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Hass auf Ausländer

Nur fünf Stunden Autofahrt liegen zwischen Simbabwe und Johannesburg. Viele Simbabwer sind deshalb ins nahe Südafrika geflohen, vor der Gewalt in ihrem Land, vor den Gräueltaten des Regimes von Präsident Mugabe. Doch bei ihren Nachbarn herrscht ebenfalls Gewalt, zumindest gegen sie.

Von Dagmar Wittek | 02.10.2010
    In Südafrika kommt es immer wieder zu Hetzjagden auf Ausländer. 2008 kamen 64 Menschen bei den Ausschreitungen ums Leben. Seitdem saßen zunächst 3000 Simbabwer in einem vom UNHCR gestellten Zeltlager. Doch das wird nun aufgelöst. Die Hintergründe schildert Dagmar Wittek:

    Im Lager von de Doorns herrscht Angst. 376 Simbabwer kauern abends zwischen den Zelten am offenen Feuer und machen sich Sorgen über ihre völlig ungesicherte Zukunft. Die Erinnerungen der 29-jährigen Joyce an das, was ihnen im November 2009 hier eineinhalb Stunden außerhalb von Kapstadt im idyllischen Weinanbaugebiet passierte, sind noch frisch:

    "Die haben uns weggejagt und bedroht. Sie schrien, dass wir ihnen ihre Jobs wegnehmen und dann haben sie unsere Hütten eingerissen und unsere Lebensmittel und alles was wir hatten geklaut. Die Polizei unternahm nichts, die unterstützen die noch, weil sie auch Südafrikaner sind. Ich hatte solche Angst, bis heute habe ich furchtbare Angst."

    3000 Simbabwer verloren alles: ihre Wellblechhütten, sämtliches Eigentum. Erst nach drei Tagen Gewalt und Terror griff die Polizei ein und das obwohl einige Monate zuvor genau dort in der Siedlung bereits sieben Simbabwer auf grausamste Art in ihren Hütten verbrannt worden waren. Die Koordinatorin des Katastrophenschutzes und Chefin der Kommunen im Westkap, Hildegard Fast, entschuldigt dies mit "Kinderkrankheiten" einer jungen Demokratie:

    "Unsere Verfassung ist erst 1996 in Kraft getreten. Sie stellt die Zuständigkeiten nicht eindeutig fest, um sicherzustellen, dass solche Ausschreitungen nicht landesweit vorkommen."

    Der missglückte Versuch einer Entschuldigung dafür, dass die Polizei bei Ausschreitungen, Plünderungen und Hetzjagden untätig zugesehen hat – wie 2008 und 2009 geschehen. Fast gibt zu, dass Ausländerfeindlichkeit in Südafrika ein weitverbreitetes und ernst zu nehmendes Problem sei. Sie nennt zwei Gründe:

    "Der Erste ist eine Angst vor dem Anderen, dem Unbekannten und der Zweite und ist Armut kombiniert mit dem Wettstreit um Ressourcen."

    Eine Studie der Witwatersrand-Universität hat ergeben, dass die seit 2008 immer wieder aufflammenden Ausschreitungen häufig durch politische Interessen und Manipulation hervorgerufen werden. Braam Hanekom, von der Nichtregierungsorganisation Passop, die sich um die Xenophobie-Opfer von de Doorns kümmert, meint, dass Stadtverordnete der Regierungspartei ANC regelrecht zu Ausländerfeindlichkeit angestiftet hätten, indem sie Ausländer als schwarze Schafe und Schuld an der schlechten Situation in der Region gemacht hätten:

    "Der örtliche Stadtrat trägt eine Mitschuld an den ausländerfeindlichen Übergriffen. Wir haben eidesstattliche Aussagen von Opfern, die besagen, dass er sie zwei Wochen vor den Ausschreitungen verbal angegriffen habe und drohte, dass man sie in zwei Wochen dran kriegen würde. Es ist ganz klar, dass die Regierung beteiligt ist. Der Polizei wird zudem vorgeworfen bestimmten Stadtverordneten und deren Handlangern vor Ort politisch nahe zu stehen, die dann tatsächlich die gewalttätigen Ausschreitungen angezettelt haben."

    Afrikanische Migranten werden schnell zu Sündenböcken gemacht, an ihnen wird der Frust und die Wut über die eigene Armut und die Lebenssituation ausgelassen. Die Regierung schaut indessen zu, denn das ist leichter, als sich offen mit einer wütenden, unzufriedenen Masse auseinanderzusetzen, die sich über mangelnde staatliche Dienste beklagt – insofern haben die staatlichen Stellen ihren Teil zur wachsenden Xenophobie beigetragen. Ausländerfeindlichkeit als staatliches Ablenkungsmanöver.

