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Heinz Strunk über den Frauenmörder Fritz Honka
"Da kann man ja nur Mitgefühl haben"

In "Der Goldene Handschuh" erzählt Heinz Strunk über den Serienmörder Fritz Honka. Jetzt hat der Autor den Roman im Hamburger Schauspielhaus auf die Bühne gebracht. Im Dlf-Gespräch spricht Strunk über die zerklüftete Biografie Honkas und darüber, dass er nicht nur Täter, sondern auch Opfer gewesen sei.

Heinz Strunk im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 17.11.2017
    Heinz Strunk bei der Präsentation seines Romans "Der goldene Handschuh" auf der Leipziger Buchmesse.
    "Studio Braun steht ja für grotesken, schwarzen, etwas seltsamen Humor. Und diese Kernkompetenz wollten wir nicht komplett aufgeben", sagte Heinz Strunk im Dlf über die Inszenierung des "Goldenen Handschuhs" im Hamburger Schauspielhaus (Imago)
    Anja Buchmann: Gewalt, Kiezkneipe, Hoffnungslosigkeit. Themen in Heinz Strunks preisgekröntem Buch "Der Goldene Handschuh" über den Hamburger Frauenmörder Fritz Honka. Ein Tatsachenroman aus Täterperspektive. Und den gibt's nun auch als Bühnenstück, eine "Revue", aufgeführt am Hamburger Schauspielhaus. Von Strunk und seinen Musiker-Kollegen Rocko Schamoni und Jaques Palminger, gemeinsam als "Studio Braun" bekannt. Gestern haben wir mit Heinz Strunk gesprochen - in einer Pause, mitten im Probenstress, unterbrochen von der einen oder anderen technischen Durchsage im Schauspielhaus. Meine erste Frage bezog sich auf die Schlagzeile 1975 in der "BILD": "Hitze, Honka, HSV", kurz nach den Frauenmorden von Fritz Honka. Heinz Strunk war da 13 - ich wollte wissen, wie er die Honka-Morde damals wahrgenommen hat.
    Strunk: Ja das war so, dass es damals ein besonders tiefes Sommerloch zu stopfen galt und sich die Presse, Insbesondere die "Bild"-Zeitung, in der üblichen Skandalisierung in den Schlagzeilen überschlagen hat und das Ganze fast eine etwas folkloristische Note bekam. Man reichte sich die Hand und gab sich den sogenannten Honka-Gruß, indem man eine segnende Bewegung vollführte. Da wurden Honka-Lieder komponiert und so weiter und so fort. Also es war ein sehr großer, medialer und auch sonstiger Aufschlag.
    "Sehr viel Empathie tatsächlich mit dem Honka hergestellt"
    Buchmann: Die Idee zum Buch kam Ihnen dann, als Sie irgendwann mal in die Kiez-Kneipe "Der goldene Handschuh" in St. Pauli geraten sind, wo Fritz Honka in den 70ern dann abgehangen hat. Was hat Sie an dem Ort, an Honka und den anderen Protagonisten fasziniert, dass Sie die Buch-Idee hatten?
    Strunk: Naja. Damals war es so, dass ich auf der Suche war nach einem fiktionalen Stoff, weil das Biografische mir auserzählt schien. Und ich habe den "goldenen Handschuh" wahrgenommen als einen "Melting Point", wie ich ihn in Deutschland kein zweites Mal gesehen habe. Und irgendwie dachte ich: Da müsste man mal etwas drüber machen. Beziehungsweise: Es reicht ja nicht eine bloße Sammlung von Säufer-Geschichten aus einer Kaschemme zu erzählen. Und dann kam mir die Idee, das anhand der Causa von Fritz Honka zu versuchen.
    Charly Hübner (Fritz "Fiete" Honka) trägt am 16.11.2017 bei der Fotoprobe des Stücks "Der goldene Handschuh" im Schauspielhaus in Hamburg Rica Blunck (Ruth). Das Stück feiert am 18.11.2017 Premiere.
    Charly Hübner spielt den Frauen-Mörder Fritz "Fiete" Honka (Daniel Reinhardt/dpa)
    Buchmann: Was empfinden Sie den Figuren gegenüber? Ist das Abscheu, ist das Entsetzen, ist das Mitgefühl?
