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Heikles Genre Künstlerroman

"Bücher wurden noch bestimmt von der alten Regel, entstanden aus dem Glauben, dass sichtbare Schönheit ein kleiner Spiegel sei für die Schönheit des Seins."

Von Sacha Verna | 03.07.2005
    Die "alte Regel", auf die sich Czeslaw Milosz in diesem Zitat bezieht, scheint nicht mehr zu gelten. Würde er sonst von ihr in der Vergangenheit sprechen? Und was hat es zu bedeuten, dass John Updike diese Zeilen seinem neuen Roman "Sucht mein Angesicht" voranstellt? Hat der doch überaus produktive Updike seinen Glauben an die Literatur oder gar den Glauben an sichtbare und unsichtbare Schönheit an sich verloren? John Updikes Antwort auf diese Frage besteht aus dreihundert Seiten Literatur gewordener Melancholie und ist, gelinde gesagt, unbefriedigend. Denn mit Updikes Romanen ist es wie mit Qualitätsweinen: Nicht alle Jahrgänge sind gleich gut, aber völlig ungenießbar sind sie selten. Zu behaupten, "Sucht mein Angesicht" bilde eine Ausnahme und sei tatsächlich ungenießbar, wäre dem Autor gegenüber nicht ganz fair. Aber wirklich glücklich werden mit Updikes zwanzigstem Roman wohl nur wenige Leser.

    In "Sucht mein Angesicht" hat John Updike versucht, woran schon manche vor ihm gescheitert sind: Er wollte einen Künstlerroman schreiben. Wenn wir hier von Scheitern sprechen und manchen, die das getan haben, dann nicht im Zusammenhang mit klassischen Meisterwerken des Zwanzigsten Jahrhunderts wie James Joyce’s "Portrait of an Artist as a Young Man" oder "Doktor Faustus" von Thomas Mann. Wir sprechen davon im Zusammenhang mit Künstlerromanen jüngeren Datums wie Patrick Süskinds "Das Parfum" oder "Schlafes Bruder" von Robert Schneider. Dass die beiden Letztgenannten kommerzielle Großerfolge waren, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich dabei in literarischer Hinsicht um geradezu kriminell seichte Bücher handelt.

    Künstlerromane sind Einladungen zum Kitsch. Über nichts lässt sich so gefühlig daherreden wie über Kunst und die Menschen, die sich als Künstler verstehen. Vor allem die bildende Kunst wird regelmäßig zum Opfer wilder Projizierungen und das Innere von Malern, die Seele von Bildhauern zum Schauplatz genialischen Aufruhrs. Impressionistisch, expressionistisch, kubistisch, futuristisch, manieristisch – der musengeküsste Schriftsteller findet für jede Strömung ein psychologisches Pendant. Van Goghs Pinselstrich ist Ausdruck seines Wahns und die Sache mit dem Ohr erklärt sich daraus von selbst. Die Verschrobenheit der weiblichen Figuren auf Pablo Picassos Leinwänden verraten das unterwickelte männliche Ego des Künstlers, das, wie allgemein bekannt ist, Picasso im Übermaß kompensierte, indem er seine Geliebten öfter wechselte als seine Socken. Mit anderen Worten: Je größer der Schwachsinn, desto besser die Interpretation. Malen und Bildhauern sind Therapie für alle Beteiligten – für die, die es tun und für die, die die Ergebnisse schließlich besichtigen.

    Der Reiz, den bildende Kunst auf Literaten – und nicht nur auf sie - ausübt, basiert auf einem simplen Missverständnis: Der gängigen Überzeugung nach ist Kunst jedermann zugänglich. Das Betrachten eines Bildes setzt kein besonderes Wissen voraus. Man stellt sich davor hin, schaut es an und hat sofort eine Meinung. Während man ein Gedicht wenigstens lesen und sich ein Musikstück anhören muss, ist der Konsum von Kunst eine Sache von ein paar Sekunden. Theoretisch braucht man sich dafür nicht einmal mehr ins Museum zu bequemen. Man kann sich heute jederzeit praktisch jedes Kunstwerk per Mausklick auf den Computerbildschirm zuhause zaubern. Praktisch freilich beweisen die Massen, die sich überall auf dem Globus durch namhafte Institutionen wälzen, dass der Gang ins Museum sich ohnehin längst zum Breitensport entwickelt hat.

