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Heils "Arbeit von morgen“-Gesetz
"Ein Akt verzweifelter Wahlpropaganda"

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach hat die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil zum Schutz von Arbeitnehmern vor Konjunkturkrisen kritisiert. Man müsse eher das Wachstum fördern, statt den Staat auf die Rolle als Reparaturbetrieb zu beschränken, sagte er im Dlf.

Hans Michelbach im Gespräch mit Christine Heuer | 13.08.2019
Der CSU-Politiker Hans Michelbach
Der CSU-Politiker Hans Michelbach ist Unions-Obmann im Finanzausschuss (imago stock&people)
Christine Heuer: Die SPD hat sich etwas Neues ausgedacht: das "Arbeit von morgen"-Gesetz. Hubertus Heil hat es erfunden und gestern Abend auf seiner Sommerreise im rheinland-pfälzischen Herxheim Journalisten vorgestellt.
Ich habe über das Thema vor einer guten Stunde mit Hans Michelbach gesprochen von der CSU. Er ist Unions-Obmann im Finanzausschuss. Meine erste Frage an Hans Michelbach: Daumen hoch oder Daumen runter für Heils Versprechen?
Hans Michelbach: Der Bundesminister Heil verfolgt nach meiner Ansicht einen falschen Ansatz, wie wir einen Konjunktureinbruch verhindern können. Er will sozusagen den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Zunächst gilt es gegenzusteuern und neue Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen, anstatt einen staatlichen Reparaturbetrieb aufzurufen, so wie er das mit dem Kurzarbeitergeld vornimmt. Niemand will in Kurzarbeitergeld gehen, sondern es muss verhindert werden, dass eine solche Entwicklung entsteht. Darum geht es letzten Endes. Wir sind im internationalen Standortwettbewerb zurückgefallen. Das wieder zu verändern, ist ein wesentlicher Beitrag dafür, Arbeitsplätze zu sichern und damit die Beschäftigung in unserem Land, die Rekordbeschäftigung aufrecht zu erhalten und nicht Reparaturbetrieb zu spielen. Darum geht es letzten Endes.
"Ich sehe den Handlungsbedarf überhaupt nicht"
Heuer: Aber, Herr Michelbach, man kann doch das eine tun, ohne das andere zu lassen. Es geht Herrn Heil ja um den Ausnahmefall, um Konjunkturkrisen. Muss man darauf nicht vorbereitet sein?
Michelbach: Nein! Wir müssen alles dafür tun, zunächst einmal das zu verhindern, wie jetzt schon einen Reparaturbetrieb aufzurufen, der natürlich immer die zweitbeste Lösung nur ist. Wir haben ja auch bestehende Regelungen zum Kurzarbeitergeld, die sich bewährt haben, gerade auch bei der Bewältigung der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Die Notwendigkeit einer Änderung, die vermittelt sich mir überhaupt nicht. Ich bin der Auffassung, Heils Initiative klingt allzu sehr nach einem Akt verzweifelter Wahlpropaganda im Vorfeld der drei Landtagswahlen in Ostdeutschland. Ich sehe den Handlungsbedarf überhaupt nicht. Anstatt man sich auf die politischen Rahmenbedingungen konzentriert, dass wir die sich abzeichnenden Konjunktureinbrüche frühzeitig gegensteuern und damit das andere obsolet machen. Unabhängig davon haben wir ja die Regelung zum Kurzarbeitergeld.
Heuer: Sie sagen, dieses neue Gesetz von Herrn Heil, das braucht man nicht.
Michelbach: Das braucht man nicht und er sagt ja auch gar nicht, wie seine Pläne finanziert werden sollen. Das lässt er alles im Unklaren.
Heuer: Ja, und das ist genau meine Frage an Sie, Herr Michelbach. Haben Sie eine Vorstellung, was das so kosten würde, was der Herr Heil sich da ausgedacht hat?
