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Rechtliche Anerkennung des Islam in Deutschland

Mit Übergangslösungen, Modellversuchen und neuen rechtlichen Regelungen haben einige Bundesländer in den vergangenen Jahren die muslimische Religionspraxis in Deutschland erleichtert. Ziel der Islamverbände bleibt aber, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden. Ein neues Gutachten zeigt, dass auch damit nicht alle Probleme automatisch gelöst sind.

Von Thomas Klatt | 28.05.2015
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    Die meisten muslimischen Verbände und Moscheevereine sind nicht Körperschaften des öffentlichen Rechtes. (Auf dem Bild: die Sehitlik-Moschee am Berliner Columbiadamm) (Deutschlandradio)
    "Diese Suche nach einem Ansprechpartner, die ist in Deutschland auf politischer Seite sehe ich die mittlerweile als überwunden. Ich weiß keine Politiker, die jetzt noch die Forderung stellen. Ich weiß Volker Beck von den Grünen hat das immer sehr stark gefordert: Die eine Telefonnummer, die wird es nicht geben."
    Die Erfurter Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus plädiert nicht dafür, dass es wie jetzt in Österreich ein Islamgesetz gibt. In der Alpenrepublik müssen sich Muslime zu einem Dachverband als einzigen Ansprechpartner für den Staat zusammenschließen. Dagegen biete das föderale System Deutschlands viel mehr Mitsprachemöglichkeiten gerade auch für bisher eher benachteiligte muslimische Gruppen.
    "Und das ist ein Vorteil der deutschen Situation, dass eben auch kleinere Gruppen wie die Ahmadis oder die Schiiten zur Sprache kommen können und anklopfen können und sagen können, wir möchten mit mindestens einem Vertreter auch dabei sitzen. Die Position von Frauen, möglicherweise von homosexuellen Muslimen mit zu berücksichtigen, dass kann man dann leichter gewährleisten, als wenn man sagt, dass müsst ihr alles unter Euch ausmachen und dann kommt ihr mit einem Vertreter zu uns und dann klären wir das weiter. Sie können direkt zur Politik kommen und das ist ein Vorteil."
    Die meisten muslimischen Verbände und Moscheevereine sind anders als die großen Kirchen nicht Körperschaften des öffentlichen Rechtes, sondern als eingetragene Vereine organisiert. Und das reiche in der Regel auch völlig aus. Denn ob beim islamischen Religionsunterricht, bei der Seelsorge in Gefängnissen oder bei der Friedhofsnutzung, oftmals reichten dafür in den vergangenen Jahren schon Modellprojekte und Übergangslösungen aus.
    "Da kommt dann natürlich die Frage auf, warum wollen denn die Islamverbände überhaupt den Körperschaftsstatus? Warum streben sie den an? Und bei vielen Islamverbänden steht das übrigens in der Satzung, dass sie es anstreben, auch bei den Aleviten oder im Islamrat, da steht als ganz wichtiges Vereinsziel, den Körperschaftsstatus zu erlangen. Und ich glaube, dass hat damit zu tun, dass Verbandsvertreter mit diesem Körperschaftsstatus erwarten, dass sie pauschal alles in einem bekommen, die volle Anerkennung. Wenn ich also Körperschaft bin, dann bin ich den Kirchen gleichgestellt. Wie beim Moscheebau muss ich trotzdem immer noch in die Verhandlung mit den staatlichen Vertretern gehen und die Strukturen beispielsweise für den Religionsunterricht muss ich trotzdem ausbilden."
    Wichtig sei eine verlässliche Kommunikation an Runden Tischen oder Islamforen auf Bezirks- und Länderebenen. Dabei wurden schon jetzt beachtliche Erfolge erzielt, sagt der Erlanger Rechtswissenschaftler Martin Herzog.
    "Die ersten Bundesländer, die da neues Terrain beschritten haben, waren Hamburg und Bremen, die 2012, 2013 solche Verträge geschlossen haben. Solche Verträge waren bisher nur mit Religionsgemeinschaften abgeschlossen worden, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind."
    Im Vertrag mit den Islamischen Organisationen sichert das Land Hamburg beispielsweise zu, sich dafür einzusetzen, dass Muslime erstmals auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten etwa beim NDR oder ZDF angemessen vertreten werden. Durch bilaterale Verträge wurde gewährleistet, dass zum Beispiel in mehr als der Hälfte aller Bundesländer mittlerweile eine Bestattung ohne Sarg nach muslimischem Ritus möglich ist. In zahlreichen Kommunen und Städten gibt es bereits eigene muslimische Begräbnisfelder. Aber es gebe weiterhin Verhandlungsbedarf.
    "Wo allerdings noch Fragen offen sind im Bereich der Bestattung nach islamischem Ritus ist die Frage nach der zeitnahen Bestattung. Muslime möchten gerne nach 24 Stunden, also sehr bald ihre Toten begraben. Das ist nach den Vorgaben der Bestattungsgesetze in der Bundesrepublik kaum umsetzbar. Aber da gibt es Bemühungen, das Stück für Stück zu verbessern. Ähnlich offen ist die Frage der Liegedauer, eine unbefristete Liegedauer ist bisher noch nicht gewährleistet. Auch da arbeitet man an Lösungen."
    Der Körperschaftsstatus ist mit einer Reihe von Rechten verbunden.
    So haben K.d.ö.R.s wie die Kirchen das Recht zur Erhebung von Steuern und das Recht auf eigene Beamte. Bei staatlichen Planungsverfahren müssen sie mit einbezogen werden. Und für eine Missionsreligion nicht uninteressant: eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes darf die Melderegister einsehen. Insofern ist auch der Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus klar, dass im Sinne der stärkeren Integration nicht einfach jeder muslimischen Gemeinschaft eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes in Aussicht gestellt werden kann.
    "Es gibt auch Gemeinden und Moscheevereine, die so problematisch sind, dass sie eine Frage für die Sicherheitsbehörden sind. Gerade in Hinblick auf Unterstützung des Islamischen Staats oder ähnlich Fragen da ist es unbedingt notwendig, dass die Sicherheitsbehörden da rigoros handeln und auch mal eine Moschee schließen möglicherweise. Das haben Sicherheitsbehörden in den letzten Jahren beispielsweise bei der Kaplan-Gemeinde Anfang der 2000er gemacht."
    Das betreffe jedoch nur eine kleine radikale Minderheit. Grundsätzlich aber müsse eine möglichst große rechtliche Gleichstellung zu den anderen Glaubensgemeinschaften wie etwa den Kirchen angestrebt werden, meint Riem Spielhaus.