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Herzmuskelentzündung
Welche Folgen hat Corona für Sportler?

Über die Langzeitfolgen von Covid-19 ist noch sehr wenig bekannt. Doch ein Fall im Eishockey lässt aufhorchen: Sind Sportler und Sportlerinnen nach Corona-Erkrankungen besonders anfällig für Herzmuskelerkrankungen? Der Profisport trifft dafür jetzt Vorsichtsmaßnahmen.

Von Mathias von Lieben | 28.11.2020
Der Eishockeypuck wird vom Schiedsrichter eingeworfen, zwei Spieler kämpfen darum.
Die DEL hat gemeinsam mit anderen Sportligen ein Return-to-Play-Konzept für Corona-Genesene vorgelegt. (Getty/tone RF)
Am 22. Oktober bekam Janik Möser den positiven Befund. Kurz darauf: erste Symptome. Kopf- und Gliederschmerzen, ein leichter Schnupfen. Nach vier Tagen war der 25-jährige Eishockey-Profi von DEL-Klub Grizzlys Wolfsburg aber wieder symptomfrei. Es folgten: zehn Tage Quarantäne und negative Tests: "Ich war bereit wieder ins Training einzusteigen und wieder Gas zu geben."
Zufälliger Befund bei Möser
Kurz bevor Möser wieder auf das Eis wollte, entdeckte das Wolfsburger Ärzteteam bei einem Belastungs-EKG einen auffälligen Wert, aus dem sie auch nach einer Herz-Ultraschall-Untersuchung nicht schlau wurden. Also kontaktierten sie die Berliner Charité, wo für Janik Möser weitere Untersuchungen stattfanden. Wieder ohne klaren Befund. "Und dann hatte ich einfach Glück, dass ich am gleichen Tag noch zum Kardiologen geschickt wurde. Und der hat festgestellt, dass mein Herzmuskel sich entzündet hat."
Die Diagnose: Myokarditis - eine Herzmuskelentzündung. Der behandelnde Kardiologe kommt zu dem Schluss: eine Folge der Infektion mit dem Corona-Virus, wie Axel Gänsslen, der Teamarzt der Grizzlys Wolfsburg, berichtet: "Es gibt keinen Hinweis auf eine andere Erkrankungen bei Janik Möser. Deswegen muss man mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass das auf das Virus zurückzuführen ist. Und eine Herzmuskelentzündung ist ein Risikofaktor für den plötzlichen Herztod. Natürlich will keiner, dass jemand auf dem Eis tot umfällt."
Bei Herzmuskelerkrankung gilt: völlige Ruhe
Für Janik Möser gilt nun mindestens bis zum 12. Januar: Außer Spazierengehen und leichten Yoga-Übungen ist Sport komplett tabu. Erst dann steht die Folge-Untersuchung an. In der Zwischenzeit wacht eine Pulsuhr an seinem Handgelenk rund um die Uhr über seine Herz-Frequenz. "Ich mache seit 20 Jahren Sport, eigentlich mein ganzes Leben lang. Ich fühl mich fit, ich bin 25 Jahre alt. Man hört die ganzen Horrorgeschichten von den Risikogruppen. Da bin ich nicht drin. Und deswegen hätte ich gedacht, dass es bei mir auch ein bisschen einfacher verläuft. Deswegen wollte ich auch an die Öffentlichkeit, um ein anderes Licht auf die Sache zu werfen."
Sein Appell lautet: Auch für junge, kerngesunde Profisportler kann eine Infektion mit dem Corona-Virus schwere Folgen haben – und sogar das Herz-Kreislauf-System angreifen. Mediziner weisen darauf schon länger hin – auch wenn die konkreten Langzeitfolgen noch immer nicht seriös prognostiziert werden können. Doch da zuletzt die Fallzahlen bei Profis in allen Sportarten rasant gestiegen sind, ist Janik Möser vielleicht gerade jetzt ein warnendes Beispiel. Gerade weil die meisten Athleten kaum Symptome zeigen.
Die DEL reagiert auf Mösers Erkrankung
Den Teamärzten kommt während der Pandemie eine entscheidende Aufgabe zu, sagt der Wolfsburger Teamarzt und Unfallchirurg Axel Gänsslen: "Wir sind in einer Phase, in der wir lernen. Umso wichtiger ist es, dass wir Ärzte - egal welcher Fachrichtung - uns darauf konzentrieren, den Vereinen Informationen zu geben und nicht leichtfertig mit der Krankheit umzugehen. Und wir müssen erkennen, ob wir zusätzliche Expertise brauchen. Wenn eine Herzbeteiligung vorhanden ist, dann brauchen wir Kardiologen, die in der Einschätzung helfen."
Die Deutsche Eishockey-Liga hat daher schnell auf Janik Mösers Herzmuskelentzündung reagiert – und gemeinsam mit Gänsslen und Ärzten der Handball- und Basketball-Bundesliga sowie einem Sportkardiologen das sogenannte Return-To-Play-Schema weiterentwickelt. Darin enthalten: Konkrete Handlungsempfehlungen, die sich nach Symptomatik und Schwere des Verlaufs von infizierten Sportlern und Sportlerinnen richten – bis hin zur wahrscheinlichen Ausfalldauer. Selbst symptomfreie Sportler müssten dem Algorithmus zufolge 17 bis 21 Tage warten, bis sie auf den Platz, das Eis oder in die Halle zurückkehren können. Verläuft die Erkrankung schwer, könnten sogar drei bis sechs Monate Sportkarenz geboten sein.
Die letzte Entscheidung liegt beim Sportler
Jörg von Ameln ist Leiter Spielbetrieb bei der DEL und sagt: "Wir werden diesen Algorithmus als Empfehlung in die Richtlinien mitaufnehmen, so dass es jeder Mannschaftsarzt sieht. Nicht jeder Mannschaftsarzt ist Internist und kennt sich gut aus. Da ist man dankbar für jede Unterstützung. Und wir haben jetzt auch ein Netzwerk an Kardiologen, wo ein Spieler hingeschickt werden kann, wenn er nicht mehr weiterweiß." Die Profiligen an sich könnten die Einhaltung der Richtlinien nur empfehlen.
Die finale Entscheidung liege aber immer beim behandelnden Arzt vor Ort – und letztlich beim Spieler. Das sagt auch der Wolfsburger Teamarzt Axel Gänsslen: "Am Ende des Tages muss jeder Sportler für sich entscheiden, welches Risiko geht er ein. In dem Moment, in dem jemand Leistungssport auf diesem Level betreibt, geht er ein gewisses Risiko für Verletzungen aber auch Erkrankungen ein."
Pause bis Januar für Möser
Alexander Sulzer, selbst ehemaliger Eishockey-Profi und seit kurzem Geschäftsführer der neu gegründeten Eishockey-Spielervereinigung SVE, appelliert vor dem Hintergrund des neuen Return-To-Play-Schemas dennoch an alle Verantwortlichen: "Da sollte man sich natürlich auch dran halten. Wir sind da natürlich dafür, dass da mit größter Vorsicht umgegangen wird."
Die Vorsicht der Ärzte hat Janik Möser möglicherweise sogar das Leben gerettet. Vielleicht kann er im Januar schon wieder Eishockey spielen. Die DEL-Saison startet in diesem Jahr jedenfalls sowieso erst Mitte Dezember.