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Hellmann probt den Gigaliner

Ab Montag testet die Bundesregierung die Straßentauglichkeit der Gigaliner. Sie sollen Kraftstoff sparen und die Umwelt entlasten. Doch die Monster-Trucks sind umstritten und auch die Speditionsbranche ist skeptisch - nur drei Betriebe machen beim bundesweiten Feldversuch mit.

Von Godehard Weyerer | 13.04.2012
    Schnell und leichtfüßig klettert Robert Hügelmeier in die Fahrerkabine empor und lässt sich in den Sitz fallen. Der luftgefederte, anatomisch geformte Arbeitsplatz schwingt kurz nach. Er schnallt sich an. Heute geht die Tour ins benachbarte Bramsche, 16 Kilometer vor den Toren Osnabrücks. Die 25 Meter, verteilt auf acht Achsen, machen schon was her. Robert Hügelmeier, Fernfahrer aus Leib und Seele, schreckt der Lang-LKW nicht:

    "Die Zugmaschine ist eine ganz normale Zugmaschine, als Dreiachser mit 26 Tonnen und 440 PS. Dahinter hängt eine kleine Dolly-Achse, auf der die Sattelkupplung, mit der Sie den Sattelauflieger aufnehmen können, sitzt."

    Seit 2005 fährt Robert Hügelmeier für die Osnabrücker Spedition Hellmann – Sattelzüge ebenso wie LKW mit Anhänger. Der Lang-LKW, mit dem er gerade das Speditionsgelände in Osnabrück verlässt, ist beides in einem:

    "Der Sattelauflieger ist auch ein ganz normaler Sattelauflieger, der sonst auch ganz normal eingesetzt wird mit einer normalen Sattelzugmaschine. Insgesamt sind wir bei knapp 25 Meter. Es gibt ja die Freiheit bis 25,25 Meter, wir sind knapp unter 25 Meter und können 150 Kubikmeter Ladung mitnehmen. So."

    Nun also geht es endlich los – der Feldversuch mit den überlangen LKW. Drei herkömmliche LKW transportieren so viel wie zwei Lang-LKW. Entsprechend wird Sprit eingespart und Personal. Das Negativ-Image aber blieb. Zu groß, zu langsam, zu schwer seien die überlangen LKW für Straßen, Brücken und Bahnübergänge. Rene Stöcker, Deutschland-Chef bei der Spedition Hellmann, hat für derlei Einwände naturgemäß wenig Verständnis:

    "Der Lang-LKW hat 25,25 Meter. In Hamburg fahren bereits Stadtbusse mit diesen Längen im Stadtverkehr. Wir betonen ganz klar, dass wir mit den Lang-LKW Depot-Depot-Verkehre durchführen werden, das heißt, wir sind ausnahmslos auf Bundesautobahnen unterwegs und dort anzutreffen. Auf keinen Fall in den Innenstädten. Und das ist das, wo der Bürger Bedenken hat."

    Hellmann hat eine Flotte von 140 LKW. Mit über 200 Niederlassungen überall auf der Welt, mit 9.200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 2,65 Milliarden Euro zählt die Spedition zu den Großen der Branche. Zwei Lang-LKW sind für das Osnabrücker Unternehmen unterwegs – Kostenpunkt jeweils rund 150.000 Euro, die lenkbare Dolly-Achse schlägt mit 27.000 Euro zu Buche.

    Der Lang-LKW, mit dem die Osnabrücker Spedition Hellmann am Feldversuch der Bundesregierung teilnimmt und der nach Bramsche unterwegs ist, hat Papierservietten und Tischdekorationen geladen. Mehr als 40 Tonnen kommen da nicht zusammen. 60 Tonnen Gesamtgewicht wären für einen Lang-LKW kein Problem. Aber in dem soeben angelaufenen Feldversuch ist bei 40 Tonnen Schluss. Weitere Einschränkung: Robert Hügelmeier und seine Kollegen dürfen mit dem 25 Meter langen LKW nicht überholen, selbst auf Autobahnen nicht. Robert Hügelmeier nimmt es gelassen. So wie in engen Autohahn-Zufahrten oder wenn es in einen Kreisverkehr geht:

