Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Hektar übersteht alle Finanzkrisen

Grund und Boden gehören zu den wertvollsten Ressourcen in Deutschland. Landwirte wollen Lebensmittel oder Pflanzen für Energiegewinnung anbauen, Investoren wollen lukrative Kapitalanlagen erschließen und Platz für intakte Natur soll auch noch bleiben. Das Gezerre um Grund und Boden steigt in Deutschland weiter an.

Von Dietrich Mohaupt, Studio Kiel | 19.09.2013
    Es herrscht knallharte Konkurrenz - jeder will ein Stück abhaben vom Kuchen, in diesem Fall von der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in Deutschland. Die aktuelle Entwicklung auf dem Bodenmarkt müsse durchaus kritisch beurteilt werden, betont der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Werner Schwarz. Immer mehr sogenannte außerlandwirtschaftliche Investoren drängen auf den Markt, kritisiert er.

    "Natürlich sind nach wie vor die Landwirte Hauptakteure auf dem Markt, an dem Flächen die Eigentümer wechseln. Aber - wir erleben in den letzten Monaten, auch Jahren, zunehmend andere Akteure. Das sind z.B. Investmentfonds aber auch Einzelinvestoren, die in Zeiten von Finanzkrisen, Staatsschuldenkrisen, ihr Geld im sicheren Hafen anlegen möchten."

    Noch spielen Investmentfonds, Banken und Versicherungen in Deutschland beim Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen nach Angaben des Bauernverbandes eine untergeordnete Rolle - man müsse sich aber frühzeitig mit dem Phänomen befassen, fordert Werner Schwarz. Es sei eine offene Diskussion nötig, auch über neue gesetzliche Regelungen, die den Vorrang aktiver Landwirte vor solchen Investoren sicherstellen.

    "Vorkaufsrecht für Landwirte, Preisobergrenzen und solche Sachen. Das ist noch nicht so konkret, dass man sagen kann: Das fassen wir an oder an der Schraube drehen wir - sondern vielleicht erst einmal ein Abgleich und das Suchen nach dem besten Weg."

    Vorrang für Landwirte - das fordert der Bauernverband auch gegenüber den zahlreichen privaten oder öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die überall in Deutschland Flächen aufkaufen, um sie für den Naturschutz zu reservieren. Bundesweit sind rund 250.000 Hektar Land im Besitz solcher Organisationen, wie z.B. der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, die im nördlichsten Bundesland bereits über etwa 30.000 Hektar verfügt und regelmäßig weitere Flächen hinzukauft.

    "Da müssen wir vorsichtig sein, dass es dann nicht um reines Anhäufen von Fläche geht - da ist durchaus eine Schwierigkeit, dass dann Fläche herausgenommen wird, die nicht mehr für die Agrarstruktur, für die Landwirtschaft zur Verfügung steht."

    Wenig Verständnis für diese Kritik äußert der schleswig-holsteinische Umwelt- und Landwirtschaftsminister, Robert Habeck von den Grünen. Er wirft dem Bauernverband stures Festhalten an ideologisch motivierten Feindbildern vor.

    "Es gibt diese Diskussion immer wieder - sie ist häufig sehr schrill und manchmal ein bisschen hysterisch fast. Dahinter ist eben dieses ideologische Messerwetzen immer zu hören und das nervt langsam auch."

    Gerade erst haben sich bundesweit knapp 50 Institutionen, Verbände und Vereine zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um dem Naturschutzgedanken den Rücken zu stärken - und der brauche in einer auf wirtschaftliche Interessen fixierten Gesellschaft auch dringend Unterstützung, betont Habeck.

    "Die Verbände des Naturschutzes haben immer das Problem - und da sind sie auch immer in der politischen Rückenlage - dass sie für Güter eintreten, die sich nicht in Euros umrechnen lassen. Wir wollen alle gesunde Luft, wir wollen alle trinkwasserfähiges Grundwasser, wir wollen alle artenreiche Natur - aber in der politischen Debatte läuft immer alles über die Umrechnung in das Bruttosozialprodukt. Die Natur ist immer unterlegen."

    Diese Unterlegenheit zeige sich z.B. an den jetzt schon existierenden Auflagen für die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, erläutert die Stiftungsvorsitzende Herlich Marie Todsen-Reese. Um eine Preistreiberei beim Verkauf von Landwirtschaftsflächen zu verhindern, gebe es klare Regelungen, erläutert sie.

    "In den Preisverhandlungen müssen wir den Preis, den wir zahlen, auch vorlegen im Landesamt für Natur und Umwelt. Dort wird das geprüft - es geht dann im Grunde genommen um so eine Definition "ortsübliche Preisgestaltung". Wenn die Preise dann deutlich darüber liegen, dann darf die Stiftung Naturschutz nicht mehr mitbieten - manchmal haben wir dann eben das Nachsehen."

    Dass diese - und ähnliche - gesetzlichen Regelungen in allen Bundesländern dem Bauernverband nicht weit genug gehen, kann Minister Robert Habeck nicht nachvollziehen. Immer wieder sei er in Konflikte mit dem Verband verwickelt, der sich vehement gegen praktisch jeden Eingriff in die Landwirtschaft zur Wehr setze - vor allem wenn es um den Verkauf oder auch nur um die Stilllegung von Flächen oder Teilflächen zugunsten des Naturschutzes gehe.

    "Das ist - wenn man genau hinkuckt - die falsche Debatte. Weil die konkreten Punkte in Wahrheit immer lösbar sind - oder häufig lösbar sind - macht man die großen Konflikte auf und sagt: Enteignung oder Freiheit der wirtschaftenden Bauern. Dann gehen alle völlig auf die Palme, da kann man sich auch wunderbar die Köpfe einhauen - aber es hat leider mit einer Problemlösung wirklich gar nichts zu tun."