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Herrscher eines Reiches, in dem die Sonne nicht untergeht

n der Person Karls V. konzentriert sich das politische Leben Europas und der Welt des 16. Jahrhunderts: Spanischer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Herrscher eines Reiches, in dem die Sonne nicht untergeht. Dazu ein Gegner Martin Luthers und Feind des Osmanischen Reiches. Und vor allem: eine zentrale Figur im europäischen Mächtespiel, dem Ringen um Herrschaft und Einfluss.

Von Kersten Knipp | 21.09.2008
    Die Politik prägte sein Leben, kaum dass er geboren war. Als Karl im Jahr 1500 als Sohn Philipps des Schönen von Österreich zur Welt kam, stand im spanischen Königreich eine Erbfolge an. Da seine Mutter Johanna, genannt "die Wahnsinnige", aufgrund ihrer psychischen Probleme die Thronfolge nicht antreten durfte, rückte Karl schon im Alter von 16 Jahren an die Spitze der Macht.

    Und als Enkel Maximilians I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sollte er drei Jahre später auch dessen Nachfolger werden. Eine hohe Verantwortung für einen jungen Mann, den ein Zeitzeuge als eher zurückhaltenden Menschen beschrieb.

    "Im Grunde seines Wesens ist er schwermütig, aber nicht temperamentlos, und seine ganze Veranlagung entspricht dieser Gesamthaltung. Er ist ein sehr religiöser Mensch, sehr gerecht, frei von jedem Laster, und nicht, wie andere junge Leute, der Wollust ergeben. Er kennt auch sonst keine anderen Vergnügungen."

    Als Herrscher über Flandern und die Niederlande bis Österreich, über Spanien, Neapel und Sizilien bis hin zu den lateinamerikanischen Kolonien - ein Reich, in dem tatsächlich "die Sonne nicht unterging" - hatte Karl eine Unmenge an Regierungspflichten zu erfüllen.

    Die Spannung zwischen Königs- und Kaiseramt zieht sich bis in die heutigen Geschichtsbücher: Während sich deutsche Historiker vor allem auf den Kaiser konzentrieren, dominiert in der spanischen Wahrnehmung seine Rolle als König. In beiden Ländern aber erinnert man sich an einen Herrscher, der auch durch ein körperliches Charakteristikum auffiel. Ein Zeitzeuge fand dafür anschauliche Worte.

    "Nichts kann man an seinem Äußeren beanstanden, ausgenommen sein Kinn, oder besser noch, die gesamte Unterkieferpartie, die sowohl zu breit als auch zu lang ist und darum unnatürlich und künstlich wirkt. Deshalb kann der Kaiser beim Schließen des Mundes die Oberzähne nicht auf die Unterzähne setzen, wodurch er beim Sprechen die Worte verschluckt und man ihn daher oft nicht gut versteht."

    Karls Regierungszeit fiel in eine Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen. So drohte um 1520 ein junger Theologe mit seinen Ideen die ideelle Einheit des Reiches zu spalten. Gegen Martin Luther und seine Thesen wandte Karl sich darum in aller Entschiedenheit:

    "Es wäre eine große Schande für mich und für Euch, die wir durch Privileg und besonderen Vorrang eingesetzt sind als Verteidiger und Schützer des katholischen Glaubens, wenn in unserer Zeit nicht allzeit Ketzerei, sondern auch nur Argwohn von Ketzerei oder Verminderung der christlichen Religion aufbricht durch unsere Nachlässigkeit."

    So unterzeichnete Karl das Wormser Edikt, das über Luther die Reichsacht verhängte. Religiöse Gefechte hatte Karl auch an anderer Stelle zu führen: 1532 marschierte der osmanische Herrscher Suleiman mit seinem Herr auf Wien zu - eine Bedrohung, der Karl ebenfalls entgegentrat.

    "Als erster Fürst der Christenheit, als Beschützer des heiligen Glaubens und der christlichen Religion und in Anbetrachte dessen, dass wir dies Gott, der uns so große Gnaden erwiesen hat, schuldig sind, wollen wir den Verbündeten zu Hilfe kommen und in Eile für diese Große Gefahr und Not Vorsorge treffen und uns befleißigen, dass dieses Land erhalten bleibt und von diesen ungläubigen Feinden und Tyrannen befreit werden möge."

    Unverkennbar argumentierte Karl hier gemäß dem mittelalterlichen Kreuzzugsgedanken - und zwar in einer Zeit, in der sich die Ordnung und das Weltbild des Mittelalters rapide auflösten. Dies nicht zuletzt durch die Entdeckung und Eroberung Lateinamerikas und Teilen Asiens.

    Doch ein so gewaltiges Reich, das dem alten Gedanken der Universalherrschaft so nahe kam wie nie zuvor, überforderte Karls Gestaltungsmöglichkeiten. Der "monarca mundi", der "König der Welt", wie Karl nach einem aus dem Mittelalter stammenden Ehrentitel genannt wurde, vermochte die ihm unterstehende Welt nicht nach seinen Idealen zu formen. Ein politisch und christlich geeintes Erbe konnte er nicht hinterlassen.

    Das machte die persönliche Tragik seiner Regentschaft aus. 1555, nach fast 40-jähriger Amtszeit, trat er darum vorzeitig ab und zog sich, an Gicht leidend, in sein Landhaus im Kloster von Yuste in Spanien zurück. Dort starb der damals mächtigste Mann der Welt und Herrscher über eines der größten Reiche der Geschichte am 21. September 1558.