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Hauptversammlung bei Linde
Aktionäre besiegeln Ende eines Traditionsunternehmens

Die Linde AG wird es bald nicht mehr geben. Die meisten Aktionäre gaben ihr Einverständnis für die Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair und einem Aktientausch. Die restlichen acht Prozent werden aus der AG ausgeschlossen und abgefunden. Sie waren der Meinung, Linde habe sich unter Wert verkauft.

Von Tobias Krone | 12.12.2018
    Es ist eine außerordentliche Hauptversammlung eines Münchner Traditionsunternehmens - und gleichzeitig seine letzte. Die Linde AG soll demnächst ganz in der Linde PLC aufgehen; ihr juristischer Sitz wird in Irland sein, ihr Verwaltungssitz in London. Die wenigen Kleinaktionäre sind vor allem aus Protest hier: "Wir finden es nicht gut, dass der Sitz nach England verlegt wird, ne? Gehört nach München!" - "Irgendwie ist es doch das Ende von Linde - in Deutschland, sag ich mal."
    Im Prinzip ist die Fusion mit dem amerikanischen Gasherstellers Praxair so gut wie abgeschlossen. Rund 92 Prozent der Aktien sind schon umgetauscht in Wertpapiere der neuen Linde PLC. Damit folgen die meisten den Plänen des Vorstandschefs Aldo Belloni: "Mit dieser strategischen Fusion bündeln wir die individuellen Stärken jedes der beiden Unternehmen zu einer schlagkräftigen Einheit, oder mit andern Worten: Wir machen aus zwei sehr guten Unternehmen ein exzellentes."
    Fusion umstritten
    Heute geht es um die Besitzer der restlichen acht Prozent, die Nein zur Fusion sagen. Sie sollen einem Squeeze-Out zustimmen: 189 Euro 46 pro Aktie schlägt der Vorstand denen vor, die Nein zur Fusion gesagt haben. Gegen diesen Vorschlag kündigen mehrere Aktien-Vertreter ein gerichtliches Spruchverfahren an. Sie wollen wissen, ob da nicht noch mehr Geld drin ist pro Wertpapier. In der Linde-Belegschaft ist man sich weitgehend einig: Linde hat sich bei der Fusion unter Wert verkauft.
    Hans-Martin Buhlmann, von der Vereinigung der Institutionellen Privatanleger kritisierte in seiner Rede, bei der Fusion habe das Prinzip "Praxair First" gegolten, dennoch sei der Deal besser, als die Übernahme des US-Chemieunternehmen Monsanto durch Bayer, so Buhlmann. Dieser Kleinaktionär ist guter Dinge. Er hat seine Aktien umgetauscht in Papiere der neuen Linde PLC: "Ich denke, dass das der richtige Konzern ist, der auch in der heutigen Zeit für den Fortschritt da ist, und der sich mit Sicherheit behaupten kann."
    Das Ende eines Münchner Traditionsbetriebs
    Wehmut ist bei ihm nicht zu spüren. Doch damit ist er zumindest unter den Kleinaktionären in der Minderheit. Das Unternehmen Linde ist ein Münchner Traditionsbetrieb. Der Ingenieur Carl von Linde hat entscheidend am Weltruhm der bayerischen Landeshauptstadt mitkonstruiert. Er ließ 1877 die erste Kühlanlage patentieren. Mit der Erfindung konnten die Großbrauereien ihr Bier kühlen und damit auch im Sommer brauen und verkaufen. Noch heute arbeiten etwa dreieinhalb Tausend Menschen in der Münchner Region, die Hälfte der Mitarbeiter in ganz Deutschland.
    Drei Jahre lang gilt ein Stopp betriebsbedingter Kündigungen, danach will man im Unternehmen keine Garantien abgeben. Dennoch würde ein Stellenabbau nur die Verwaltung betreffen, versichert man bei Linde, da ja etwa das Europageschäft weiterhin von den Standorten der alten Linde AG bedient werde.