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Hartes Brot für Pixelzauberer

Die sogenannte VFX-Branche ist für spektakuläre Spezialeffekte in Kinofilmen zuständig und befindet sich - zumindest in Hollywood - in einer tiefen Krise. Einige große Firmen sitzen finanziell in der Bredouille oder mussten bereits in die Insolvenz. Auch in Deutschland gerät die Branche näher an den Abgrund.

Von Peter Backof | 12.03.2013
    "In den USA ist der Hauptaufreger, normalerweise würde man sagen: Ein Studio geht pleite? Gut, die haben schlechte Arbeit gemacht!"

    Sebastian Stanek, Produzent für visuelle Effekte in Köln. Aus den USA, der Hingucker: das Tiger-Schiffbruch-Drama "Life of Pi". Und die Arbeit des US-amerikanischen Studios Rhythm & Hues, für den Ang Lee-Film "Life of Pi" wurde für sehr gut befunden, vom Publikum wie von der Oscar vergebenden Academy. Rhythm and Hughes konnte seine rund 1400 Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Oscarverleihung allerdings nicht mehr bezahlen, obwohl der Film bislang über 500 Millionen Dollar Gewinn eingespielt hat. Und auch andere, durchaus große und angesehene Firmen, Pixomondo etwa, kriseln. Wie kann es sein, dass eine Branche, die für atemberaubende Perfektion steht und die man für wirtschaftlich gesund hielte, so knapsen muss?

    Sebastian Stanek:

    "Die Branche ist es eigentlich selber schuld: Die haben sich alle immer weiter runtergepitcht."

    Sich gegenseitig mit Kostenvoranschlägen unterboten.

    "Gewinnmarge, hört man immer so, drei Prozent, und, das muss man sagen, ist ne ganz ordentliche Gewinnmarge, wenn´s um ein 60, 70 Millionen-Dollar-Effekte-Budget geht. Aber da arbeiten so viele Leute dran, da sitzen 800 Effekte-Leute an einem Film, dann kann man die Gehälter runterrechnen, dann sind 60 Millionen auf einmal gar nicht mehr so viel ."

    Dazu kommt, dass die Visual Effects üblicherweise nicht am Umsatz eines Films beteiligt werden.

    "Das wär meiner Meinung nach die einzige Lösung: dass man die Effekte-Firmen wirklich am Gewinn beteiligt, weil das ist zurzeit so knapp kalkuliert, da muss nur eine Sache schief gehen und hops geht das Studio pleite."

    VFX ist eine Boom-Branche der Digitalisierung. Sebastian Stanek öffnete sein kleines Studio 2008 und hat mittlerweile vier fest angestellte Mitarbeiter. Die "Green Screen", also im Prinzip der leere Raum in der Farbe Grün, ist die Spielwiese. Werbung, die Tropfen auf Bierflaschen appetitlich und ein rasiertes Gesicht attraktiv erscheinen lässt, das sind die Brot-Jobs, und prestigeträchtig sind dann große Kinoproduktionen. In dem Spielfilm "Henri IV" war Stanek engagiert, um darin eine Art ganzheitliche Betreuung des visuellen Designs mitzuleisten. Das fängt an beim Wegretuschieren einer Armbanduhr, die ein Schauspieler vergessen hat abzunehmen, bis hin zum extrem aufwendigen digitalen Szenario.

    "Alle großen Erfolgsfilme, alle Blockbuster sind Effektfilme. Jetzt bei "Life of Pi" in dem speziellen Fall: Der komplette Ozean ist digital, der Tiger ist digital, alle Tiere sind digital."

    Für manche Einstellungen wird die Software für das Zusammensetzen der Szene überhaupt erst eigens programmiert. Das kostet Zeit und damit Geld. Auch ein Risikofaktor der jungen Branche: schwer zu kalkulierende Kosten für die Technologie. Sebastian Stanek steht in seinem – vergleichsweise kleinen – Serverraum, ein Hinterzimmer mit einem gewaltigen Computerturm darin. Das Starkstromkabel ist immer ganz heiß, "Fühlen Sie mal!", sagt er. Von hier aus arbeitet er dann als kleiner "Fabbing"-Betrieb, als Kleinstfabrik, den Produktionen zu. So funktioniert die VFX-Branche größtenteils, weltweit. Und das unternehmerische Risiko ist hoch: gerät ein Produktionsplan zeitlich durcheinander, büßt dafür schnell das freiberufliche VFX-Team

    Stanek:

    "Klar, I.L.M., "Industrial Light and Magic", das ist so der Riesen-Marktführer, denen wird's nicht passieren, die haben jetzt Disney als Backup, aber alle anderen Firmen – ich darf gar nicht dran denken: Wenn hier eine Sache schiefgeht, dann sind wir sofort weg. Ich kenne nicht allzu viele Jobs, wo das so hart ist."

    Mit Argusaugen beobachtet Stanek Szene-News. Die Proteste bei der Oscarverleihung, wo Transparente vor Nachrichtenkameras gehalten wurden "Ich bin outgesourced – alles was ich habe, ist dieses Transparent hier" oder auch die Facebook-Seite "VFX Solidarity" findet er gut und überfällig. Man habe zu lange den Anschein heiler Welt erweckt und sich ausbeuten lassen. Hollywood ist für den deutschen Unternehmer übrigens gar nicht so weit weg. Die Szene ist global vernetzt und vielleicht klappt es mal mit der Bewerbung für das Visual-Effects-Team eines Blockbusters. Auch wenn er damit wohl vorerst nicht zum Star werden wird.