    Doch zurück zu John Updike. John Updike hat ursprünglich Kunst studiert und tritt heute in Publikationen wie "The New Yorker" und "The New York Review of Books" regelmäßig als Kunstkritiker in Erscheinung. "Sucht mein Angesicht" ist also keineswegs ein von einem Banausen imaginiertes Künstlerdrama, sondern das Werk eines Kenners. Trotzdem oder genau deshalb tappt dieser erfahrene Autor in zu viele der Fallen, die den Künstlerroman zu einem derart heiklen Genre machen.

    In "Sucht mein Angesicht" geht es um die Geschichte der amerikanischen Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg. Genauer, um die Auf- und Umbrüche in der amerikanischen Kunst der späten vierziger und fünfziger Jahre, um ihre Heroen, die Nachkommen und die Folgen. Erzählt wird diese Geschichte von Hope Chafetz, einer bald achtzigjährigen Dame, die als junge idealistische Malerin in New York in jenen Künstlerkreis fand, aus dem die Schule des abstrakten Expressionismus hervorgehen sollte. Erzählt wird von jener disparaten, aber überschaubaren Gruppe von Künstlern, die Mitte des letzten Jahrhunderts die amerikanische Kunst revolutionierten, indem sie, beeinflusst vom Surrealismus und von den Ideen des Existenzialismus, die Wichtigkeit des kreativen Akts über die des fertigen Objekt stellten: Jackson Pollock, Philip Guston, Mark Rothko, Barnet Newman et cetera. Was sie damals motivierte, erklärt Hope einmal wie folgt:

    "Wir waren nicht so sehr am Handwerklichen interessiert oder am abgeschlossenen Ergebnis, sondern vor allem daran: was tat das Bild für den Maler. Darum ging es damals, darüber haben alle geredet – das Ich zum Ausdruck bringen, es auf eine Leinwand bringen. Eben darum war abstraktes Malen so faszinierend, es war reines Ich."

    Hope Chafetz wird in ihrem Haus in Vermont von einer Kunsthistorikerin interviewt, die nicht einmal halb so alt ist wie sie selbst und sie einen verregneten Frühlingstag lang gnadenlos mit ihren Fragen löchert. Kathryn D’Angelo, so der Name der jungen selbstbewussten Frau aus New York, stellt für Hope eine neue Zeit dar, die Gegenwart, vor der sich Hope in die ländliche Abgeschiedenheit geflüchtet hat:

    " Es schiebt Hope einen Klos in den Hals, diesen aggressiven ungebetenen Gast hier zu haben, dies Mädchen mit dem großstadtblassen Gesicht und den dunkel lackierten Fingernägeln an den langen Händen und dem kompromisslos schwarzen Outfit. Es ist ein neues Jahrhundert – noch schrecklicher: ein neues Jahrtausend. Diese Jahrtausendwende ist für Hope eine große blinde Tür, die zugefallen ist, und dahinter ist ihr Leben weg gesperrt, wie ein Kind, das in einem vergessenen Kühlschrank erstickt."

    Auch fühlt sich Hope keineswegs geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die die neue Generation ihr schenkt:

    " Heutzutage wird von jedem erwartet, dass er sich auf Kommando nach außen stülpt, wie Impatientssamenkapseln, wenn man sie antippt, oder wie diese Mittelmeerpflanze, wie heißt sie, die mit den explodierenden Früchten, Spritzgurke."

