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Heiliger Boden in New York?

Auf dem Gelände des "Ground Zero" in New York soll nach dem Willen der Interfaith Community ein islamisches Kulturzentrum entstehen. Das ruft insbesondere bei den Angehörigen der Opfer des 11. September Widerspruch hervor.

Von Gerti Schön | 27.07.2010
    Auf einer Protestveranstaltung gegen die geplante Moschee nahe Ground Zero kochen die Emotionen hoch. Eine Diskussionsteilnehmerin, die das Foto ihres am 11. September 2001 ums Leben gekommenen Sohnes vor sich her trägt, sagt sie sehe in dem Vorhaben einen Affront gegen gute Sitten und jeden Respekt.
    Die Angehörigen der Opfer des 11. September sind mit ihrer Empörung nicht allein. Einige Anwohner des geplanten Zentrums haben sich gegen den Plan ausgesprochen, weil sie befürchten, dass damit dem islamischen Fundamentalismus in die Hände gespielt werden könnte. Und die Republikanische Partei nutzt die Diskussion zu Propagandazwecken und hat gar einen Werbespot geschaltet, in dem Ground Zero "heiliger Boden" genannt wird.
    Die Organisatoren des geplanten islamischen Kulturzentrums, das Cordoba Haus genannt wird, sehen dies freilich völlig anders. Der Imam Faisal Abdul Rauf und seine Frau Daisy Khan sind beide seit Jahren in der Interfaith Community aktiv, also einer religiösen Gemeinde in Manhattan, die dazu beitragen will, alle Religionen friedlich zusammenzubringen. Das betont Daisy Khan auch im Zusammenhang mit dem Cordoba Haus:
    "Unsere Religion ist von den Extremisten des 11. September gefangen genommen worden und dieses Zentrum soll die Stimme der moderaten Moslems repräsentieren. Wir müssen die Tragödie von 2001 in etwas Positives verwandeln. Das Zentrum soll für alle da sein, nicht nur für Moslems. Wir wollen, dass dort Musik- und Theaterveranstaltungen stattfinden, Diskussionsreihen, Sport und auch Hochzeiten. Wir brauchen außerdem dringend Platz für das Gebet."
    Die Protestbewegung gegen das Zentrum hat keineswegs die Oberhand. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg hat bereits grünes Licht dafür gegeben. 46 Prozent aller Bewohner Manhattans haben sich in einer Umfrage für das Zentrum ausgesprochen und nur 36 Prozent dagegen. Die lokale politische Organisation, das Community Board für Lower Manhattan, wo Ground Zero angesiedelt ist, stimmte in einer Versammlung einstimmig für das Vorhaben. Und Andrew Cuomo, demokratischer Politiker im Staat New York, will sich in die Diskussion mit Hinweis auf die Religionsfreiheit überhaupt nicht einmischen:
    "Wir glauben an die Religionsfreiheit, wo Regierungsbehörden nicht bestimmen dürfen, wo sich welche Religionen ansiedeln dürfen."

    Noch unbeantwortet ist die Frage, woher die 100 Millionen Dollar an Spenden kommen, die für die Einrichtung des Zentrums veranschlagt werden. Der republikanische New Yorker Politiker Rick Lazio fordert eine Untersuchung der finanziellen Struktur des Projekts und spielt damit auf die Möglichkeit an, das Zentrum werde von Terroristen unterstützt.

    Dabei ist New York keineswegs die einzige Stadt Amerikas, wo es Auseinandersetzungen um die Einrichtung islamischer Religionszentren gibt. Nach einer Studie von Akbar Ahmed, Professor für Islamstudien an der American University, trifft eine solche feindliche Haltung Moslems in ganz Amerika:

    "Die Ergebnisse zeigen, dass es eine Menge Angriffe gegen islamische Einrichtungen gibt, und damit meine ich nicht unbedingt gewalttätige Attacken, sondern, dass die Leute Druck ausüben, etwa in Form von Telefonanrufen, Protesten oder auch, indem man Hakenkreuze an Moscheen schmiert. Diese Vorfälle passieren immer häufiger, das hat nach dem 11. September eklatant zugenommen. Die islamischen Gemeinden müssen da mehr tun, um diesen Vorurteilen zu begegnen."

    Der Streit um die New Yorker Moschee hat indessen eine neue Protagonistin angezogen: Sarah Palin, die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin, äußerte sich dazu über das Minimal-Medium Twitter. Sie plädierte in einem Appell an die islamische Gemeinde dafür, ihre Pläne aus Respekt für die Familien des 11. September fallen zu lassen. Ihre Äußerung ging freilich nicht ohne den gewohnten inhaltlichen Aussetzer über die Bühne: Ähnlich wie es vor ihr schon George Bush zu tun pflegte, verband sie dabei mehrere Vokabeln zu einem sinnlosen Wortsalat. Ihren Patzer eingestehen wollte sie freilich nicht. Stattdessen verglich sie sich angesichts ihrer unfreiwilligen Wortkreation mit William Shakespeare.