Samstag, 20. April 2024

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Heidi Schüller wird 70
Als erste Frau den Olympischen Eid gesprochen

Als sie 1972 als erste Frau überhaupt den Olympischen Eid sprach, war Heidi Schüller 22 Jahre alt. Es waren zugleich ihre letzten Olympischen Spiele. Nach der Reaktion der IOC-Funktionäre auf das Olympia-Attentat sei ihr klar gewesen, "dass ich da nichts mehr werden will", sagte Schüller im Dlf.

Heidi Schüller im Gespräch mit Astrid Rawohl | 13.06.2020
München 1972: Weitspringerin Heidi Schüller (BR Deutschland) spricht als erste Frau überhaupt den Olympischen Eid der Sportler.
Weitspringerin Heidi Schüller aus dem Team der Bundesrepublik Deutschland spricht als erste Frau überhaupt den Olympischen Eid der Sportler (imago images / Sven Simon)
Olympische Spiele 1972 in München. Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele sprach eine Frau den Olympischen Eid - die 22-jährige Leichtathletin Heidi Schüller: "Im Namen aller Wettkämpfer gelobe ich, dass wir im fairen Wettstreit an den Olympischen Spielen teilnehmen und die für sie geltenden Regeln achten und befolgen werden. Im Geiste sportlicher Fairness, zum Ruhme des Sports und zur Ehre unserer Mannschaften."
Die Tragweite dieses Eides sei ihr damals gar nicht wirklich bewusst gewesen, sagte Schüller in der Sendung "Sport am Samstag". Auch nicht, dass sie diese weltweite Bühne auch in ihrem Sinne hätte nutzen können. "Ich hätte eigentlich zu dem "The Games must go on" was sagen müssen", sagt die gebürtige Passauerin in Anspielung auf die Reaktion des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage nach dem Münchner Olympia-Attentat auf das Olympia-Team aus Israel. "Die Spiele müssen weiter gehen", sagte Brundage nach dem Anschlag der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September, der als Geiselnahme begann und mit der Ermordung aller elf israelischen Geiseln sowie mit dem Tod von fünf Geiselnehmern und eines Polizisten endete.
"The Games must go on"
"Das war unerträglich", erinnert sich Heidi Schüller, die am Montag (15.06.) 70 Jahre alt wird. Sie sei schon vor der Ansprache des damaligen IOC-Präsidenten abgereist, "weil ich wusste, dass er das macht. Denn er hatte ja die Film- und Fernsehrechte schon alle weiterverkauft, die konnten ja gar nicht zurück."
Sportärztin Heidi Schüller (GER) während der ARD-Talkshow - Anne Will - in Berlin
Heidi Schüller 2008 während der ARD-Talkshow "Anne Will" in Berlin (imago images / Müller-Stauffenberg)
Heidi Schüller nahm als damals 22-jährige die Olympischen Spiele quasi als Momentaufnahme mit, trat nach ihrem Weitsprungwettbewerb zurück, studierte weiter Medizin und arbeitete danach als Ärztin, Moderatorin und Journalistin. Dass sie sich so früh vom Leistungssport abgewandt hatte, habe sie nicht bereut: "Es gab reichlich Verträge, reichlich Nebenerwerbsmöglichkeiten in ganz stattlicher Höhe", erinnert sich Schüller im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. "Aber damit machst du dich abhängig."
Das habe sie für sich nicht gewollt, so Schüller, die von "beinharten Druckmechanismen" berichtet, die einige Sportfunktionäre 1972 ausgeübt hätten. Bis heute ist sie eine scharfe Kritikerin von Sportfunktionären im Allgemeinen und IOC-Präsident Thomas Bach im Besonderen.
Athleten und Athletinnen, die heute mehr Mitbestimmung und Gewinnbeteiligung fordern, hätten aus ihrer Sicht "völlig recht": Schließlich seien es die Sportlerinnen und Sportler, die für Olympia ihre Zeit und ihre Gesundheit investieren. "Ich würde mich diesem Diktat überhaupt nicht mehr unterwerfen."