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Handwerk
Integration von Geflüchteten durch Ausbildung

Die Hälfte der jungen Geflüchteten in Deutschland absolviert eine Ausbildung im Handwerk. Davon profitieren beide Seiten: Die Betriebe bekommen den Nachwuchs, den sie händeringend suchen. Und den Geflüchteten ermöglicht die Ausbildung Teilhabe und soziale Kontakte. Ein paar Probleme gibt es dennoch.

Von Manfred Götzke | 14.02.2020
    Sachsen, Heidenau: Junge Geflüchtete aus Afghanistan werden im Unterricht der AMS Ausbildungsgesellschaft für Metalltechnik und Schweißer von Ausbilder Philipp Rokasky (2.v.r.) angeleitet.
    Spielt eine große Rolle bei der Integration von Geflüchteten durch Qualifizierung: das Handwerk (picture alliance / Oliver Killing)
    Integration durch Ausbildung und Arbeit – sie funktioniert ziemlich gut in Deutschland. Und das liegt vor allem an der dualen Berufsausbildung, sagt Ludger Schuhknecht, stellvertretender Generalsekretär der OECD:
    "Das deutsche Ausbildungssystem ist eine Chance den sozialen Aufstieg erfolgreich zu schaffen, das ist in anderen Ländern viel schwieriger, wo es kein Duales Ausbildungssystem gibt. Bei uns hat man mit Lehre und anschließender Tätigkeit auch eine gute soziale Stellung – die man noch ausbauen kann. "
    Teilhabe über die Ausbildung
    Es ist eine Win-Win-Situation - vor allem für das deutsche Handwerk. Schließlich suchen Bäcker, Dachdecker, Installateure und Co. schon seit Jahren händeringend Nachwuchs. Kein Wunder also, dass die Hälfte der jungen Geflüchteten eine Ausbildung im Handwerk absolviert, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.
    "Handwerk spielt eine außerordentliche Rolle Geflüchtete über Qualifizierung in Ausbildung und letztlich in Teilhabe zu führen, das hat zu tun mit der Struktur und Organisation der Betriebe, das sind kleine Betriebe, die gewährleisten starken persönlichen Kontakt - die Größe ermöglicht individuelle Betreuung."
    Ein syrischer Flüchtling arbeitet mit seinem Ausbilder in einem Metallbetrieb in Schleswig-Holstein
    Heißbegehrt und ausgebremst / Flüchtlinge auf dem ArbeitsmarktImmer mehr Geflüchtete haben feste Jobs oder Ausbildungsplätze. Wirtschaft und Handwerk brauchen sie. Doch neben den gesetzlichen Hürden stellt auch der schulische Teil der Ausbildung eine Herausforderung dar.
    Dass die Integration der Geflüchteten in den vergangenen Jahren besser funktioniert als bei früheren Zuwanderungswellen - etwa Anfang der 90er zu Zeiten der Jugoslawien-Kriege, dafür gibt es natürlich viele Gründe. Einerseits ist die Arbeitsmarktsituation so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem habe auch gelernt, sagt Schuknecht.
    "Alle Länder haben große Anstrengungen unternommen, viele Länder haben auch mit Maßnahmen experimentiert – erlebt man ja nicht so oft, dass auch mal experimentiert wird. Aber jetzt muss man das zusammen bringen und aus den Erfahrungen auch lernen und dann voneinander lernen und nicht im alten Trott weitermachen."
    Kulturelle Hürden stehen im Weg
    Und doch gibt es nach wie vor einige Probleme. Das größte und offensichtlichste: Viele Geflüchtete kommen mit der deutschen Sprache nicht klar, andere haben eine sehr geringe Schulbildung – außerdem müssten kulturelle Hürden genommen werden. Hier müsse Deutschland die berufsvorbereitenden Maßnahmen ausweiten – etwas die sogenannten Einstiegsqualifikationskurse.
    "Manchmal gibt es nicht genug diese Plätze, manchmal sind die Altersgruppen eingeschränkt, in manchen Bundesländern zum Beispiel – so dass ältere junge Männer und Frauen sie nicht nutzen können."
    Arbeitsmarktintegration / "Die Hauptursache ist, dass wir diesmal mehr investiert haben"
    Fast jeder zweite Flüchtling hat fünf Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland einen Job, so eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Dies liege auch daran, dass man viel in Integrations- und Sprachkurse investiert habe, sagte Studienautor Herbert Brücker im Dlf.
    Ein weiteres Problem sehen OECD und Handwerksverband bei der Rechtsunsicherheit. Noch immer ist es für Unternehmen mit einem gewissen Risiko verbunden einen Azubi aus Afghanistan, Irak oder Eritrea auszubilden: Denn je nach Bundesland und Ausländerbehörde droht ihnen die Abschiebung. Zwar gibt es schon seit einigen Jahren die 3 + 2- Regelung: Sie können also nach einer Ausbildung zwei weitere Jahre in Deutschland bleibe. Nur die werde nicht konsequent umgesetzt, klagt ZDH-Generalsekretär Schwannecke.
    "Wir haben jetzt mit der 3+2 Regelung eine deutliche Verbesserung aber es ist längs nicht ideal deshalb fordern wir Rechtssicherheit und Betriebe brauchen auch Unterstützung bei der Bewältigung der ganzen Administrativen Abläufe rund um die Beschäftigung dieser Jugendlichen."
    Viele Flüchtlinge brechen Ausbildung ab
    Dass ein Azubi aus dem Betrieb geholt und ausgewiesen wird ist allerdings eher die Ausnahme. Viele Flüchtlinge brechen ihre Ausbildung einfach selbst ab. Und zwar deutlich häufiger als deutsche Lehrlinge. 40 Prozent der im Ausland geborenen Azubis brechen ihre Ausbildung ab – so OECD-Mann Schunkecht.
    "Da ist es wichtig, dass es gute Mentoren-Programme gibt, die das Bewusstsein der Arbeitgeber gestärkt wird. dass die Arbeitgeber auch stärker mit den Berufsschulen in Kontakt treten um die wechselseiteigen Schwierigkeiten kennen zu lernen und ein weiterer Punkt – die Flexibilisierung der Programme selbst. "
    So könnte man stärker in Modulen arbeiten - oder die Länge der Ausbildung verlängern um Teilzeitarbeit zu ermöglichen, oder verkürzen, falls der Azubi besonders gut und schnell lernt.
    "Das sind so Programme wo man sich besser auf dem Bedarf der auszubildenden Migranten einstellt aber auch der einheimischen Azubis, wo es ja auch hohe Abbruchquoten gibt, gerade wenn sie aus sozial schwachen Familien kommen und mit dem Lehrgeld nicht über die Runden kommen."