jedoch zu unkonkret, "um auf bestimmte Personen zuzugehen". Staatsanwalt Johannes-Georg Roth sagte, es sei noch unklar, ob die Handgranate einen Zünder hatte. Das sei jedoch entscheidend dafür, ob es sich bei der Tat um ein schwerstes Verbrechen oder um eine vorgetäuschte Straftat mit Bedrohung und Nötigung handele. Augenzeugen für den Handgranaten-Wurf selbst gibt es nach ersten Erkenntnissen der Ermittler nicht.
    Politiker aller Parteien zeigen sich erschrocken über den Angriff. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem "feigen" Angriff. Die Attacke sei "inakzeptabel", sagte de Maizière dem Sender N24. Er setze nun auf schnelle Ermittlung und eine Anklage gegen die Urheber des "infamen" Angriffs. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, man müsse Hetze und Gewalt entschieden entgegen treten. Er ließ auf Twitter verlauten, man dürfe nicht abwarten, bis es die ersten Toten gebe.
    Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich bestürzt: "Das ist wirklich unfassbar, dass jetzt schon mit Handgranaten - quasi mit militärischen Waffen - auf Asylsuchende losgegangen wird", sagte er. "Wir müssen einfach alles dafür tun, dass wir Extremismus, der die rote Linie überschreitet und zu Gewalt übergeht, dass wir den gesellschaftlich radikal ächten."
    CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Guido Wolf, nannte die Attacke einen "Anschlag gegen die Menschlichkeit." Die Tat müsse mit der ganzen Härte des Rechtsstaates verfolgt und bestraft werden. "Das ist Terrorismus", twitterte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter sprach von einer "neuen, erschreckenden Kategorie des Hasses, die ein schrillendes Alarmsignal sein muss." Der Kampf gegen rechten Terror müsse von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Chefsache gemacht werden.
    Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte steigt
    Gegen 1.15 Uhr war der Sprengkörper laut Polizeiangaben über einen Zaun auf den geteerten Innenhof der Erstaufnahmestelle in Richtung eines Containers für das Wachpersonal geworfen worden. Zur Tatzeit befanden sich drei Wachleute darin. Die Granate war mit Sprengstoff befüllt. Sie explodierte jedoch nicht. Menschen kamen nicht zu Schaden. Ein Wachmann bemerkte die Granate und alarmierte die Behörden. Die Granate wurde von Entschärfern später kontrolliert gesprengt. In der Unterkunft leben nach Auskunft des Regierungspräsidiums Freiburg 104 Flüchtlinge aus mehreren Ländern.
    Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nehmen zu. Erst gestern hatte das Bundeskriminalamt Zahlen veröffentlicht, wonach es 2015 1.005 Straftaten gegen Asylbewerberheime gegeben habe - fünf mal so viele wie im Vorjahr. Mehr als 200 wurden in Nordrhein-Westfalen verübt. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) macht dafür Hetze im Internet verantwortlich. Diese schaffe den ideologischen Nährboden für Gewalt. Die Behörden hätten bisher ein Viertel der Taten aufklären können, so Jäger.
    (cvo/tk)