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Heinen-Esser: Vergewaltigte Frau abzuweisen, ist "zutiefst unchristlich"

Durch die Zurückweisung einer vergewaltigten Frau von zwei katholischen Krankenhäusern in Köln werde der Täter geschützt und das Opfer ein zweites Mal gedemütigt, sagt Ursula Heinen-Esser. Die CDU-Politikerin hofft, dass durch das Bekanntwerden des Falls die katholische Kirche ihre Haltung überdenkt.

Ursula Heinen-Esser im Gespräch mit Christine Heuer | 17.01.2013
    Christine Heuer: In Köln ist ein Vergewaltigungsopfer von zwei katholischen Krankenhäusern zurückgewiesen worden. Eine Ärztin hatte darum gebeten, Verbrechensspuren bei dem Opfer zu sichern. Die Kliniken lehnten das ab, weil sie sich dann gezwungen gesehen hätten, auch einen Schwangerschaftsabbruch mit dem Opfer zu besprechen, oder gar die Pille danach zu verschreiben. Beides ist in katholischen Häusern nicht erlaubt. Im Erzbistum Köln gibt es dazu eine verbindliche Regelung: Ärzten, die ihr zuwider handeln, droht die fristlose Kündigung.

    Wir sind verbunden mit Ursula Heinen-Esser, die wir in aller Regel hier interviewen als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Sie ist aber auch NRW-Landesvorsitzende der Stiftung Donum Vitae. Guten Tag, Frau Heinen-Esser.

    Ursula Heinen-Esser: Ja guten Tag.

    Heuer: Ist es christlich, Menschen in Not Hilfe zu verweigern?

    Heinen-Esser: Es ist für mich zutiefst unbarmherzig und unchristlich, eine Frau in einer solchen Notsituation abzuweisen. Und mit diesem Verhalten – und das kam in dem Beitrag ja auch noch mal heraus –, selbst die Beweissicherung abzulehnen, schützt das katholische Krankenhaus, schützt die katholische Kirche den Vergewaltiger und demütigt, verletzt das Opfer, die Frau wirklich ein zweites Mal nach der Tat.

    Heuer: Nun sagt ja das Erzbistum Köln, was die Spurensicherung angehe, da hätten die Ärzte ein Missverständnis produziert. Man hat so den Eindruck, die Kirche redet sich da ein bisschen raus. Halten Sie das für glaubwürdig, dass es hier nur um ein Missverständnis ging?

    Heinen-Esser: Ganz am Anfang habe ich auch gedacht, es ist ein Missverständnis. Es kann nicht sein, dass einer Frau in einer solchen Situation nicht geholfen wird. Was mich aber dann doch überzeugt hat, dass es sich hier nicht um ein Missverständnis handeln kann, ist die Tatsache, dass die Frau von zwei Krankenhäusern abgelehnt worden ist, und das ist schon etwas mehr als ein Missverständnis. Hier scheinen wirklich Stellungnahmen, Richtlinien zugrunde zu liegen, die den Ärzten das Handeln so vorschreiben.

    Heuer: Das Erzbistum sagt, es gibt eine Stellungnahme, aber keine Dienstanweisung, und die Ärzte hätten sich insofern gar nicht so verhalten müssen.

    Heinen-Esser: Die Notärztin hat in einem Zeitungsartikel, in einem Zeitungsinterview davon berichtet, dass eine Ärztin bereits aufgrund der Richtlinie oder der Stellungnahme oder wie Sie es jetzt auch formulieren gekündigt wurde. Dass eine Stellungnahme oder Richtlinie genannt wird und nicht Dienstanweisung, zeigt ja auch, dass die Kirche selber etwas unsicher ist, ob sie wirklich diesen Punkt, nämlich auch Beweissicherung zu unterbinden, wirklich anweisen darf.

    Heuer: Verhält sich das Erzbistum Köln hier richtig?

    Heinen-Esser: Ich empfehle und ich wünsche mir vom Erzbistum Köln – und das ist ja meine katholische Kirche auch -, dass sie ihre Haltung wirklich überdenken und Vergewaltigungsopfern tatsächlich helfen, mit Beweissicherung und auch mit einer ausführlichen Beratung über notwendige Folgen.

