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Heiße Tage, tropische Nächte
Hitzeextreme auf der Nordhalbkugel nehmen zu

Normalerweise gibt es auf der Nordhalbkugel entweder heiße Tage oder heiße Nächte. Eine aktuelle Auswertung der Temperaturdaten für die Sommer von 1960 bis 2012 zeigt jedoch, dass sich Sommertage mit simultaner Tag- und Nachthitze vervielfachen werden - und damit der thermische Stress für die Menschen.

Von Volker Mrasek | 12.02.2020
Ein analoges Thermometer vor blauem Himmel zeigt 40 Grad Celsius an.
Hitzewellen als Folge des Klimawandels. (Arnulf Hettrich / imago-images)
Unter den Autoren der neuen Hitzestress-Studie sind sechs Forscher aus Peking – und einer aus Schottland: Simon Tett, Professor für Erdsystem-Dynamik an der Universität Edinburgh:
"Diese Veröffentlichung zeigt: Es gibt eine Verschiebung bei Hitzeextremen. Im Moment erleben wir auf der Nordhalbkugel meist entweder heiße Tage oder heiße Nächte. In Zukunft wird es aber häufiger zu heißen Tagen und heißen Nächten kommen. Solche Doppel-Ereignisse werden Mitte dieses Jahrhunderts das häufigste Hitzeextrem sein."
Der britische Physiker und seine chinesischen Kollegen werteten Temperaturdaten für die mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel aus. Die stammen vorwiegend von Wetterstationen in Russland, China, Kanada, Europa und den USA. Die Messreihen decken die Sommer von 1960 bis 2012 ab, also mehr als 50 Jahre:
"Die Beobachtungen zeigen: Hitzeextreme bei Tag und bei Nacht sind sowohl häufiger als auch intensiver geworden. Es gibt zwar Schwankungen von Saison zu Saison. Aber insgesamt hat die Zahl von Sommertagen mit starker Tages- und Nachthitze in den mehr als 50 Jahren um sechs zugenommen. Die Temperaturen stiegen gleichzeitig um durchschnittlich 1,4 Grad Celsius."
Hitzeextreme bei Tag und Nacht sind häufiger geworden
Für jeden Stationsort und für jeden Sommertag ermittelten die Forscher, welche Temperaturen dort tagsüber und nachts normalerweise auftreten. Als Hitzeextreme definierten sie anschließend die stärksten Ausreißer nach oben, und zwar die höchsten zehn Prozent aller Messwerte an den einzelnen Standorten. Das ist ein übliches Vorgehen, da Hitzeextreme regional unterschiedlich ausfallen.
Weil der Klimawandel zu einem allgemeinen Temperaturanstieg führe, überschritten Sommertage und -nächte auf der Nordhalbkugel zunehmend den Schwellenwert für Hitzeextreme, so Simon Tett:
"Extreme Hitze tritt typischerweise bei Hochdruckwetter auf. Der Himmel ist blau. Die Sonne brennt. Es ist windstill, der Boden trocknet aus und kann die Luft nicht mehr kühlen. Weil der Mensch das Klima erwärmt, kommt es unter solchen Bedingungen inzwischen zu höheren Temperaturen."
Zukunft dürfte sich dieser Trend verschärfen. Auch das ergibt sich aus der neuen Studie.
Bevölkerung wird häufiger thermischem Stress ausgesetzt sein
Die Forscher haben dafür verschiedene Szenarien durchgespielt, darunter eines, in dem die Welt gewisse Anstrengungen beim Klimaschutz unternimmt. Selbst dann könnte sich die Zahl der Sommertage mit simultaner Tag- und Nachthitze auf der Nordhalbkugel vervierfachen, von heute acht auf über 30 Ende des Jahrhunderts. Möglicherweise wäre die Bevölkerung dann also an jedem dritten Sommertag großem thermischem Stress ausgesetzt:
"Das ist eine ziemlich starke Veränderung! Wir haben es hier mit einer Bedrohung zu tun, über die wir uns in der Vergangenheit nicht so viele Gedanken machen mussten. Wenn Hitzeextreme Tag und Nacht anhalten, erhöht das den thermischen Stress, und es wird schwieriger für betroffene Menschen, sich davon zu erholen."
Der Biologe Camilo Mora von der Universität Hawaii beschäftigt sich ebenfalls mit der Häufigkeit von Hitzeextremen und hat bereits einen Blick in die Arbeit seiner Kollegen geworfen. Die Studie sei ein Fortschritt gegenüber früheren Arbeiten, so Mora in einer E-Mail:
"Wissenschaftlich kommt sie mir solide vor und in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung ziemlich erschreckend. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass anhaltende Hitze am Tag und in der Nacht wirklich schlecht für die Gesundheit ist. Ich kann nur meine Augen verdrehen! Wann wissen wir eigentlich genug, um mehr gegen den Klimawandel zu tun?!"