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"Harmlos wandelt hier, dann kehret neu gestärkt zu jeder Pflicht zurück"

Von der Entwicklung der Gartengeschichte bis hin zu berühmten Dichtergärten ist das Buch 'Mein Garten ist mein Herz' reich illustriert. Sabine Frank widmet auch dem Thema Modeerscheinungen in Gärten und stellt einen reich illustrierten Band vor.

Von Shirin Sojitrawalla | 05.12.2011
    Zum heimlichen Star der diesjährigen Bundesgartenschau in Koblenz, bürokratisch kurz Buga genannt, avancierte ein Zwerg. Ein Gartenzwerg. Das wäre noch keine Erwähnung im Büchermarkt wert, handelte es sich nicht um einen lesenden Gartenzwerg im "Garten der Poesie".

    Der "Lesezwerg" hat es zwar nicht in Sabine Franks Kulturgeschichte der Gärten in Deutschland geschafft, die Buga aber schon und natürlich auch die in deutschen Gärten wimmelnden Gartenzwerge, die in Wahrheit kein urdeutsches Phänomen sind, sondern auf italienische und österreichische Vorfahren zurückblicken. Die studierte Kulturwissenschaftlerin Sabine Frank absolviert einen Streifzug durch deutsche Gärten und ihre geschichtlichen Voraussetzungen wie Entwicklungen. Angefangen bei den Gärten des Mittelalters über Barockgärten und öffentliche Grünanlagen bis hin zu Laubenpieperkolonien und Gartenbau-Ausstellungen. Frank selbst spricht von einem feuilletonistischen Spaziergang. Und auf diesem begleitet man sie ausgesprochen gern. Die Urform des Gartens, das macht auch Frank deutlich, ist dabei natürlich das Paradies. Die Sehnsucht nach göttlicher Harmonie spiegelt sich durchaus auch in der Gartengestaltung der jeweiligen Zeit wider. Die Sehnsucht nach Einklang mag auch Gartengestalter der Gegenwart antreiben, doch während sich in der Renaissance symmetrische Durchgeplantheit der Gärten zum Ideal entwickelte, wirkt das auf heutige Betrachter wie der Gipfel der Künstlichkeit. Besonders reich ist Deutschland an repräsentativen Barockanlagen, wobei keine Anlage so oft kopiert wurde wie der Schlosspark von Versailles. In Wort und Bild nähert sich Frank der formalen Aufgeräumtheit dieser Gärten, und wer sich einmal in ihren grünen Weiten verliert, möchte sich am liebsten sofort ins Auto setzen, wahlweise in den Zug, um alles an Ort und Stelle zu bestaunen. Dabei macht das Buch wie nebenbei deutlich, dass auch die Gartengestaltung den Moden der Zeit folgte und folgt. Kenntnisreich berichtet Frank etwa von der grassierenden Tulpomanie im 17. Jahrhundert und von späteren Modepflanzen: Hortensien, Kamelien, Chrysanthemen, Fuchsien, Begonien und Aurikeln lösten bei Sammlern und Züchtern ein wahres Fieber aus. Und auch der im Zeitalter des Barock und Rokoko herrschende Chinafimmel wirkte sich auf die Gestaltung damaliger Parklandschaften aus; so weisen etwa Gartenpavillons aus jener Zeit nicht selten fernöstlich geschwungene Dächer auf.

    Sabine Frank vollzieht in ihrem Buch die Entwicklung der Gartengeschichte nach und wartet mit vielen Beispielen und noch mehr Abbildungen auf: Ungeschönt wirkende Fotografien berühmter Gärten finden sich ebenso darin wie wunderbare botanische Abbildungen aus längst vergangenen Zeiten. Der etwas schwulstige Titel des reich illustrierten Bandes ist Teil eines Zitats von Hermann Fürst von Pückler-Muskau und lautet vollständig "Wer mich kennenlernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz." Der Landschaftsgestalter, der mit seinem Park in Bad Muskau für Aufsehen sorgte, war der große Gegenspieler von Peter Joseph Lenné, der zahllose Parklandschaften in Deutschland prägte. Das Buch beäugt die beiden unterschiedlichen Männer und ihre charakteristischen Gartenvorlieben. Dabei reichert Frank ihre anregenden Ausführungen mit vielerlei Anekdoten und Merkwürdigkeiten an. So zitiert sie etwa aus einem Brief Pücklers an seine Braut Lucie von Pappenheim: "Dass Du Geld mitbringst, ist sehr zweckmäßig, denn ich habe keins", schreibt er ihr und ordert bei ihr "50 Pfund bestes englisches Reygras und zehn Pfund feinen niedrigen weißen Kleesamen (...)".

    Ein Kapitel widmet sie dann auch den Gartendichtern und den Dichtergärten. Dort kommt dann nicht nur Hermann Hesse zu seinem Recht, sondern auch die angebliche Verwandtschaft zwischen Gartenarbeit und erzählender Literatur. Aufschlussreicher geraten Franks Ausführungen zur Gartendebatte in Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften". Selbstverständlich findet auch die "Blaue Blume" Erwähnung.

    Dabei paart Frank Wissenswertes mit Spezialwissen, manches formuliert sie etwas trocken, anderes durchaus inspirierend. Eine der eindrücklichsten Parkanlagen in Deutschland, der Englische Garten in München, darf in einem solchen Buch naturgemäß nicht fehlen. Schließlich handelt es sich um den ersten für eine Stadtbevölkerung neu angelegten Landschaftsgarten auf dem Kontinent.

    1793 wurde er eröffnet. Zehn Jahre später wurde an einem seiner Eingänge eine Jünglingsfigur aufgestellt, die sich auf eine Marmortafel stützt, auf der geschrieben steht: "Harmlos wandelt hier, dann kehret neu gestärkt zu jeder Pflicht zurück." Diese Devise könnte - nicht nur nach Meinung von Sabine Frank - über jeder städtischen Parkanlage stehen.


    Sabine Frank:
    Mein Garten ist mein Herz.
    Eine Kulturgeschichte der Gärten in Deutschland.
    Dumont. 192 Seiten, ca. 200 Abbildungen, 29,99 Euro.