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In der marokkanischen Hauptstadt Rabat findet derzeit die erste euro-afrikanische Konferenz über Migration und Entwicklung statt. Es soll ein Aktionsplan verabschiedet werden, der das europäische Ziel der Bekämpfung der illegalen Migration mit dem afrikanischen Wunsch nach mehr legalen Möglichkeiten der Abwanderung vereinbaren soll. Gefragt sind Lösungen, die allen zugute kommen: Den Zielländern, aber auch den illegalen Einwanderern, von denen viele Unternehmer profitieren - denn sie sind billige Arbeitskräfte. Hans-Günter Kellner hat in Madrid recherchiert.

11.07.2006
    Auf rund eine Million schätzen Migrationsexperten die Zahl der illegal in Spanien lebenden Migranten. Sie kommen aus Osteuropa, dem Maghreb oder Schwarzafrika und sind für skrupellose Geschäftemacher eine leichte Beute. Sie leben meist in Parks der spanischen Großstädte, oder gleich in alten Gewächshäusern der Küste. Auch wenn sie keine Arbeitsgenehmigung erhalten, Jobs gibt es dennoch, erzählt der Geistliche Antonio Freijo, der seit Jahren schon Schwarzafrikaner betreut:

    "Es ist zwar nicht ganz legal, aber für kurze Zeit finden sie doch Jobs. Zur Erntezeit werden in den Treibhäusern sehr viele Arbeitskräfte benötigt. Kurzfristig finden sie auch Jobs auf dem Bau. Oder sie arbeiten einfach mit den Papieren eines Freundes."

    Rund 38 Euro müsste ein Saisonarbeiter in einem der Treibhäuser an der spanischen Mittelmeerküste am Tag verdienen. Die wenigsten Landwirte zahlen diesen Preis. Und wer keine Papiere hat, muss froh sein, wenn er am Ende überhaupt etwas bekommt, sagt Mohammed Haidur. Als Einwanderungsbeauftragter der Gewerkschaft "Comisiones Obreras" reist der Marokkaner regelmäßig in die Gemüse- und Obstplantagen Spaniens und hört die Beschwerden der Beschäftigten. Illegale Beschäftigungsverhältnisse gehören hier zum Alltag:

    "Die Struktur unserer Wirtschaft in Spanien benötig einen schwarzen Arbeitsmarkt. Die Schwarzarbeit erreicht hier, offiziellen Statistiken zufolge, fast ein Viertel der gesamten geleisteten Arbeit. Fünf Prozent der Schwarzarbeiter sind Einwanderer. Die Schwarzarbeit ist in Spanien also nicht durch die Einwanderung verursacht. Aber die Einwanderer leiden besonders darunter."

    Strafen von bis zu 15.000 Euro, und sogar Haft, drohen Unternehmern, die Einwanderer oder auch Spanier beschäftigen, ohne sie bei der Sozialversicherung anzumelden. Wenn sie erwischt werden. Denn die Tausenden von Gastronomiebetrieben, Treibhäuser und auch Baustellen sind nur schwer zu kontrollieren. Und so nehmen viele kleine Landwirte oder Bauunternehmer das Risiko in Kauf, zumal diese Branchen ständig über Arbeitskräftemangel klagen. Die Gewerkschaften werfen der Regierung vor, die Schwarzarbeit gar nicht richtig zu bekämpfen. Lob erhält Spaniens Regierung hingegen für ihre Initiative zur heute zu Ende gehenden Migrationskonferenz der Staaten der EU mit denen Afrikas in Marokko:

    "Das Wichtige ist: Die Europäische Union reagiert hier als echte Gemeinschaft auf ein Problem von europäischer Dimension. Zwar formulierte sie schon 1999 in Tampere die Ziele einer gemeinsamen Einwanderungspolitik. Nur ist danach überhaupt nichts passiert. Jetzt wird erstmals mit den Staaten der Herkunftsländer nicht nur über die Kontrolle der Grenzen, sondern auch Integration und die wirtschaftliche Entwicklung geredet."

    Tatsächlich hat Spanien seine Hilfen für die wirtschaftliche Entwicklung, und soziale Leistungen für Afrika, vor der Konferenz in Rabat deutlich erhöht. Schon auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise um die beiden spanischen Nordafrikaenklaven Ceuta und Melilla erhielt Marokko von der EU, zur Bekämpfung der illegalen Auswanderung über sein Territorium, mehrere Millionen Euro. Seither legt kaum ein Boot mehr von Marokko aus ab. Genau darin sieht Gewerkschafter Mohamed Haidur die Falle, die Europa und Afrika vermeiden müssen.

    "Es stehen noch viele Fragen offen. Da wollen die Franzosen nur noch gut ausgebildete Einwanderer. Das geht nicht, Afrika braucht seine Ingenieure selbst. Zweitens: Die Marokkaner sind bereit, eine Barriere zwischen den schwarzafrikanischen Staaten und Europa zu bilden, wollen sich das aber von Europa bezahlen lassen. Die Länder im Süden sehen die marokkanische Erfahrung, und wollen nun auch Geld. Entweder wir alle machen jetzt Nägel mit Köpfen, und uns gelingt eine echte gemeinsame Migrationspolitik unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas und der Integration - oder das Problem bleibt ungelöst."