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Herdprämie ist nicht konservativ

Bei CDU und CSU wird heftig darüber diskutiert, ob die Union in Zeiten schlechter Umfragewerte nicht wieder ihr konservatives Profil schärfen muss. Doch nicht nur die Parteiprominenz treibt das um - auch an der Basis zerbrechen sich die Parteimitglieder darüber den Kopf.

Von Adalbert Siniawski | 16.09.2010
    "Also Freunde, gut, dass wir uns heute hier treffen. Wir haben große Aufgaben vor uns, die zu schultern sind."
    Die politische Sommerpause ist vorbei. In einem Duisburger Brauhaus sitzen elf junge Männer am Tisch: alle so Mitte 20, die meisten mit akkurat gegelten Haaren, in Hemd und Pullover. Sie treffen sich zur ersten Vorstandssitzung der Jungen Union Duisburg seit Monaten.

    "Erstmal möchte ich allen danken, die aktiv am Landtagswahlkampf mitgewirkt haben, der fällt auch noch in die Zeit. Leider war das Ergebnis nicht so erfreulich."
    In letzter Zeit ging es für den CDU-Nachwuchs in Duisburg heiß her: Der enttäuschende Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen, die Katastrophe bei der Loveparade, anschließend die Kritik am Duisburger Oberbürgermeister, ebenfalls ein Christdemokrat.

    Doch Zeit zum Durchschnaufen bleibt ihnen nicht: Das nächste Streitthema naht: Bei CDU und CSU wird heftig darüber diskutiert, ob die Union in Zeiten schlechter Umfragewerte nicht wieder ihr konservatives Profil schärfen muss. So mancher will vor allem in der Familienpolitik Flagge zeigen. Nach den ersten Modernisierungsschritten mit Krippenplatzgarantie und Elterngeld für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei es nun an der Zeit, wieder stärker die Leistungen der Mütter zu würdigen. Das fordert zum Beispiel Sachsens CDU-Fraktionschef Steffen Flath.

    Die Union als Heim für die traditionelle Familie, in der die Frau ganz für die Kinder da ist – dieses Modell stößt bei der Tischrunde in der Duisburger Kneipe auf Widerspruch:

    "Also ich komme aus einer sehr traditionellen Familie: Ich bin einer von sechs Kindern, meine Mutter war zu Hause, mein Vater ist arbeiten gegangen."

    Erzählt Jörg Brotzki, Vorsitzender der JU Duisburg.

    "Aber ich bin der Meinung, dass dieses Bild – der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zu Hause – vor allem nicht mehr aktuell ist, aber auch nicht mehr umsetzbar ist. In der heutigen Arbeitswelt hat sich alles verändert, es ist alles nicht mehr so einfach, die Planungssicherheit ist nicht mehr gegeben. Es muss nicht immer die Frau zu Hause sein, es kann auch mal der Mann zu Hause sein. Und da muss man sich halt entscheiden, je nachdem, wer die besseren Aufstiegschancen hat."
    Keinem der jungen Männer in der Runde traut man auf dem ersten Blick zu, dass sie als zukünftige Väter zuhause Windeln wechseln würden. Auch dem 28-jährigen Brotzki nicht. Doch der Politikstudent verteidigt den Modernisierungskurs in Sachen Familie, aus der Feder der Parteifreundinnen Merkel, Schröder und Von der Leyen, vehement:

    "Die Partei musste sich nach langer Zeit auch mal öffnen, gewissen Themen, da gehört auch die Familienpolitik dazu. Wir brauchten dort eine Kursänderung, wir mussten moderner werden, wir müssen ansprechender werden, auch für junge Leute. Und deswegen bin ich der Meinung, dass der Weg, der dort beschritten wurde, der richtige ist."
    Der Jüngste in der Runde ist Alan Günes: Seit einem Jahr engagiert sich der 16-Jährige Gymnasiast beim CDU-Nachwuchs. Hört er die Rufe der Konservativen nach einer Betreuungsprämie für daheim erziehende Mütter, auch Herdprämie genannt, wirft er den Kopf unruhig von links nach rechts:

    "Meiner Meinung nach schließt konservativ allerdings nicht Progressivität, also Fortschritt aus. Konservativ heißt, dass man beim Alten bleibt, solange es möglich ist, solange es noch gut ist. Es ist normal, dass sich der Mensch weiter entwickelt und die Bevölkerung sich weiter entwickelt. Und auch als konservative Partei muss man da mitgehen und sich anpassen."
    Mag sein, dass diese Haltung auch aus seiner eigenen Erfahrung im Elternhaus herrührt: Alan Günes gehört zu der Generation junger Männer, die von berufstätigen Müttern erzogen wurden. Für ihn ist das ganz selbstverständlich, genauso wie für seinen Tischnachbarn, Daniel Kegler. Der 24 Jahre alte Student lächelt, wenn er von seiner Kindheit erzählt:

    "Meine Mutter war halbtags berufstätig. Allerdings hat mich mein Vater ab und zu vom Kindergarten abgeholt, in der Mittagspause zum Beispiel. Ansonsten war ich auch bei den Großeltern, wenn es mal nicht ging, dass meine Eltern da waren."
    Kegler und Günes geben sich auch bei dem besonderen Schutz der Ehe – den die Konservativen energisch verteidigen – deutlich liberaler. Gegen die sogenannte Homo-Ehe haben sie nichts einzuwenden und auch Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare halten sie für denkbar.

    Kegler: "Allerdings sollte die Familie, aus der auch Kinder hervorgehen können, besonders unterstützt werden. Meiner Meinung nach. Einfach aus dem Grund, dass die Gesellschaft Kinder braucht und darauf fußt – was gleichgeschlechtliche Partnerschaften natürlich nicht können. Durch Adoption wäre so etwas möglich. Und da wäre auch die Überlegung, ob man dann dieselben Steuervergünstigungen gibt, wie heterosexuellen Paaren."
    Wo bleibt denn nun das Konservative in der Union? JU-Kreisvorstand Jörg Brotzki:

    "Ich sehe eher die konservative Seite bei der Integrationspolitik. Da könnte man konservativere Forderungen stellen: Erlernen der deutschen Sprache, vielleicht auch Annehmen – ein wenig – der deutschen Kultur. Und das ist zum Beispiel ein Wert, der gelebt werden muss."
    Bis spät in die Nacht, tagt der Kreisvorstand der Jungen Union im Duisburger Brauhaus. Elf junge Männer, die bei Bier und Musik über große Aufgaben sinnieren, die es künftig zu schultern gilt. Sie wollen die Zeit nicht zurückdrehen - zurück zu einer angestaubten Familienpolitik. Das Frauenbild der jungen Männer heute ist ein anderes. Ob die alten Herrschaften in den eigenen Reihen auf sie hören werden? Die Nachwuchspolitiker lachen: Das werden sie wohl müssen, denn hier sitzt die Zukunft der Partei.