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Heiße Luft um solare Windmaschine

Nach dem Ölpreisschock im Jahr 1973 begannen viele kluge Köpfe mit der Suche nach alternativen Energiequellen. Allerdings waren nicht alle Ideen so gut wie die von Windrädern und Solarzellen. Ein vermeintlich revolutionäres Aufwindkraftwerk zählt zu den Verlierern der Geschichte. 1982 wurde es eingeweiht.

Von Ralf Krauter | 07.06.2012
    Bei nüchterner Betrachtung hätte einem die Sache vielleicht von Anfang an spanisch vorkommen können. Doch in den frühen 1980er-Jahren überwog die Euphorie. 150 Kilometer südlich von Madrid bauten deutsche Ingenieure damals ein Kraftwerk, das sie für wegweisend hielten. Rudi Bergermann war einer von ihnen.

    "Wir haben mit der Planung des Aufwindkraftwerkes begonnen 1978. Wir haben dann sehr bald, das war ja gerade am Ende der ersten Ölkrise, vom deutschen Bundesforschungsministerium einen Auftrag bekommen, dieses Konzept näher zu untersuchen."

    "Aufwindkraftwerk Manzanares", so hieß das mit insgesamt rund 16 Millionen D-Mark geförderte Pilotprojekt unter Federführung des Stuttgarter Ingenieurbüros Schlaich, Bergermann und Partner.

    "Wir haben das Geld dann dazu verwendet, einen Prototypen in Spanien zu bauen – einfach um Messungen machen zu können und die Thermodynamik des Konzepts zu bestätigen."

    Dieses Konzept war bestechend simpel. Ein knapp 200 Meter hoher Kamin, umringt von einem Meer aus durchsichtigen Plastikplanen, die meterhoch über dem Boden ein Dach bilden. Scheint die Sonne auf das kreisförmige Foliendach, erwärmt der Treibhauseffekt die Luft darunter. Die warme Luft steigt auf und strömt mit wachsendem Tempo ins Zentrum der Anlage, wo sie der Kamin ansaugt. Auf ihrem Weg nach oben durch den Schlot treibt die warme Luft dann eine Windturbine an, die Strom erzeugt.

    Am 7. Juni 1982 ging die solare Windmaschine in Manzanares in Betrieb und lief dann deutlich länger als die geplanten drei Jahre. Und zwar nicht nur tagsüber, sondern auch nachts, weil der aufgeheizte Boden unter den Planen dann Wärme abstrahlte.

    "Wir haben das Aufwindkraftwerk in Spanien sieben Jahre lang betrieben, haben eine Menge Messungen gemacht: Windgeschwindigkeiten unter dem Dach gemessen, die Temperaturerhöhung unter dem Dach gemessen – wir hatten ja auch eine Turbine und haben da auch Strom erzeugt – und die Ergebnisse dann verwendet, um daraus ein Programm zu bauen, mit dem wir jetzt auch Großanlagen sicher auslegen können."

    Je größer ein Aufwindkraftwerk, umso billiger der Strom, den es produziert. Die Forschungsanlage in Manzanares war viel zu klein, um sich zu rechnen. Doch eine riesige 200 Megawatt-Variante, hat Rudi Bergermann berechnet, die könnte Strom so günstig wie heutige Kohlekraftwerke liefern. Roger Davey, Gründer und Chef der Firma Enviromission aus Melbourne, wollte den Beweis antreten. 2004 warb er mit funkelnden Augen für seine Vision.

    "Es wird ein Symbol der Ingenieurskunst sein und ein neues Wahrzeichen Australiens. Mit einer Höhe von einem Kilometer wird unser Solarturm das höchste Bauwerk der Welt. Die Anlage wird 200.000 Haushalte mit Strom versorgen. Es ist ein ziemlich großes Projekt."

    Ziemlich groß waren auch die Investitionskosten: rund 700 Millionen Euro. Geldgeber fanden sich bis heute nicht. Und Roger Daveys Versuche, in den USA und anderswo doch noch irgendwie ins Geschäft zu kommen, verlaufen seit Jahren im Sand.

    Rudi Bergermann hat die Zusammenarbeit mit dem Australier längst abgebrochen. An die Idee, Strom aus heißer Luft zu machen, glaubt er immer noch. Die Bemühungen eines südafrikanischen Unternehmens, Milliarden für den Bau einer 1,5 Kilometer hohen Aufwindmaschine in Namibia einzuwerben, hält er aber für wenig hilfreich.

    "Das sind Projekte, die dann vier, fünf Jahre lang durch die Presse geistern, zum Schluss hört man nichts mehr davon, oder hört vielleicht sogar, dass sie nichts geworden sind. Diese Misserfolge, die schaden natürlich der Technologie."

    Immerhin: China hat 2010 in der mongolischen Wüste ein Aufwindkraftwerk eingeweiht, das viermal größer ist als sein Vorbild in Spanien. Doch alle anderen Projekte scheiterten an den enormen Kosten.

    Dem Aufwindkraftwerk in Manzanares wurde letztlich – Ironie der Geschichte – der Wind zum Verhängnis. Bei einem Orkan im Sommer 1989 stürzte sein Kamin ein, weil eine in die Jahre gekommene Verspannung riss. Kein schönes Ende für einen einstigen Hoffnungsträger.