    Besonders lässt sich dies in sozialen Brennpunkten beobachten. In dicht besiedelten Armensiedlungen zum Beispiel, in denen einheimische Ladenbesitzer in starker Konkurrenz mit meist somalischen oder simbabwischen Händlern stehen. Eine Studie der Witwatersrand-Universität hebt hervor, dass , je jünger die Siedlungen und Slums sind, es dort umso weniger gewachsene soziale Strukturen gebe, das berge Konfliktpotenzial. Zudem gebe es an diesen Orten mit hoher Fluktuation nur selten gewählte oder allgemein anerkannte Sprecher.

    Rund um Südafrikas Großstädte, um die sich mehr und mehr Slums bilden, ist genau das der Fall, daher gab es hier bislang auch die meisten ausländerfeindlichen Übergriffe. Im Fall de Doorns kommen alle Faktoren zusammen, die zu Reibungen führen können. Jedes Jahr ziehen Tausende Wanderarbeiter in die Weinregion, um während der Saison und Ernte zu arbeiten. Ein Pulverfass, meint Lucy Holbourn vom südafrikanischen Institut für Rassenbeziehungen. Zudem habe die Regierung seit Jahren zu einer weitgehend akzeptierten ausländerfeindlichen Stimmung beigetragen:

    "Seit dem Ende der Apartheid hat die Regierung immer betont, wie anders Südafrika im Gegensatz zum Rest des afrikanischen Kontinents sei. Die Rhetorik suggerierte, dass Südafrika das wirtschaftliche Zugpferd des Kontinents ist und es besser als die anderen afrikanischen Länder ist. Dies hat sicherlich zum Teil die Vorurteile gegenüber anderen Afrikanern, dass sie weniger zivilisiert und gebildet sind, hervorgerufen."

    Hildegard Fast sagt dies müsse sich ändern.

    "Teil eines Lösungsansatzes müsste es sein, den Leuten klar zu machen, wie viel Ausländer zu unserem Land und unserer Wirtschaft beisteuern. Unter ihnen sind qualifizierte Ärzte, Lehrer und Rechtsanwälte aus dem südlichen Afrika die hier arbeiten. Und die, die Unternehmen gründen, schaffen Jobs. Jeder ausländische Unternehmer schafft im Schnitt 1,5 bis 2 Jobs, das müssen wir unseren Leuten mal mehr klarmachen, damit sie verstehen, dass ihr ausländischer Nachbar zu einer Verbesserung ihres Lebens beisteuert."

    Und in den Konfliktzonen, den extrem armen Wellblechsiedlungen? Da müsse, so Fast, auf mehr Kommunikation, Austausch und Integration geachtet werden, man müsse versuchen, Vertreter aus allen Gruppen, die dort zusammenleben an einen Tisch zu holen. Schöne Worte, die allerdings bislang im Fall de Doorns nicht sonderlich gefruchtet haben, denn der 34-jährige Simbabwer Tendai meint, während er vor seinem Flüchtlingslagerzelt mit klammen Händen in der Glut eines Feuers stochert, dass es jederzeit wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könne. Vor ein paar Tagen war er in der Hüttensiedlung, in der er und 3000 weitere Simbabwer vor neun Monaten noch wohnten:

    "Sie drohten und beschimpften uns dort und sagten, dass sie uns zusammenschlagen würden, falls wir zurückkommen und dass sie uns in unseren Hütten verbrennen würden. Ich traue mich nicht zurückzugehen. Ich habe viel zu viel Angst. Aber mir bleibt jetzt, wo das Lager aufgelöst wird, nichts anderes übrig, ich kann nicht nach Simbabwe zurück, da gibt es keine Jobs. Hier habe ich einen und ich muss für meine siebenköpfige Familie in Simbabwe aufkommen."

    Auch Joyce, die früher - als Simbabwe noch eine funktionierende Wirtschaft ohne galoppierende Inflation hatte - als Empfangsdame gearbeitet hat, sagt sie bleibe hier:

    "In Simbabwe ist die Situation doch immer noch nicht gut."

    Sie ist Teil eines Komitees des Lagers, das mit Vertretern der Siedlung in de Doorns eine Rückkehr auszuhandeln versucht, aber bislang sehe es nicht vielversprechend aus:

    "Sie sagen, es wäre unser eigenes Risiko, wenn wir zurückkämen, niemand würde uns helfen. Auch die Regierung sagt, sie würden uns nicht beschützen. Ich habe Angst zurückzugehen. Ich wünschte, die Regierung könnte uns eine sichere Bleibe anbieten."