Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Herbstgutachten
Der Aufschwung ist vorbei

Die deutsche Wirtschaft wächst längst nicht so stark wie noch im Frühjahr erhofft: In ihrem gemeinsamen Herbstgutachten prognostizieren die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für dieses Jahr ein Wachstum von nur noch 1,3 Prozent. Damit haben sich die Experten etwas verrechnet.

von Theo Geers | 09.10.2014
    Porsche Mitarbeiter montieren am 04.09.2014 mehrere Panamera in der Produktion der Porsche AG in Leipzig (Sachsen).
    Abgekühlt: die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute senken ihre Konjunkturprognose (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    "Da haben wir uns, muss man sicherlich sagen, im Frühjahr verschätzt."
    Professor Ferdinand Fichtner räumte es ein bisschen zähneknirschend ein: So stark - und zwar gleich um 0,6 Prozentpunkte - mussten die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose schon lange nicht mehr nach unten korrigieren: auf 1,3 % in diesem und 1,2 % im kommenden Jahr. Dabei verunsichern nicht nur die akuten Konflikte um Russland und die Ukraine oder im Mittleren Osten. Diese haben nur die ohnehin mäßigen Aussichten für die Weltwirtschaft noch weiter gedämpft, wobei der heute gemeldete Rückgang der deutschen Exporte im August um 5,8 % durchaus ins Bild passt.
    Rezept auf Seite 61 versteckt
    "Allerdings dürften die Unternehmen als zusätzlichen Gegenwind wirtschaftspolitische Entscheidungen der vergangenen Monate empfinden. Dazu gehören der Mindestlohn, die Mütterrente, die Rente mit 63, die die Löhne erhöhen. Und das alles zusammen belastet dann natürlich auch die Investitionstätigkeit im Inland, insbesondere die Nachfrage nach Maschinen und anderen Ausrüstungsgütern und belastet insofern die wirtschaftliche Entwicklung sowohl akut als auch auf eine etwas längere Sicht."
    Also gilt es, gegenzusteuern und das Rezept verstecken die Forschungsinstitute weit hinten in ihrem Gutachten, auf Seite 61. Professor Ferdinand Fichtner formuliert das Rezept gegen die schwächelnde Konjunktur erst einmal so:
    "Tatsächlich halten wir es im Grundsatz begrüßenswert, einen Schwerpunkt in der Finanzpolitik auf Haushaltskonsolidierung zu legen. Ein Prestigeobjekt, wie es die schwarze Null wahrscheinlich ist, hat aber nicht zwingend ökonomische Bedeutung."
    Das aber heißt im Klartext: Die Bundesregierung sollte ihr Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes aufgeben. Begründung:
    "Ich halte in der Tat die schwarze Null für nicht angebracht. Ich glaube, die damit verbundenen Minderausgaben und unnötige Mehreinnahmen verursachen Kosten, die langfristig erheblicher sind als kurzfristigen Kosten leicht steigender Schuldenstände."
    Kein auf Pump finanziertes Konjunkturprogramm
    Allerdings fordern die Forschungsinstitute ausdrücklich kein klassisches und gar auf Pump finanziertes Konjunkturprogramm. Sie verweisen nur darauf, dass der Gesamtstaat aus Bund, Ländern und Sozialversicherungen in einer konjunkturellen Schwächephase nicht auch noch - wie derzeit - Überschüsse aufweisen müsse, so Professor Oliver Holtemöller:
    "Aus konjunktureller Sicht ist ein struktureller Finanzierungssaldo von Null angemessen. Da wir eine Unterauslastung haben, bedeutet das, dass Überschüsse der aktuellen konjunkturellen Situation nicht gerecht werden."
    Konkret sehen die Institute Spielräume von 7 Milliarden Euro in diesem und 3 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Dieses Geld könnte zur Konjunkturstützung eingesetzt werden - und dabei taucht nicht nur der Abbau der kalten Progression wieder auf, so Professor Ferdinand Fichtner:
    "Das ist Evergreen unter den Vorschlägen, die die Gemeinschaftsdiagnose macht und das schlagen wir natürlich wieder vor. Wenn man etwas ambitionierter vorgehen will, kann man auch an eine Glättung des Einkommensteuertarifs gehen und ganz speziell bei Investitionen kann man natürlich einwirken, wenn man an Abschreibungen im Rahmen der Steuerermittlungen denkt."