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Herbizid-Zulassung
Wird die Anwendung von glyphosathaltigen Mitteln eingeschränkt?

Am 16. Dezember wird die Zulassung für Glyphosat in der gesamten EU um fünf Jahre verlängert. Die Mitgliedsstaaten können jedoch selbstständig entscheiden, welche Auflagen damit auf dem heimischen Markt für glyphosathaltige Produkte einher gehen. Den anstehenden Neu-Zulassungen sieht Monsanto in Deutschland gelassen entgegen.

Von Daniela Siebert | 14.12.2017
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus: Das Pestizid dient zur Unkrautbekämpfung (picture alliance/ dpa/ Steven Lüdtke)
    Zuständig für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL.
    Derzeit sind hierzulande 37 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel erlaubt, teilt die Behörde mit. Sie werden von 12 verschiedenen Firmen unter rund 100 verschiedenen Handelsnamen vertrieben. Darunter finden sich neben verschiedenen "Roundup"-Produkten von Monsanto zum Beispiel auch "Touchdown Quattro" und "Vorox Direkt Giersch-frei" von Syngenta sowie "Unkraut-Frei Glyfos" und "terrex Unkrautfrei" der dänischen Firma Cheminova.
    Die Zulassungen der meisten dieser glyphosathaltigen Mittel seien bis Dezember 2018 befristet, so das BVL. Das entspreche EU-Recht, wonach die nationalen Zulassungen die EU-weite Genehmigung um ein Jahr überlappen dürfen.
    "Gegenstand der innenpolitischen Diskussion"
    Offen ist damit aber die Frage: Wird die Anwendung dieser Mittel in Deutschland eingeschränkt? Bundeslandeswirtschaftsminister Christian Schmidt hatte sein umstrittenes Brüsseler Ja zu Glyphosat mit neuen EU-Auflagen gerechtfertigt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks fordert nun mit Verve ein, solche Einschränkungen in der Praxis umzusetzen. Doch das BVL teilt auf Deutschlandfunk-Anfrage lediglich mit, diese seien "Gegenstand der innenpolitischen Diskussion", deren Ergebnis man abwarten wolle.
    Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings, ist überzeugt, dass es strengere Regeln für die Glyphosatanwendung geben wird. Allerdings fürchtet er, dass es dabei zu einem Minimalkompromiss kommen könnte.
    "Das wäre der 'worst case', dass man sich auf die Privatanwender, dann vielleicht noch die kommunalen Anwender, die Deutsche Bahn, auf diese Anwender verständigt, aber die große Fläche, die ackerbaulichen Anwendungen, dass man ansonsten nichts weiter verordnet."
    Denn entscheidend wären für ihn Einschränkungen in der Landwirtschaft, weil gerade in der Stoppelbehandlung nach der Ernte am meisten Glyphosat zum Einsatz komme.
    Zwei Ausnahmeregeln
    Auch Heike Moldenhauer hat die Äcker im Blick: Sie ist die Pestizidexpertin beim BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Seit Mai 2014 gebe es in Deutschland bereits ein Quasi-Verbot der Vorerntebehandlung betont sie, allerdings mit zwei Ausnahmeregeln, hinter diesen Stand könne man nun nicht mehr zurück, glaubt sie. Die Vorerntebehandlung wird von Landwirten praktiziert, um das Getreide trockener und dreschfähiger einzuholen erklärt der Bauernverband auf Nachfrage, das werde aber ohnehin in Deutschland seit Jahren nicht mehr praktiziert.
    Heike Moldenhauer erhofft sich nun ein Totalverbot für den Privatgebrauch, den öffentlichen Raum, in Trinkwasser- und Natur-Schutz-Gebieten sowie auf Stoppelfeldern vor der Neuaussaat. Die Einschränkungen, die im EU-Beschluss im November formuliert wurden, findet sie zu schwach:
    "Also von der EU ist so gut wie überhaupt nichts gesetzt: Es gibt ein paar vage Formulierungen, in Bezug auf den Schutz der Biodiversität, aber da steht nur drin, dass die Mitgliedsstaaten dem Ganzen Aufmerksamkeit widmen sollen, eine windelweichere Formulierung gibt es fast nicht, und dann sollen die Mitgliedsstaaten darauf achten, dass Nahrungsnetze erhalten bleiben."
    Deutsche Regierungsbildung spielt keine Rolle
    Das könnten Regierungen aber auch so interpretieren, dass sie daraus keinen Handlungsbedarf ableiten. Hoffnungsvoll stimmt die Expertin aber, dass zuletzt die SPD im Bundestag einen weitreichenden Verbotsantrag für die Anwendung von Glyphosat eingebracht hat, der sich mit vielen Forderungen des BUND deckt.
    Die Firmen, die in Deutschland Glyphosat-haltige Mittel vertreiben dürfen, haben sich in der Interessengemeinschaft "AG Glyphosat" zusammengeschlossen. Ihr Sprecher ist Thoralf Küchler von Monsanto. Die anstehenden Neu-Zulassungsanträge beschreibt er wenig dramatisch, es werde keine Versorgungslücke geben. Drei Monate Zeit haben die Firmen dafür ab dem 16. Dezember, egal wie lange deren jetzige Zulassungen noch in die Zukunft reichen:
    "Wir zum Beispiel haben also Produkte, die bis zum Jahr 2022 derzeit zugelassen sind, trotzdem müssen wir dann Neuanträge stellen. Zum Glück sind wir in einer Situation, dass die meisten Zulassungen deutlich länger laufen als normalerweise das Zulassungsverfahren dauert, das heißt, wenn wir jetzt also den Antrag stellen, normalerweise sollte ein Zulassungsverfahren nicht länger als zwei Jahre dauern, dann sind wir sozusagen mit der Neuzulassung fertig, bevor die alte Zulassung ausläuft."
    Besonderes Augenmerk auf Biodiversität
    Dass die Regierungsbildung in Deutschland auf absehbare Zeit unklar sei, spiele bei der Antragstellung jetzt erstmal keine große Rolle erklärt Küchler, schließlich müssten sich die beteiligten Behörden an die bestehenden Gesetze halten. Diskussionsbedarf sieht er aber sehr wohl:
    "Es ist so, dass die EU-Vorgaben nicht ganz präzise sind, so wird zum Beispiel gesagt, dass besonderes Augenmerk auf den Schutz der Biodiversität legen wird, und solange wir natürlich nicht genau wissen, wie zum Beispiel Deutschland das interpretiert, können wir das noch nicht so adressieren, das heißt, wir stellen die Anträge so, wie wir sie auch beim letzten Zulassungsverfahren dann gestellt haben."
    Nur auf die bisher existierenden Einschränkungen bei der Vorerntebehandlung wollen die Unternehmen in ihren Anträgen reagieren, ergänzt Küchler.
    Das Umweltbundesamt wird ebenfalls am erneuten Zulassungsprozess glyphosathaltiger Produkte beteiligt. In der Vergangenheit war es deutlich kritischer eingestellt als etwa das BVL oder das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem Stoff bei der Bewertung im Auftrag der EU-Kommission weitgehende Unbedenklichkeit attestiert hatte. Doch wie das BVL hüllt sich auch das Umweltbundesamt in Schweigen: Man müsse die EU-Entscheidung noch sorgfältig bewerten, heißt es von dort.