    Heuer: Für wie aussichtsreich halten Sie, was Sie sich da wünschen? Es ist ja bekannt, dass im Erzbistum Köln ein besonders konservativer Kardinal unterwegs ist, nämlich Kardinal Meisner.

    Heinen-Esser: Ich hoffe und wünsche mir, dass jetzt die Presseöffentlichkeit, die zahlreichen Artikel, die Interviews, die geführt werden, die Berichte, die gezeigt werden, dass das dazu führt, dass wirklich Haltung überdacht wird und Frauen in Not geholfen wird.

    Heuer: Ihre Erfahrungen mit Ihrer katholischen Kirche in Nordrhein-Westfalen und in diesem Fall im Erzbistum Köln – für wie aussichtsreich halten Sie diesen Wunsch?

    Heinen-Esser: Sie wissen ja, in welcher Historie sich Donum Vitae, also unsere Schwangerschaftsberatung der katholischen Laien, gegründet hat, nämlich da heraus, dass die katholische Kirche sich aus der Konfliktberatung herausgezogen hat. Deshalb bin ich nicht ganz so optimistisch, aber für mich ist eigentlich immer das Glas ein bisschen halb voll und nicht halb leer und deshalb setze ich heute auch auf starke Einsicht der Kirche.

    Heuer: Da geht es dann ja ums Erzbistum Köln. Setzen wir mal voraus, es kehrt dort keine Einsicht in Ihrem Sinne ein, müsste dann nicht jemand anderes in der Kirche einschreiten, und wenn ja, wer könnte das sein?

    Heinen-Esser: Ich bin mir nicht sicher, ob das innerhalb der Kirche wirklich dann gelöst werden kann, es sei denn, die Bischofskonferenz wird sich mit dem Fall befassen, und ich würde mir auch wünschen, dass sich das Zentralkomitee der Katholiken einmal damit auseinandersetzen würde. Die andere Frage ist: Welche Möglichkeiten hat beispielsweise die Krankenhausaufsicht in Nordrhein-Westfalen, in einem solchen Fall tätig zu werden. Auch das könnte geprüft werden, ob es nicht sozusagen einer Einwirkung von außen bedarf, hier vielleicht Klarstellung zu erreichen und Frauen zu helfen.

    Heuer: Aber mit der Einwirkung von außen und der katholischen Kirche, das ist ja immer eine ziemlich schwierige Geschichte.

    Heinen-Esser: Ja, aber hier geht es natürlich auch um Finanzierungsfragen. Die katholischen Krankenhäuser werden ja auch über andere Mittel finanziert und tragen sich nicht selber, und aus diesem Grunde kann ich mir schon vorstellen, dass es hier noch die eine oder andere Möglichkeit zum Gespräch gibt.

    Heuer: Also mit Geld Einfluss ausüben?

    Heinen-Esser: Zumindest auch mit dem, welche Möglichkeiten katholische Krankenhäuser haben, welche Tätigkeiten tatsächlich auszuüben.

    Heuer: Frau Heinen-Esser, passieren solche Fälle eigentlich nur im Erzbistum Köln?

    Heinen-Esser: Ich kenne es jetzt nur aus dem Erzbistum Köln. Es ist auch der erste Fall, der mir begegnet ist. Die Ärzte leisten in den katholischen Krankenhäusern eigentlich Großartiges, auch wenn es gerade darum geh, sie sind ja in einem ständigen Spannungsfeld zwischen ihren Loyalitätspflichten, der Kirche gegenüber und ihrem Eid, nämlich Hilfe zu leisten. Diese Stellungnahme, die jetzt da zugrunde liegt, die ist erst zwei Monate alt. Das heißt, vorher war es in Köln auch noch anders und vorher haben auch die katholischen Krankenhäuser noch bei der anonymen Beweissicherung in Köln mitgemacht. Das ist jetzt alles gestrichen worden und sie dürfen nicht mehr daran teilnehmen. Deshalb: Mein Erfahrungshorizont betrifft im Augenblick nur Köln.

    Heuer: Ursula Heinen-Esser, CDU-Politikerin und NRW-Landesvorsitzende von Donum Vitae. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Frau Heinen-Esser.

    Heinen-Esser: Ja bitte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.