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Harte Lehren aus dem Libor-Skandal

Im Sommer wurde bekannt, dass der globale Referenzzins "Libor" jahrelang manipuliert wurde. Er ist ein Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen und der bisher vom britischen Bankenverband errechnet wurde. Heute will die britische Regierung neue Regeln zu diesem Zinssatz bekannt geben.

Von Jochen Spengler | 28.09.2012
    Das Urteil von Martin Wheatley ist eindeutig. Der designierte Chef der neuen Finanzaufsichtsbehörde FCA, der von Finanzminister George Osborne eingesetzt wurde, um den Libor-Skandal zu untersuchen, erklärte heute morgen:

    "Das System ist erledigt und bedarf der völligen Instandsetzung. Die bestürzenden Vorgänge, die wir aufgedeckt haben bei der Manipulation von Libor (London Interbank Offered Rate) haben Zuversicht und Vertrauen ernsthaft beeinträchtigt und das Gefüge unseres Finanzsystems zerrissen."

    Ursache sei nicht nur das Fehlverhalten einzelner Banker, sondern ein falsch konstruiertes System. Der Libor-Satz wurde nicht festgelegt als Durchschnitt der tatsächlichen, sondern der geschätzten Kosten, die sich Banken gegenseitig für Kredite berechnen; dies aber habe zur Manipulation eingeladen; mal wurden höhere, mal niedrigere Zinssätze angegeben, um so auch die eigenen Boni zu erhöhen. Die Barclays Bank musste dafür bereits eine Strafe von rund 350 Millionen Euro zahlen; gegen mindestens 15 weitere Banken wird noch ermittelt. Der Betrug hat Verbraucher und Unternehmen Milliarden gekostet, denn Libor ist seit 25 Jahren die Grundlage, auf der der Preis für Darlehen, Konsumentkredite oder Hypotheken im Wert von über 230 Billionen Euro ermittelt wird;

    "Heute müssen wir den Reset-Knopf drücken. Wir müssen zurückgewinnen, wofür dieser Referenzwert gedacht war. Wir müssen die Integrität dieses weltweit wichtigen Orientierungswerts wiederherstellen und Umstände schaffen, in denen die Individuen rechtschaffen handeln."

    Abgeschafft werden solle Libor zunächst nicht. Kurzfristig gebe es keine besseren Alternativen. Stattdessen schlägt Martin Wheatley in einem Zehn-Punkte-Plan vor, Libor aus der Selbstregulierung des Britischen Bankenverbandes herauszunehmen. Der Verband habe versagt und das System nicht ausreichend kontrolliert. Ein neues, noch zu bildendes Überwachungsgremium soll die rigorose Aufsicht ausüben nach Standards, die die Finanzregulierer entwickeln.

    Dazu gehört, dass der Libor-Zinsatz künftig ermittelt wird auf Basis des Durchschnitts der tatsächlich gezahlten Darlehenskosten und nicht mehr anhand von Schätzwerten. Deutlich mehr Banken als bislang sollen dafür ihre Daten übermitteln. Außerdem werden Manipulationen künftig als Straftatbestand gewertet.

    "Abhängig von der Schwere der Tat werden die Sanktionen vom Ausschluss aus der Finanzbranche über empfindliche Geldstrafen bis hin zu Gefängnisstrafen reichen – die Gesellschaft will, dass Leute, die solche Verbrechen begehen, den Preis dafür zahlen müssen; wenn das Haft einschließt für die schlimmsten Betrügereien, dann sollte es so sein."
    Finanzminister George Osborne dürfte den Empfehlungen seines obersten Finanzregulierers folgen; er bezeichnete sie bereits als umfassend und praktikabel.