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Heißer Draht zwischen Ozeanen

Klimatologie. – Atlantik und Pazifik könnten sich durchaus gegenseitig beeinflussen, obwohl der amerikanische Doppelkontinent die beiden Ozeane trennt. Die Folgen für das Klima könnten drastisch sein. Britische Klimaforscher stellten jetzt auf einer Fachtagung über rapide Klimaänderungen in Birmingham eine Studie vor, dass ein sich stark abschwächender Golfstrom für einen stärkeren El-Nino im Pazifik führen könnte.

27.10.2006
    Zwischen Atlantik und Pazifik liegen zwar Kontinente. Aber die zwei größten Weltmeere kommunizieren dennoch miteinander. Eine Klimaschwankung in einem der beiden Ozeane wird wie ein Ferngespräch zum anderen durchgestellt. Die Frage ist nur: Wer stellt die Verbindung her?

    "Grundsätzlich gibt es zwei Übermittlungswege: entweder durch den Ozean oder durch die Atmosphäre."

    Der britische Atmosphärenphysiker Rowan Sutton. Ob ein Klimasignal durchs Wasser oder durch die Luft wandert, macht einen himmelweiten Unterschied. Das eine ist Schneckenpost, das andere eher ein Blitzgespräch. Der Meteorologe und gebürtige Chinese Buwen Dong:

    "”Wenn ein Signal durch die Atmosphäre übertragen wird, braucht es nur Tage oder Wochen vom Atlantik bis zum Pazifik. Wandert es durch den Ozean, dauert das bis zu einem Jahrzehnt.""

    Sutton und Dong glauben jetzt eine ganz besondere Blitz-Verbindung im Klimasystem der Erde ausgemacht zu haben. Die beiden Forscher der Universität Reading in England sprechen von einer "atmosphärischen Brücke". Sie verbinde den Atlantik über den amerikanischen Kontinent hinweg mit dem Pazifik. Noch gibt es diesen kurzen Draht zwischen den Ozeanen gar nicht. Doch laut Sutton könnte sich das in Zukunft ändern. Die Voraussetzung: Der Golfstrom müsste im Zuge der Klimaerwärmung stark einbrechen. Nach den Modellsimulationen der Briten öffnet sich in diesem Fall der schnelle Signalweg durch die Atmosphäre, über den der Atlantik dann Klimasignale in den Pazifik aussenden kann. Sutton:

    "”Es gibt die Sorge, dass sich die Meereszirkulation im Atlantik durch den Klimawandel stark abschwächen könnte. Das Neue an unserer Studie ist, dass wir zeigen können: Als Reaktion darauf käme es auch zu Veränderungen im tropischen Pazifik, und El Ninos würden sich verstärken. In bisherigen Studien hat man untersucht, ob sich ein Ereignis wie ein El Nino bis in den Atlantik auswirkt. Wir aber wollten wissen: Können Klimaveränderungen im Atlantik umgekehrt auch El Ninos beeinflussen? Und die Antwort ist: Ja!""

    Die entscheidenden Prozesse laufen offenbar in den Tropen ab. Dort öffnet sich nach den Computersimulationen der Briten der Luftpost-Weg für Klimasignale aus dem Atlantik. Der Zusammenhang: Wenn die Meereszirkulation nachlässt, verändern sich Niederschlagsmuster und Wärmetransport über dem tropischen Atlantik. Dadurch entstehen starke Wellenbewegungen in der Atmosphäre. Sutton:

    "Es handelt sich hier um sehr großräumige atmosphärische Wellen. Sie übermitteln die Information, dass sich das Klima verändert hat, von einem Ozeanbecken in das andere. Man kann sich das vorstellen wie in einem See: Man schmeißt etwas ins Wasser, es entstehen Wellen, und die wandern auch an die entlegensten Stellen. Also: Die atmosphärischen Wellen wandern vom tropischen Atlantik bis in den tropischen Pazifik. Wenn sie dort ankommen, ändert sich die Luftzirkulation. Und das beeinflusst El Nino."

    Schon heute verliert der Golfstrom an Kraft. Und es ist anzunehmen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Das legen Simulationen mit verschiedenen Klimamodellen nahe. Demnach könnte sich die Zirkulation im Atlantik bis Ende des Jahrhunderts um 20 oder sogar 30 Prozent abschwächen. Doch es ist fraglich, ob das genügt, um die atmosphärische Brücke zwischen dem Atlantik und dem Pazifik aufzuspannen. Rowan Sutton und Buwen Dong unterstellen in ihrem Klimamodell, dass der Golfstrom sogar um 75 Prozent nachlässt. Damit ist nach heutigem Stand nicht zu rechnen. Andererseits wisse niemand genau, wie sich das Klimasystem wirklich in Zukunft verhalte, sagt Meteorologe Dong. Und ein Modell könne die Entwicklung auch unterschätzen. Dong:

    "Wir sagen nicht, dass es schon in zehn Jahren passiert. Wir weisen nur darauf hin, dass El Ninos durch Veränderungen im Atlantik verstärkt werden könnten."