    Strunk: Ja also Abscheu selbstverständlich schon mal gar nicht. Ich bin da jetzt auch, nachdem die Recherchen lange abgeschlossen sind, bin ich da regelmäßig Gast und das ist ein Laden, der sich heute auch durchaus verändert hat. Und 90 Prozent der Abende, die ich da verbringe, sind einfach nur hochunterhaltsam.
    Buchmann: Ich meinte auch nicht die Figuren, also die Menschen, die sich im "Goldenen Handschuh" herumtreiben, sondern die Figuren, die Protagonisten in Ihrem Roman.
    Stunk: Nö. Also als Autor habe ich zumindest immer eine professionelle Distanz zu den Figuren. Und wenn ich mich da ständig geekelt hätte oder von sonst wie unguten Gefühlen übermannt worden wäre, dann hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht schreiben können. Und dass sich da sehr viel Empathie tatsächlich mit dem Honka hergestellt hat, das war gar nicht meine Absicht. Das hat sich so ergeben. Weil: Es gibt den schönen Satz von der Gerichts-Reporterin Peggy Parnass, der da lautet: Fritz Honka, dieses ärmste aller Würstchen, hatte auch noch das Pech zum Mörder zu werden. Und das beschreibt das ganz gut.
    "Das ist keine Revue"
    Buchmann: Und deswegen hatten sie unter anderem auch Mitgefühl mit ihm.
    Strunk: Ja, das ist der Serienmörder, wie er in Krimis gemeinhin geschrieben wird: als eiskalte, skrupellose Bestie. Das ist so, wie sich Lisschen Müller das vorstellt, aber die Wahrheit ist ja die, dass diese Menschen auch im Grunde genommen mehr Opfer waren als Täter. Gerade Honka mit seiner vollkommen zerklüfteten Biografie - da kann man ja nur Mitgefühl haben. Das bedeutet ja nicht, dass man die Taten irgendwie entschuldigt oder so etwas. Aber das vermag ich nicht anders zu empfinden.
    Buchmann: Wollen Sie den Zuschauern von der kommenden Revue dann quasi auch etwas mitgeben? Etwas zeigen? Oder würden Sie da eher mit einem pauschalen "Nein" antworten?
    Strunk: Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt schon zweimal das Wort "Revue" benutzt haben. Das ist keine Revue.
    Buchmann: Das wurde auf der Seite des Hamburger Schauspielhauses als Revue …
    Stunk: Tatsächlich?
    Rocko Schamoni (Soldaten-Norbert, r), Jacques Palminger (Anus, 2.v.l.), Michael Weber (Wilhelm Heinrich von Dohren WH2, oben), Charly Hübner (Fritz "Fiete" Honka, M), Rica Blunck (Ruth, 2.v.l.) und Lina Beckmann (Anni) spielen am 16.11.2017 bei der Fotoprobe des Stücks "Der goldene Handschuh" im Schauspielhaus in Hamburg auf der Bühne. Das Stück feiert am 18.11.2017 Premiere.
    "Das ist das mit Abstand beste Cast, mit dem ich bislang gearbeitet habe", sagte Heinz Strunk im Dlf (Daniel Reinhardt/dpa)
    Buchmann: Ja.
    Strunk: Aha. Das ist mir gar nicht bekannt. Also das finde ich so ein bisschen … Nee, also das klingt so, als ob wir da irgendetwas Musicalartiges auf die Beine stellen würden, was es natürlich gar nicht ist. Also das ist ja etwas Hochseriöses, behaupte ich mal. Aber egal. Man sucht ja manchmal nach so plakativen Begriffen. Aber dürfte ich Sie bitten, Ihre Frage noch einmal zu wiederholen?
    "Theater, Theater"
    Buchmann: Meine Frage war, ob Sie dieses - sagen wir einfach mal "Theaterstück", es wurde angekündigt als eine "Revue aus Alkohol, Sex, Elend und Verbrechen", darauf bezog ich mich …
    Strunk: Aha. Okay, dann entschuldigen Sie, dass ich …
    Buchmann: Das macht nichts. Ob Sie damit den Menschen quasi etwas mitgeben wollen. Oder: Da würde Sie sicher mit einem konsequenten "Nein" antworten, oder?
    Strunk: Sicher, unbedingt, auf jeden Fall. Also erhobener Zeigefinger oder Gesellschaftskritik oder ähnlich öde Begriffe, die sind aus meinem Wortschatz gestrichen.
    Buchmann: Wie sind Sie denn an dieses Stück herangegangen mit Ihren Studio-Braun-Kollegen?