    Doch während Hope noch ihren Spritzgurkengedanken nachhängt, arbeitet sich ihre Besucherin beharrlich zu ihrem Ziel vor. Ihr Interesse gilt hauptsächlich Hopes erstem Ehemann Zack McCoy, dem tragischen Helden des abstrakten Expressionismus, der 1956 im Alter von nur vierundvierzig Jahren betrunken gegen einen Baum raste und starb. Zack McCoy ist unschwer als Jackson Pollock zu erkennen. Hope selber trägt die Züge der Künstlerin Lee Krasner, Pollocks Ehefrau. Hopes zweiter Ehemann Guy Holloway ist eine Mischung aus Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Jasper Jones. Sie sind bei weitem nicht die einzigen historischen Figuren, die John Updike hier aufmarschieren lässt. Barnet Newman taucht als Bernie Nova auf, Willem de Kooning als Onno de Genoog, Mark Rothko als Ruk, Arshile Gorky als Korgi. Hinzu kommen Kritiker wie Clem alias Clement Greenberg und Galeristen wie Peggy alias Betty Parsons. Plump? Und wie. Aber bei einem versierten Schriftsteller wie Updike darf man annehmen, dass die Plumpheit beabsichtigt ist. Oder vielleicht doch nicht? Jedenfalls wirkt dieses ungelenke Namedropping eher peinlich als literarisch zwingend und trägt nicht unbedingt zur Plausibilität der Figuren bei.

    Gleich zu Beginn räumt John Updike ein, eine Menge Material für diesen Roman der Biografie "Jackson Pollock: An American Saga" von Steven Naifeh und Gregory White Smith entnommen zu haben sowie der von Clifford Ross herausgegebenen Anthologie "Abstract Expressionism: Creators and Critics". Noch einmal also: "Sucht mein Angesicht" ist nicht das Werk irgend eines übereifrigen Ignoranten, der den Kunstkonsum als Hobby betreibt. Updike hat sich sein Leben lang mit Kunst auseinander gesetzt und kennt sich hervorragend aus. Aber genau darin liegt das Problem. Dieser Roman ist ein merkwürdiger Verschnitt aus Fiktion, kunsthistorischer Abhandlung und ästhetischem Bekenntnis.

    Da ist die mit Fakten durchwirkte Fiktion: Hope, die widerwillig in ihren Erinnerungen kramt und der neugierigen Person in ihrem Wohnzimmer verrät, wie es war, damals, als sie Zack vor dem vorzeitigen Ende im Suff bewahrte und mit ihm von New York weg nach Long Island zog. Wie sie ihn zu seinen revolutionären Tropfbildern ermutigte, was für ein Mensch er war, das Malergenie, größenwahnsinnig in seiner Verzweiflung und so oft hilflos wie ein Kind. Dann Guy, der erfolgreiche Tausendsassa, mit dem Hope drei Kinder hatte, der sie nach siebzehn Ehejahren wegen einer anderen sitzen ließ und nun mit Alzheimer vor sich hin dämmert. Schließlich Jerry, der dritte Ehemann, ein Sammler, mit viel Geld und noch mehr Herz, mit dem Hope das Leben endlich genießen konnte, der nun aber auch nicht mehr an ihrer Seite weilt. Fiktiv sind der Dialog und der innere Monolog, in denen Hope Chafetz das Bild einer vergangenen Epoche heraufbeschwört. Fiktiv sind der Thunfischsalat und das Erdnussbutterbrötchen, die Hope ihrem mageren Gast in den Gesprächspausen aufnötigt.

    Real und übermächtig sind dagegen die Gestalten, denen die Protagonisten dieses Romans nachempfunden sind. Es gelingt Updike nicht, diese Spekulation auf dreihundert Seiten aus dem Schatten der Wirklichkeit ins Reich der Literatur zu rücken. Wobei besagte Wirklichkeit ihrerseits aufgehört hat, eine zu sein, zumal Künstler wie Pollock und Warhol zu den ersten ihrer Zunft gehörten, die mit und ohne eigenes Zutun zu Medienereignissen stilisiert wurden. Sie haben sich längst von Menschen in Mythen verwandelt.

    Wohl um diesen Mythen ihre Bedrohlichkeit zu nehmen, durchsetzt Updike seinen Text mit ausgedehnten Passagen über Dinge des täglichen Lebens. Hier eines von Hopes stillen Selbstgesprächen:

    " Um diese Zeit darf man Gartenabfälle verbrennen. Wenn das Mädchen doch nur bald ginge! Hope könnte dann noch eine Stunde im Freien verbringen und tote Zweige aufsammeln – die Buchen und die Hickorys werfen in einem fort Zweige ab – und sie zum Reisfeuer tun, das Jason Warren kommenden Samstag anzünden will, wenn es nicht zu windig ist. Er gehört zwar zu den Männern, denen Frauen immer im Weg sind, sonderbare zweibeinige unaufhörlich redende Tiere, die man jetzt sogar schon auf den Berghängen antrifft, aber es gefällt Hope trotzdem, bei ihm zu stehen und alte Staudenstäbe und trockene Stängel und Strünke zu seinem lodernden Feuer beizusteuern und die Hitze in ihrem Gesicht zu fühlen, die stark genug ist, ihr die Brauen zu versengen, wären von ihren Brauen nicht schon seit langer Zeit nur mehr wenige dünne Härchen übrig. Bis zu ihrem siebzigsten Geburtstag hatte sie nahezu die gesamte Gartenarbeit allein bewältigt."

