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Heiler oder Giftzwerge?

Technik. - Nanotechnologie ist einer der großen Wachstumsmärkte der kommenden zehn Jahre. Allerdings ist noch nicht gründlich erforscht, ob die zukunftsträchtigen Partikel nicht auch Nachteile haben. Heiler oder Giftzwerge, so lautet die Frage, die zurzeit auf einer Konferenz in Washington gestellt wird.

Von Arndt Reuning | 29.02.2008
    Dass sie so winzig sind, das macht Nanoteilchen überaus attraktiv für viele Anwendungen in der Medizin. Kleine Kügelchen aus Kunststoff zum Beispiel können an ihrer Oberfläche mit bestimmten Molekülen bestückt werden, die einen Tumor erkennen, dort an den Krebszellen andocken und dann gezielt nur das kranke Gewebe abtöten. Die Nanopartikel sind in diesem Fall Transportmittel und Wirkstoffspeicher in einem. Scott McNeil vom National Cancer Institute in Frederick untersucht die Nebenwirkungen solcher Stoffe. McNeil:

    "”Das ist eine Kosten-Nutzen-Abschätzung. In manchen Fällen werden die Nanoteilchen nicht so schnell ausgeschieden wie andere, klassische Medikamente. Bei denen dauert das manchmal von einigen Minuten bis zu einer Stunde. Die Nanopartikel bleiben vielleicht für Stunden, Tage, Wochen im Körper. Das heißt nicht ungedingt, dass sie dort Schaden anrichten. Wir erforschen gerade, ob diese Verweildauer irgendwelche schädlichen Auswirkungen hat.""

    Einfache Antworten gibt es hier meistens nicht. Denn Nanoteilchen ist nicht gleich Nanoteilchen. Es gibt Kunststoffkügelchen, Fußbälle und Röhrchen aus Kohlenstoff, verzweigte Riesenmoleküle und mehrschichtige Schalen. Und auch die verschiedenen Eigenschaften sind kaum zu überschauen. Die Größe, die Löslichkeit, die Oberflächenladung und so weiter. Sie alle können einen Einfluss haben auf die Nebenwirkungen. McNeil:

    "Man kann das Risiko sicher reduzieren. Es ist allgemein bekannt, dass positiv geladene Teilchen für Körperzellen giftig sind. Wir können die Nanopartikel dann so herstellen, dass sie weniger positiv geladen sind. Und dadurch können wir die giftigen Eigenschaften unseres Teilchens reduzieren."

    Die Giftigkeit wird zum Beispiel mit Hilfe von Zellkulturen im Reagenzglas ermittelt. Oder auch durch Versuche an Mikroorganismen oder größeren Tieren, wie etwas Zebrafischen oder Mäusen. Allerdings lassen sich die Ergebnisse nur bedingt miteinander vergleichen. Was oft daran liegt, dass die Proben zu uneinheitlich sind oder dass es kaum Standard-Materialien gibt. Und dass Testroutinen noch nicht einander angeglichen sind. Neue Methoden allerdings brauchen die Forscher nicht, glaubt der Toxikologe George Burdock, der in Florida ein Beratungsbüro leitet.

    "Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche ausgefallenen Testmethoden brauchen, um zu entscheiden, ob ein Nanoteilchen gefährlich ist. Die etablierten Labormethoden reichen da aus. Die wirklich neue Technologie, die wir brauchen, ist die zum Charakterisieren der Partikel. Es gibt mindestens fünfzig charakteristische Eigenschaften von Nanoteilchen. Und unsere Hauptaufgabe besteht darin herauszufinden, welche davon am wichtigsten ist, um die Substanz zu beschreiben."

    Die Nanotechnologie könnte zu den zukünftigen Schlüsselwissenschaften zählen. Und ganz neue Märkte erschließen. Die amerikanische Nationale Wissenschaftsstiftung NSF schätzt, dass im Jahr 2015 weltweit Güter für eine Billion US-Dollar umgesetzt werden, die Nanotechnologie enthalten. Gerade deshalb ist so wichtig, auch die Risiken zu kennen, so die Anwältin Susan Brienza von der Kanzlei Patton Boggs LLP.

    "”Sollte es auch nur einen großen Unglücksfall geben in Zusammenhang mit einem Nanotechnologie-Medikament, dann würde das die gesamte Nanotech-Industrie lähmen. Es würde alle beschädigen: die Behörden, die Regierung, die Hochschulen und die Einrichtungen für Forschung und Entwicklung.""