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"Magdalene" von FKA Twigs
Heiliges Leiden

"Magdalene" ist das zweite Album der Britin Tahliah Debrett Barnett alias FKA Twigs. In ihren experimentellen und zugleich eingängigen Songs setzt sie sich mit der biblischen Figur der Maria Magdalena auseinander, die zu einer Projektionsfläche für feministische Anliegen wird.

Ein Beitrag von Amy Zayed | 09.11.2019
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Musikalisch und modisch eigen: FKA twigs (Matthew Stone)
"Es ist diese Dualität, die mich an Maria Magdalena so reizt. Ich beschreibe sie als die jungfräuliche Prostituierte. Sie war neu, sie war frisch, innovativ, sie hatte Macht, und doch war sie eine Verführerin, jemand, der sich seiner Sinnlichkeit vollkommen bewusst war. Diese Vorstellung hat mir sehr geholfen, als ich in den letzten Jahren eine ganz schlimme Zeit hatte. Die Vorstellung, dass wir Frauen beides sein können: Eine Jungfrau und eine Hure. Eine Art heilige Prostituierte."
Sakrale Klänge und R&B-Elemente
Und genau diese Gegensätze zeichnen sich auch in FKA Twigs’ Musik ab: Sakrale Klänge vermischen sich mit R&B-Elementen. Man hört Streicher, eine Orgel und Arrangements, die stellenweise sogar an einen Fantasy-Film-Soundtrack erinnern. Außerdem geht die Sängerin nach ihrer Zusammenarbeit mit A$AP Rocky erneut eine Liaison mit einem Rapper ein. Zusammen mit Future hat sie die Single "Holy Terrain" aufgenommen.
"'Holy Terrain' war der letzte Song, den ich für das Album geschrieben habe, und das hört man auch. Im Video kommen alle diese Frauen zusammen und manifestieren diese Energie, diesen Gedanken, dass es einen Partner für uns geben kann, der stark und großartig und selbstbewusst ist, und trotzdem damit klarkommt, eine ebenbürtige, genauso großartige Partnerin an seiner Seite zu haben."
Weiblicher Schutzpatron der Frauen
Die Arbeit an "Magdalene" begann in den USA, wo FKA Twigs bis vor Kurzem noch lebte. Dort konzipierte sie eine gleichnamige Bühnenshow für ihre Live-Konzerte. Da kam ihr zum ersten Mal die Idee, mit der Figur der Maria Magdalena zu experimentieren. Und je mehr sie sich mit ihr beschäftigte, desto mehr inspirierte sie die neu-testamentarische Gestalt, die an der Seite von Jesus Christus stand und auch Zeugin seiner Auferstehung war. Neben biblischen Überlieferungen studierte die Sängerin auch esoterische Interpretationen ihres Lebens. Texte, in denen Magdalena als eine Art Wunderheilerin dargestellt wurde und als weiblicher Schutzpatron der Frauen.
"Früher haben sich Frauen nach dem Mond orientiert, haben um ihn getanzt. Der Mond und unser Unterleib sind miteinander verbunden. Aber wir Frauen verpönen das, finden es peinlich über sowas zu reden. Es ist Esoterik-Kram. Dabei ist es nur etwas, was wir verlernt haben zu verstehen. Es ist kein Zufall, dass die vier Mondphasen 28 Tage dauern, genausolang wie der weibliche Zyklus. Man hat uns weisgemacht, dass es falsch ist, diese Dinge zu wissen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die schlimme Verfassung, in der unser Planet heute ist, damit zusammenhängt, dass uns dieses matriarchalische Wissen verlorengegangen ist."
"Magdalene" versinnbildlicht den Versuch, dieses Wissen wieder zurückzuholen. Gleichzeitig ist das Album auch ein feministisches Statement, eine weibliche Unabhängigkeitserklärung und ein intimer Einblick in die persönliche Gefühlswelt der Sängerin, die sich vielleicht selbst in Maria Magdalena wiederzuerkennen glaubt. Schließlich ist Twigs auch eine polarisierende Außenseiterin, der mit "Magdalene" ein modernes R’n’B Album zwischen Experiment und eingängigem Pop gelungen ist.