Michelbach: Der Herr Heil macht nur Vorschläge ohne Kostendeckung. Ob das jetzt bei der Grundrente ohne Bedarfsprüfung ist, oder was auch immer - er sagt nie, was es kostet, und genau das ist jetzt wieder so ein Luftballon, ohne dass man Zahlen kennt. Ich kann nur sagen, das ist Politik, die so eigentlich nicht akzeptabel ist. Ich gestehe gerne jedem zu, dass er Vorschläge macht, aber die Vorschläge sollten doch substanziell sein. Wir müssen Wachstum fördern, statt den Staat auf die Rolle als Reparaturbetrieb zu beschränken, und wir müssen alles daran setzen, dass die SPD die Erkenntnis bekommt, dass wir uns natürlich in Deutschland Reformen nicht verweigern dürfen und dementsprechend neue Impulse in der politischen Landschaft setzen.
"Reform der Einkommenssteuer und auch der Unternehmenssteuer"
Heuer: Jetzt könnte man aber auch sagen – und die SPD wird das im Zweifel tun, Herr Michelbach -, die Staatstöpfe sind gut gefüllt und da schadet es überhaupt nicht, für den Notfall, für Rezessionen möglicherweise, vor denen ja inzwischen auch Ökonomen warnen, für diesen Fall vorzusorgen. Gucken Sie zu sehr auf die schwarze Null in der Union?
Michelbach: Nein! Erstens mal ist die schwarze Null immer ein Vorteil für Wachstum und Glaubwürdigkeit und Vertrauen, für Investitionen und Beschäftigung in der Zukunft. Zweitens ist es ja so, dass wir, wie Sie sagen, Rekordeinnahmen beim Staat haben, und deswegen ist die Steuerbelastung natürlich auch sehr hoch und hier braucht es eine Reform der Einkommenssteuer und auch der Unternehmenssteuer, die hundertprozentige Abschaffung des Soli, um hier die Reformen impulsbringend mit Anreizen, mit steuerlichen Anreizen auf den Weg zu bringen. Daraus wird Wachstum und Beschäftigung. Daraus wachsen Investitionen. Diese Erkenntnis, da verweigert sich die SPD leider, und das ist das Problem dieser Koalition im Moment.
Heuer: Aber selbst führende Wirtschaftsverbände sehen das inzwischen anders als die Union. Zum Beispiel ist das Institut der deutschen Wirtschaft für eine Aufweichung der Schuldenbremse – dafür, dass der Staat mehr investiert. Sind Sie in CDU und CSU mit Ihrem Sparwillen nicht inzwischen ziemlich isoliert?
Michelbach: Nein. Der Herr Hüther vom Deutschen Institut für Wirtschaft hat das als Einzelmeinung herausgegeben in der letzten Woche. Er hat das auch nicht mehr erneuert und nicht bestätigt. Es ist einfach falsch, die schwarze Null aufzulösen, weil das ein Markenzeichen für eine Stabilitätspolitik ist. Was wird in Europa, im Euroraum geschehen, wenn Deutschland die schwarze Null aufgibt? Dann wird es natürlich in den südeuropäischen Ländern einen Wegfall der Stabilitätskriterien geben. Die werden Schulden ohne Ende machen und zum Schluss bleibt die Schulden- und Transferunion.
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, sitzt zu Beginn einer Kabinettssitzung am 22.05.2019 im Bundeskanzleramt. 

"Arbeit von morgen“-Gesetz Notwendig zur Bewältigung des allgegenwärtigen Strukturwandels
Bundesarbeitsminister Hubertus Heils vorgelegtes Gesetz zum Schutz von Arbeitnehmerinteressen im Falle einer Wirtschaftskrise sei der Beleg einer kleinen Lernkurve, kommentiert Volker Finthammer. Denn die Bundesregierung reagiere, bevor das Kind in den Brunnen gefallen sei.
"Wir brauchen keine neuen Steuern"
Heuer: Wir in Deutschland sparen dafür, dass Griechenland stabil bleibt?
Michelbach: Nein. Wir sparen für uns selbst, weil Stabilitätspolitik immer auch Wachstumspolitik, Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeitspolitik für die Zukunft ist und Vertrauen, Glaubwürdigkeit in einen Wirtschaftsstandort nur entsteht, wenn nicht immer wieder neue Schulden gemacht werden. Wir haben ja genug Schulden im Übrigen und haben 240 Milliarden allein durch die Niedrigzinsen beim Staat eingespart. Das war ja alles sinnvoll und hat zu dieser guten Konjunkturentwicklung geführt, die wir jetzt hatten.
