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Hans Hollein
Retrospektive auf einen Pionier der Postmoderne

Der in diesem Jahr verstorbene Hans Hollein gilt als Hauptverfechter der Postmodernen Architektur. Das Museum für Angewandte Kunst in Wien zeigt nun eine Retrospektive des Österreichers. Holleins vielgesichtiges Werk müsse neu durchgearbeitet werden, fordern die Ausstellungsmacher.

Von Carsten Probst | 25.06.2014
    Hollein starb am 24. April 2014 nach längerer schwerer Krankheit in Wien.
    Hollein starb am 24. April 2014 nach längerer schwerer Krankheit in Wien. (picture alliance / dpa / Roland Schlager)
    Unausweichlich kehrt mit Hans Holleins Werk noch einmal die Postmoderne zurück ins Bewusstsein, die Architektur der 80er- und 90er-Jahre, die heute, aus der Sicht des neuen Historismus-Booms, so lange zurückzuliegen scheint. Hollein gilt als einer ihrer Hauptverfechter, mit gutem Grund.
    Seine wichtigsten und bekanntesten Bauten gelten bis heute als Vorzeigeobjekte dieser Zeit, allen voran die Museumsbauten in Mönchengladbach und Frankfurt am Main, das Vulkan-Museum in der französischen Auvergne oder das hitzig umkämpfte Haas-Haus in Wien. Aber es ist ein großer Vorzug der Retrospektive im Museum für Angewandte Kunst, dass sie es nicht bei den hinlänglichen Schlagworten und verbalen Kraftmeiereien belässt, die Holleins Karriere immer begleitet haben.
    Vielgesichtigkeit von Holleins Werk
    Nachdem es in den letzten Jahren ziemlich still um den einstigen Wiener Skandalarchitekten geworden war, muss sein Werk in seiner verwirrenden Vielgesichtigkeit noch einmal neu durchgearbeitet werden, sagen die beiden Kuratoren Wilfried Kuehn und Marlies Wirth. Dazu gehören bisweilen krasse Gegensätze, wie die heute eher trostlos anmutenden Bettenburgen für das Olympische Dorf in München 1972 neben der geradezu skulpturalen Naturmetapher des Vulkan-Museums in der Auvergne. Tastet man sich in die hinteren Säle vor zu Holleins wunderbaren Zeichnungen, dann entdeckt man eine verzauberte Welt für sich, in der der Architekt in steter Wiederholung aus fast kalligrafischen Kritzelzeichen nach und nach Körper entstehen lässt, die Landschaft, Maschine, Schrift und Haus zugleich sein wollen und damit unweigerlich auf die entsprechenden historischen Vorläufer verweisen, bald futuristisch, dann expressiv, utopistisch oder als konzeptuelles Gebilde.
    Immer wieder, so versuchen die Ausstellungsmacher in Wien herauszustellen, macht Hollein das scheinbar Nebensächliche zum Prinzip seiner Entwürfe, das er der reinen Funktionalität der Moderne entgegensetzt. Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main sitzt als massiver Körper auf einem geradezu fragil wirkenden Sockelgeschoss mit scheinbar viel zu schmalen Säulchen, dazu auf einem dreieckigen Grundriss, so als sei Hollein berühmter Flugzeugträger aus der Landschaft in die Stadt eingelaufen. Umkehrung der Funktionalität, der statischen Kräfte, eine "sinnliche Schönheit von elementarer Gewalt", wie Hollein 1963 in seinem Manifest "Absolute Architektur" formulierte. Vieles, durch das sich dieses Prinzip als viel zeitloser erweist als durch Holleins viel umstrittene Bauten, war eher temporär, ist daher nicht mehr oder nur noch in ein paar schlechten Fotos erhalten - wie etwa sein Beitrag für den österreichischen Pavillon auf der Biennale von Venedig.
    Dort durchbrach er einfach eine Seitenwand des Pavillonbaus und schuf so den Besuchern einen ungewohnten Ausgang, durch den sie unversehens an einen nahe gelegenen Kanal gelangten, wo eine Zeltarchitektur und mehrere Objekte platziert waren. Die Fotos, die es heute noch davon gibt, legen nahe, dass es Hollein um eine mitunter fast zufällig anmutende Zusammenfügung von Objekt und Natur ging, um scheinbar flüchtige, momenthafte Situationen, in denen der Betrachter nicht mehr genau weiß, ob er sich gerade in einem bewusst geschaffenen Ambiente befindet oder eher in einer improvisierten Situation.
    Raum für Unerwartetes
    Den Ewigkeitsanspruch der Architektur ironisierte Hollein durch das Zitieren historischer Formen: Bögen, Architrave, Säulen. Diese Zitate-Architektur nennt man gemeinhin das Postmoderne - aber viel mehr, so scheint es nach dieser wunderbaren Ausstellung, ging es Hollein doch immer um mehr, um Orte für Zufälle, um eine Architektur, die sich auflöst und Raum gibt für Unerwartetes. Leider hat sich dieses Ansinnen nur in eher wenigen seiner tatsächlich realisierten Bauten niederschlagen können. Vielleicht wird das Werk von Hollein daher dereinst vor allem in Archiven seiner Papiere, Schriften und Entwürfe überdauern.