    Der Natur, sowohl der domestizierten als auch der undomestizierten, widmet sich Updike in diesem Roman überhaupt mit der Detailfreudigkeit eines Freizeitgärtners. Ausführlich erörtert wird aber auch das Verschwinden öffentlicher Trinkbrunnen, die Herkunft und das Aussehen von Großvater Ouderkirks kariertem Sessel, das Angebot eines Gemischtwarenladens vor fünfzig Jahren. Es wird kurz ausgeholt in die Geschichte Long Islands und die Zubereitung von Tee wird geschildert vom Füllen des Teekessels mit Wasser, über das Entfachen des Gasherdes bis zu dem Moment, wo die mit Papageien verzierten Tassen zum Abtropfen ins Gitter neben dem Spülbecken gestellt werden.

    Hopes Gedanken mäandern vom Gestern ins Heute und wieder zurück. Von den wilden Partys damals in New York in der Loft der "Artists Union" zu den Ritualen, die Hopes gegenwärtiges Leben beschaulich, wenn auch ein bisschen langweilig machen. Von einem Grauhörnchen, dass sie während des Gesprächs durchs Fenster beobachtet, zurück zu dem Tag, als sie sich als Sechzehnjährige beim Skifahren in den Poconos das Schienbein brach. Diese assoziative Erzählweise hat über die ersten dreißig, vierzig Seiten hinweg durchaus ihren Reiz. Schließlich ist dies ebenso sehr ein Buch über einen bestimmten Moment in der amerikanischen Kunstgeschichte wie eines über das Alter und das Wesen der Erinnerung. So philosophiert Hope einmal, während sie Kathryn vergeblich zum Essen zu animieren versucht:

    " Sie sind alt und gebrechlich, das sagt {Kathryn} nicht, und haben so wenig Vergnügungen außer Essen. Essen und Sicherinnern. Was nur ist es, in unserer Vergangenheit, das wir unbedingt wieder finden wollen, etwas Wunderbares, das zu erkennen wir zu töricht waren und über das wir hinweggetrampelt sind in unserer Hast, die Tage zu leben, die Tage, die, sobald sie vorüber sind, die Majestät ewiger Zeugenschaft erlangen – ich war da, ich tat dies, die Zeiten waren so und so, ich war schön und erfüllt von meinen Möglichkeiten, meiner großen Zukunft?"

    Derlei Exkurse sind zwar nicht besonders originell, aber eine willkommene Abwechslung, wenn Hope sich wieder einmal in Belanglosigkeiten zu verlieren droht. Die Anhäufung von Banalitäten wirkt dadurch allerdings nicht weniger irritierend.

    Updikes Figuren entwickeln in diesem Roman kein Eigenleben, weil sie nur über die Accessoires eines Eigenlebens verfügen. Im Falle von Künstlern besteht dies aus Saufen:

    " Es kam zu Zusammenbrüchen, manchmal bei einer der Dinnerpartys, die sie mit so viel Umsicht arrangierte, manchmal bei einem Aufenthalt in New York, wo das Gefühl, im Rampenlicht zu sehen, umgeben zu sein von gleißender Helle und von Reichtümern, die winkten, nun da die Nachkriegsprosperität sich auch auf den Kunstmarkt auswirkte, Zack in Panik versetzte und er in die dunklen Tiefen einer Bar flüchtete und sich erst aufspüren ließ, wenn er volltrunken war und zotige Gemeinheiten lallte. Er war stolz darauf, nach jedem Besäufnis, und sei es noch so entwürdigend gewesen, mit intakter männlicher Energie aufzuwachen, hungrig aufs Frühstück und frei von jeglicher Haftung, sein Bettnässen für ihn eine Entlastung, eine Freisprechung, eine Neufassung eines Vertrags mit der Erde."

