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Hein Verbruggen – die dubiose Figur im Dopingfall Armstrong

In seinem Buch erhebt Tyler Hamilton heftige Vorwürfe gegen Lance Armstrong und einige andere Fahrer, Ärzte und Funktionäre. Einer von ihnen ist der ehemalige Präsident des Weltverbandes UCI Hein Verbruggen. Ihm wirft Hamilton vor, Armstrong und dessen Dopingpraktiken gedeckt zu haben. Während Armstrong nun die Aberkennung seiner Titel droht, bleibt Verbruggen weiterhin völlig unbehelligt.

Von Sebastian Krause | 09.09.2012
    "Armstrong gibt auf/ Armstrong lebenslang gesperrt…"

    Seit Tagen ist der Dopingfall Armstrong weltweit präsent. In den Medien wird die Geschichte des gefallenen Radhelden weiter ausgebreitet. Und immer wieder fällt dabei der Name: Hein Verbruggen. Dem Niederländer wird vorgeworfen, als damaliger Präsident des Radsportweltverbandes UCI den großen Star Lance Armstrong protegiert zu haben. Wie Armstrongs früherer Teamkollege Tyler Hamilton in seinem neuen Buch schreibt, soll der Weltverband eine positive Dopingprobe von Armstrong aus dem Jahr 2001 sogar vertuscht haben. Hamilton berichtet von einem Telefongespräch zwischen Armstrong und Verbruggen:
    "Der vertrauliche Umgangston warf mich um. Lance sprach mit dem Präsidenten der UCI, dem Chef des Sports. Aber es hätte ebenso gut ein Geschäftspartner sein können, ein Freund."

    Gleichzeitig gab es damals fragwürdige Spendenzahlungen von Armstrong an den Radsportweltverband, die beide Seiten in Erklärungsnot brachten. Der Pariser Rechtsanwalt Thibault de Montbrial hat vor Jahren zwei Journalisten im Rechtstreit mit Armstrong vertreten. Und auch er geht davon aus, dass Armstrong von Verbruggen beschützt wurde.

    "Das hat auch einen einfachen Grund: Nachdem großen Dopingknall, dem Festina-Skandal 1998 war der Radsport am Boden. Und ein Jahr später kam schon Lance Armstrong. Und für Verbruggen war es die Gelegenheit, das Image aufzupolieren. Mit einem neuen, gut aussehenden Helden, der auch noch den Krebs besiegt hat – das war eine wunderbare Geschichte. Also die beiden brauchten sich gegenseitig: Armstrong, um zu betrügen und zu gewinnen. Und Verbruggen, um der Welt zu zeigen, dass es einen neuen, sauberen Radsport gibt."

    Im Jahr 2005 – nach dem siebten und letzten Armstrong-Triumpf bei der Tour de France, gab Hein Verbruggen sein Amt als Radsport-Chef ab. Inzwischen ist er 71 Jahre alt - in der Welt des Sports aber immer noch aktiv. Als Präsident von Sportaccord, dem Dachverband der Sportfachverbände. Und wie es der Zufall will, wird der Holländer in diesen stürmischen Tagen zu einem Kongress der Zeitschrift Sponsors nach München eingeladen und herzlich empfangen.

    "Wir sind sehr stolz, dass wir ihn heute auf der Gästeliste haben. Hein, schön dass Sie heute bei uns sind. Begrüßen Sie mit einem Applaus: Hein Verbruggen."
    Frage, Moderator: "Herr Verbruggen. Sie wollen mit Sportaccord die olympischen und nicht olympischen Sportarten mit neuen, weltweiten Spielen in den Fokus rücken. Ist das nicht ein Widerspruch. Ist das gegen die olympischen Sportarten?

    Antwort, Vebruggen:

    "Nein das ist kein Widerspruch. Denn für Sportarten, die nicht bei Olympia dabei sein können, ist es ein großes Nachteil."

    Verbruggen kann also auch deutsch. Als er nach seinem Vortrag im Interview mit dem Dopingfall Armstrong konfrontiert wird, spricht er aber englisch.

    "Nein. Ich möchte darüber nicht sprechen. Ich weiß, dass es viele Berichte darüber in den Medien gibt. Aber ich bin nicht mehr Präsident des Radsportweltverbandes und will nicht mit reingezogen werden. Das ist nicht das Gesprächsthema hier. Hier geht es um Sportaccord."

    Dabei wird Verbruggen auf der Homepage des Radsportweltverbandes immer noch als Ehrenpräsident und Mitglied des sogenannten "Management Committees" geführt. Sylvia Schenk von Transparency International fordert eine komplette Aufklärung der Dopingcausa Armstrong – etwa mit Hilfe einer unabhängigen Untersuchungskommission.


    "Das wirklich alle vorgeladen werden. Alle Aussagen zu Protokoll genommen werden. Und dass man über Belege etc. versucht, die Dinge nachzuverfolgen. Und dass dann auch dort Konsequenzen gezogen werden, wo deutlich wird, dass Leute sehr tief verstrickt sind alles, was bisher stattgefunden hat."

    Doch ob es dazu kommen wird, darf bezweifelt werden. Denn der derzeitige Chef des Radsportweltverbandes, Pat Mc Quaid, sitzt gleichzeitig in der Führungsetage von Sportaccord. In jener Organisation also, die Präsident Verbruggen zu einer der mächtigsten in der Sportwelt aufbauen möchte. Der Sportaccord-Berater und ehemalige Geschäftsführer der Olympia-Bewerbung München 2018, Wilfrid Spronk.

    "Wer die Vita von Hein Verbruggen kennt, der weiß, dass das ein Macher ist. Er kommt von einem Süßwaren-Unternehmen. Ist dann in den Sportgewechselt. Er hat sich viele Jahre im IOC engagiert. Und Sportaccord ist sein Baby, das er mit aller Macht noch vorne bringen will. Und viele IOC-Mitglieder ärgern sich jetzt schon ein bisschen, dass sie ihm grünes Licht gegeben haben. Weil sich einige Sponsoren vielleicht umorientieren."

    Sogenannte "Combat Games" für Kampfsportarten und "Mind Games" für Karten- und Schachspieler gibt es schon. Im nächsten Jahr sollen "Beach Games" und "Artistic Games" dazu kommen. Sylvia Schenk von Transparency International sieht die Rolle von Hein Vebruggen an der Spitze der Bewegung kritisch.

    "Es ist natürlich schon schwierig für Sportaccord, weil die ja gesagt haben, dass sie stark an dem Thema Integrität arbeiten wollen, wenn sie an der Spitze jemand haben, dessen Integrität von einigen in Frage gestellt wird. Insofern besteht dort Handlungs- und Erklärungsbedarf."

    Noch immer ist Hein Verbruggen Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees. Der Deutsche-Olympische-Sportbund DOSB und IOC-Vizepräsident Thomas Bach wollen sich zu der Personalie Verbruggen aber nicht äußern. Und beim Sponsors-Kongress in München gab es am Ende auf der Bühne übrigens noch ein Erinnerungsfoto mit einem der größten Funktionäre in der deutschen Sportgeschichte – mit dem langjährigen NOK-Präsidenten Walther Tröger.

    "Herr Tröger, kommen Sie bitte nach vorne. Das wäre doch ein schönes Abschlussbild. Haben Sie Spaß Herr Tröger? Spaß habe ich immer und vor allem habe ich Freude an diesem Vortrag. Weil einiges, was der Hein erzählt hat, war auch mir neu."