    Strunk: Ich habe das Buch ja schon als …
    Stimme aus dem Off: Bitte Microport anlegen.
    Stunk: Ach, warten Sie mal eben.
    Stimme aus dem Off: Zur Seitenbühne kommt ihr bitte für den Microport, zur Seitenbühne.
    Stunk: Ach. Das ist leider hier … Theater, Theater.
    Balance zwischen Ernsthaftigkeit des Stoffes und Unterhaltung
    Stunk: Es ist so, dass ich mir schon in der Lesung etwas überlegt hatte, wie man das Buch - ich meine, in der ganzen Vielfalt kann man das ja nicht auf die Bühne bringen -, wie man das ein bisschen verkürzen kann, wie man die beiden Plots, den Reeder-Plot und den Honka-Plot ein bisschen zusammenlegen kann. Und dann haben wir das als Regiearbeit - also das ist ja keine Heinz-Strunk-Arbeit, sondern das ist eine Studio-Braun-Arbeit, um es noch einmal explizit zu sagen ... Und dann haben wir eine Regie-Fassung geschrieben in drei Wochen und haben das dann acht Wochen geprobt und haben das große Glück, mit Charly Hübner nun einen absoluten Champions-League-Schauspieler zu haben, der den Honka spielt. Und die anderen Schauspieler hier sind auch … Also das ist das mit Abstand beste Cast, mit dem ich bislang gearbeitet habe.
    Rocko Schamoni (Soldaten-Norbert, r), Heinz Strunk (Herbert, M) und Jacques Palminger (Anus) spielen am 16.11.2017 bei der Fotoprobe des Stücks "Der goldene Handschuh" im Schauspielhaus in Hamburg auf der Bühne.
    Studio Braun auf der Bühne: Rocko Schamoni als Soldaten-Norbert (rechts), Heinz Strunk als Herbert und Jacques Palminger als Anus (Daniel Reinhardt/dpa)
    Insofern ist es auch durchaus eine Team-Leistung. Und es ist immer Trial and Error, also gerade beim Theater. Man probiert die Sachen da aus und Studio Braun steht ja auch für grotesken, schwarzen, etwas seltsamen Humor. Das ist sozusagen unsere Kernkompetenz, die wollten wir jetzt auch nicht komplett aufgeben. Und wir haben da versucht, eine Balance zu finden, die der Ernsthaftigkeit des Stoffes angemessen ist und aber gleichzeitig unterhaltend.
    Buchmann: Genau das wäre auch meine Frage gewesen, wie sehr Sie da Vorsicht walten lassen müssten, um nicht Ihrer Kernkompetenz, groteskem, schwarzem, witzigen Humor zu sehr Platz zu geben, weil es ja auch noch eine ernste Thematik ist. War das schwierig?
    "Irgendwann spürt man, dass das richtig ist"
    Strunk: Ja das meine ich eben damit, Trial and Error. Das muss man eben irgendwie so probieren. Sagen wir mal, es gibt wenige Regeln. Man muss irgendwie sehen, wenn man zwei ernste Szenen,wirklich ernste oder hochdramatische Szenen hat, die es in diesem Stück wirklich gibt, muss danach eine entspannende … Das ist das alte Ziehharmonika-Prinzip. Und so funktioniert das und irgendwann spürt man, dass das richtig ist und wahr ist. Und, wie gesagt, haben wir auch den Charly, der wirklich traumwandlerisch-sicher den Honka spielt. Und so tastet man sich dann da heran und hofft, am Ende dem Stoff gerecht zu werden.
    Buchmann: Werden Schlager auch eine große Rolle spielen? Stichwort: "Es geht eine Träne auf Reisen".
    Strunk: Ja, das Stück ist ja gewissermaßen das musikalische Leitmotiv auch von Fritz Honka damals privat gewesen, wenn man so sagen will.
    Stimme aus dem Off: Kommt ihr dann bitte auch zum Soundcheck. Zum Soundcheck, bitte.
    Strunk: Ach. Musik spielt eine große Rolle, wobei Schlager eben explizit … Also wir haben nur zwei Schlager drin. Wir haben ja eine sechsköpfige Liveband. Also Musik spielt auch hier, wie in allen unseren Produktionen, eine sehr große Rolle. Aber bitte keine Schlagerrevue. Das überlässt man dann so traurigen … den Thomas Hermanns dieser Welt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.