    Sex:

    " Mich nackt zu sehen, hat meist schon genügt. Es lag damals nicht so eine Betonung auf oral und anal, wie es das heute tut, aber er ist gern von hinten in mich gekommen, das schon. Beim Geschlechtsverkehr, wenn Sie’s denn unbedingt wissen müssen, benutzte ich ein Pessar und musste im Voraus abschätzen, ob und wann ich es wohl brauchen würde, was ein bisschen demütigend war."

    Und kreativen Attacken. Wann er mit dem Dripping angefangen habe, will Kathryn an einer Stelle wissen. Hope antwortet:

    " Ausschlaggebend war die Scheune und dass sich ein Atelier aus ihr machen ließ(…)Vorher hatte er nie einen Fußboden gehabt, der sich von der Größe her für diese Arbeitsweise geeignet hätte.(…)…sowie er die Leinwand mit Klebeband am Scheunenboden befestigt hatte, konnte er von allen Seiten attackieren. Wenn man die Farbe nicht bloß tropfen ließ, sondern sie verspritzte, kam man bis in die Mitte der Leinwand(…)…Zack bestand immer darauf, dass es nichts Zufälliges an seinem Dripping gebe, dass alles bis ins Kleinste von ihm beabsichtigt sei. Schon wahr, er lernte gerade, wie er die Farbe verdünnen musste und welche Werkzeuge – Stöcke, eingetrocknete Pinsel, diese langen Glasröhren, mit denen man den Truthahn im Ofen begießt – er zu was benutzen konnte. Vor ihm hatte noch nie jemand solche Fähigkeiten beherrschen müssen(…)"

    Obgleich sich John Updike sichtlich darum bemüht, Pathos zu vermeiden und Hope mit einer gesunden Portion Selbstironie ausstattet, durchzieht diesen Roman eine säuerliche Nostalgie. Man hört die Klage: Die Unkorrumpierbarkeit, die Reinheit der Kunst – irgendwo auf der Strecke geblieben auf dem Weg in den totalen Kommerz. Die Gewalt des schöpferischen Aktes – ridikülisiert durch die Performances zeitgenössischer Künstler. Angewidert äußert sich Hope an ein einer Stelle über…

    " …diese ganze Schweinigelei: eine junge Frau zieht sich nackt aus und tunkt ihre langen Haare in eine Farbdose – Latexfarbe, möchte ich hoffen - und kriecht rückwärts auf einem langen Papierstreifen entlang, um den Monatsfluss zu symbolisieren oder die einspurige sexistische männliche Denkweise oder was immer."
    Dagegen der große Zack…

    " …diese Tanzbewegungen, die er machte, wenn er ganz für sich war, führten zu einem Ergebnis hin, zu einem unendlich herrlichen abstrakten Gemälde, so explosiv und fein gesponnen und leer und voll wie der Kosmos selbst."

    Ach ja.

    Das Argument, bei diesen Aussagen handle es sich um die einer Romanfigur und nicht um die des Autors, gilt in diesem Fall nicht. Man braucht bloß zwei, drei Kunstkritiken John Updikes zu lesen, um zu erkennen, dass er einen konservativen, um nicht zu sagen reaktionären Kunstbegriff pflegt. Dies ist an sich noch kein Verbrechen, schon gar kein literarisches. Doch hier versucht Updike eine Kunstform durch eine andere auszudrücken – bildende Kunst durch Literatur - und landet dabei in genau demselben Kitsch, wie irgendein kunsthistorisch weit weniger bewanderter Phantast. Die Bankrotterklärung der zeitgenössischen Kunst mag man unterschreiben oder nicht. Dass aber ausgerechnet dieser Autor in romantischer Verklärung versinkt und ein Buch mit dem Gedankengewusel eines faktisch-fiktiven Zwitterwesens füllt, das ist doch sehr schade. Auf dass der nächste Jahrgang wieder besser schmecke.

    John Updike: Sucht mein Angesicht. Roman. Aus dem Amerikanischen von Maria Carlsson. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 315 Seiten. 19.90 Euro.