    "Eigentlich würde man denken, dass gerade so ein Lang-LKW in den Kurven sehr viel weiter innen läuft, gerade an den beiden letzten Achsen. Aber dadurch dass die Dolly-Achse eine gelenkte Nachlaufachse hat, läuft der Sattelauflieger viel weiter außen. Wenn ich gleich eine Linkskurve fahre, werden Sie nahezu die ganze Stirnwand des Sattelaufliegers im rechten Spiegel sehen. Der holt automatisch richtig weit aus."

    Robert Hügelmeier hat nicht zu viel versprochen. Trotz seiner Überlänge hält der LKW die Spur; auch die letzten der acht Achsen touchieren den Randstein nicht. Probleme mag es bei höhengleichen Bahnübergängen geben. Wegen der Bodenunebenheiten passieren LKW sie häufig nur im Schritttempo. Bei den überlangen LKW reichen womöglich die Räumzeiten nicht. Um brenzligen Situationen vorzubeugen, wollen die Bundesanstalt für Straßenwesen als ausführende Behörde und die am Feldversuch teilnehmenden Bundesländer ausschließlich Strecken ohne Bahnübergänge genehmigen. Die von SPD und Grünen regierten Länderregierungen setzen stattdessen ein Signal für die Stärkung des Schienengüterverkehrs. Sollte in den nächsten Jahren der Gütertransport tatsächlich um weitere 70 Prozent steigen, wäre beides heillos überlastet – das Straßen- wie das Schienennetz. Alternativen sind gefragt. Für Rene Stöcker zählt der Lang-LKW dazu. Die Speditionsbranche reagiert allerdings verhalten, der Feldversuch mit den Lang-LKW läuft recht mühsam an. Neben Hellmann aus Osnabrück haben sich bundesweit bisher lediglich drei weitere Speditionen gemeldet. Und mit der Strecke Osnabrück-Bramsche hat die Spedition eine Route gewählt, die kürzer wohl nicht sein konnte:

    "Das ist eine Strecke, die wir im regionalen Verkehr mit angemeldet haben, eine sogenannte nachgelagerte Strecke. Dort haben wir einen Großkunden, den wir entsprechend versorgen wollen mit volumigen Gütern, da geht es weniger um Tonnage oder Gewicht. Hier gilt es. Volumen zu transportieren."

    In den Niederlande, in Schweden und Finnland gehören 60-Tonnen-Lang-LKW längst zum Straßenbild. Demnächst auch in Dänemark. Hellmann jedenfalls hat weitere Strecken bereits angemeldet. Vom Speditionsdepot Lehrte nach Göttingen und Passau und zu weiteren Großkunden. Vier Jahre lang läuft der Feldversuch des Bundesverkehrsministeriums. Was danach kommt, steht in den Sternen – sicherlich auch ein Grund für das zögerliche Verhalten der Speditionen, herkömmliche LKW zu einem Lang-LKW aufzurüsten.

    Die Fahrzeit von Osnabrück nach Bramsche beträgt rund 25 Minuten. Robert Hügelmeier muss sich strikt an die genehmigte Route halten. Ist sie gesperrt, wegen eines Unfalls etwa, hat er zu warten. Oder eine zweite Zugmaschine kommt und sattelt den hinteren Teil des überlangen Gespanns auf. Vorgeschrieben ist ebenfalls eine Rückwärtskamera. Den Lang-LKW, den Robert Hügelmeier für die Osnabrücker Spedition Hellmann nach Bramsche fährt, zieht er in einen großen Bogen vor der Entladehalle herum, stoppt den LKW, legt den Rückwärtsgang ein und setzt das Gefährt langsam, aber zügig und gekonnt in einem Stück an die Rampe:

    "Mit der Rückwärtskamera kann ich sehen, was hinter dem Fahrzeug ist und wie weit der Abstand zur Rampe zum Beispiel. Das Rangieren über die Rückwärtskamera ist sehr schwierig. So, wir stehen dran!"