Heuer: Herr Michelbach, nun spricht Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Chefin, schon von der grünen Null. Auch Klimaschutz soll zum Nulltarif gehen. Angesichts neuer Herausforderungen und auch großer Herausforderungen – gaukeln Sie dem Bürger da nicht ganz schön was vor, dass man trotzdem weiter sparen kann und alle Aufgaben schultert, zum Beispiel diese immense Aufgabe, mehr für den Klimaschutz zu tun?
Michelbach: Die Erkenntnis, dass mehr für den Klimaschutz gemacht werden muss, ist richtig. Aber wir haben sehr, sehr viele Möglichkeiten, ein Gesamtkonzept auf den Weg zu bringen. Das beinhaltet eine Veränderung im Bereich der Steuern, wo Anreize für den Klimaschutz geschaffen werden. Wir haben eine Stromsteuer, eine Ökosteuer, wir haben eine EEG-Umlage, wir haben Benzinsteuer, Dieselsteuer, Heizölsteuer, Kfz-Steuer. All das kann Klimaschutz behilflich geändert werden, um letzten Endes hier die richtigen Anreize zu schaffen. Wir brauchen keine neuen Steuern. Wir brauchen nur den Umbau und die Veränderung unserer Steuern, um hier Klimaschutz zu betreiben.
"Es geht eigentlich nur um die Verhetzung in der Gesellschaft"
Heuer: Sie haben vorhin gesagt, Sie sind für eine Reform der Steuern. Ich habe das so verstanden, dass Sie eigentlich am liebsten die Steuern senken würden. Von Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD kommt nun der gegensätzliche Vorschlag. Er sagt, zum Beispiel könne man den Soli ja ganz abschaffen, aber dann müsse man die Steuern, die Einkommenssteuern für Spitzenverdiener erhöhen. Schlagen Sie da ein, Herr Michelbach? Geht das?
Michelbach: Das ist ja die alte Milchmädchenrechnung und der Versuch, die Gesellschaft zu spalten. Wir haben ja die Situation: Die Leute, die dann noch Soli zahlen sollen, die sind ja schon in der Höchststeuer-Belastung. Wir haben ja eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und diese Leute tragen über 50 Prozent der gesamten Steuerlast. Das heißt, wir haben zehn Prozent der Steuerzahler, die über zehn Prozent der Steuerlast beitragen, und warum man die letzten Endes verfassungswidrig nach meiner Ansicht einfach noch mal an den Pranger stellen will, obwohl sie schon den höchsten Beitrag leisten, das versteht niemand. Es geht eigentlich nur um die Verhetzung in der Gesellschaft, dass man Leute an den Pranger stellt, denn alles andere bringt keinen Sinn.
Wir haben einen Solidaritätszuschlag, der für alle gegolten hat, nach der Besteuerung, nach der Leistungsfähigkeit, und deswegen, wenn man den abschafft, muss man auch alle letzten Endes an diesem Abbau beteiligen. Alles andere ist auch nach meiner Ansicht verfassungswidrig.
Heuer: Herr Michelbach, Sie streiten als Union mit der SPD, mit dem Koalitionspartner eigentlich so gut wie über alles, über den Soli, die Steuern, die Grundrente, übers Sparen oder übers Ausgeben, jetzt auch über die Kurzarbeit. Sie haben viel geschimpft in unserem Gespräch jetzt auf die SPD. Was hält Sie eigentlich mit den Sozialdemokraten noch in dieser Koalition?
Michelbach: Ich kann klar sagen, dass eine falsche Politik sich natürlich auch dann rächt, und die Initiativen klingen sehr nach einem Akt verzweifelter Wahlpropaganda im Vorfeld der Landtagswahlen in Ostdeutschland. Gute Politik hat auch einen Weg der Vernunft, der Ordnungspolitik, der sozialen Marktwirtschaft, und deswegen kann man jetzt nicht laufend in irgendwelche Töpfe springen, die gar nicht die Nachhaltigkeit erreichen. Ich habe immer die Hoffnung, dass nach den Wahlen die SPD auf den Weg der Vernunft zurückkommt. Aber wir können nicht falsche Antworten geben, die zum Schluss nur neue Schulden hervorrufen, ohne dass mehr Wachstum und Beschäftigung entstanden ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.