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Hessen
Weiße Flecken in der ländlichen Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung auf dem Land ist in vielen Regionen Deutschlands ein Problem - so auch in Hessen. Um dem Abhilfe zu schaffen, locken die Kommunen mit guten Angeboten für Ärzte und entwickeln digitale Hilfsmittel. Die jedoch scheitern oft an einem weiteren Problem auf dem Land: schlechter Internet- und Mobilfunkversorgung.

Von Ludger Fittkau | 12.03.2018
    Das neue Gesundheitsversorungszentrum im hessischen Oberzent
    Das neue Gesundheitsversorungszentrum im hessischen Oberzent soll die medizinische Versorgung in der ländlichen Region verbessern. (Deutschlandradio/Ludger Fittkau)
    Bernhard Wagner verkörpert Hoffnung. Der schlanke Mann um die vierzig ist Allgemeinmediziner. Im Sommer wird er Praxisräume im sogenannten "Gesundheitszentrum Oberzent" im Odenwald beziehen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Denn Bernhard Wagner kommt aus Bayern zurück in seine alte Heimat Südhessen. Und in Bayern werden Hausärzte deutlich besser honoriert als in Hessen. Dass Bernhard Wagner dennoch in das strukturschwache Gebiet im Odenwald zurückkehrt, hat etwas mit Heimatgefühlen zu tun.
    Doch Wagner lockt auch die gute Infrastruktur, die ihm das neue Gesundheitszentrum bietet- barrierefreier Zugang, gemeinsame Verwaltung mit anderen Dienstleistern, frisch renovierte Räume. Am 01.01.2018 haben sich im südlichen hessischen Odenwald vier Gemeinden der Region zur neuen Stadt Oberzent zusammengeschlossen. Bernhard Wagner weiß, dass das neue Gesundheitszentrum wichtig ist für die frischgebackene Kommune, die junge Ärzte dringend braucht:
    "Ich denke schon, dass es die neue Gemeinde aufwertet, na klar. Weil man ein Zentrum bildet. Die Leute auch sagen, hier kann man herziehen. Da ist man versorgt, es gibt Schulen, das Krankenhaus in Erbach. Es gibt hier eine Versorgung, die ganz groß aufgezogen wird, auch sehr interessant aufgezogen wird. Sicherlich."
    Finanzielle Hilfe vom Land Hessen
    Gemeinsam mit Fachärzten wie einem Urologen, der stundenweise aus der Nachbarstadt für Sprechstunden nach Oberzent kommt oder auch Physiotherapeuten wird Bernhard Wagner im Gesundheitszentrum arbeiten. Weil das Land Hessen die Einrichtung des Zentrums gefördert hat, ist der hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) persönlich gekommen, um die Praxisräume mit einer feierlichen Rede zu eröffnen:
    "Wir befinden uns, das wissen natürlich manche, flächenmäßig in der drittgrößten Stadt Hessens, nach Frankfurt und Wiesbaden, insofern Herr Landrat. Odenwald vorne dran."
    Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU; rechts im Bild) kam eigens nach Oberzent, um das neue Gesundheitsversorungszentrum zu eröffen.
    Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU; rechts im Bild) kam eigens nach Oberzent, um das neue Gesundheitsversorungszentrum zu eröffen. (Deutschlandradio/Ludger Fittkau)
    Ärzte in Südhessen verdienen schlechter als in Bayern
    Doch dem Odenwald- Landrat Frank Matiaske (SPD) ist nicht nur zum Feiern zu Mute. Er kritisiert, dass Ärzte in Südhessen deutlich weniger Honorare als im unmittelbar benachbarten Bayern und Baden-Württemberg bekommen und fordert den Minister zum Handeln auf:
    "Wir grenzen im Odenwaldkreis ja an die hessisch-bayerische Landesgrenze. Und insofern haben wir nicht nur das Thema, wie werden Ärzte im ländlichen Raum versus Ballungsraum vergütet, sondern wir stellen auch fest, dass die Landärzte in Bayern und Baden-Württemberg tatsächlich 30 Prozent mehr verdienen. Da hat mir bisher noch keiner widersprochen. Die Aussage ist, das ist eine Verhandlungssache zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung in Hessen, insofern müssen wir über ein Bundesthema auch an dieses hessische Thema rangehen."
    Da im Herbst Landtagswahl in Hessen ist und alle Parteien den ländlichen Raum in den Fokus stellen wollen, könnten die Ärztehonorare auf dem Land ein wichtiges Wahlkampf-Thema werden. Genauso wie die Internet-Versorgung und der Mobilfunk-Empfang- beides funktioniert gerade in den Tälern des Odenwaldes noch nicht überall zufriedenstellend, obwohl die Krankenbehandlung mehr und mehr davon anhängt. Das zeigt sich an dem zweiten Ort, an dem sich der Minister in Wiesbaden an diesem Morgen in Südhessen umsieht.
    Mobilfunknetz nur außerhalb der Apotheke
    In der Hirsch-Apotheke im rund 15 Kilometer von Oberzent entfernt gelegenen Städtchen Hirschhorn am Neckar soll demonstriert werden, wie eine neue App für Smartphones funktioniert, mit der Rezepte in der Apotheke auf digitalem Weg eingereicht werden können. Das könnte Menschen mit Mobilitätsproblemen oft mühselige Wege ersparen helfen, indem sie sich die Medikamente nach Online-Kommunikation liefern lassen. Das Problem in Hirschhorn ist nur: In der Apotheke funktioniert zwar das Internet, aber nicht die Funkverbindung für das Smartphone. Der Apotheker Arnd Heilmann zuckt mit den Schultern, da er dem Probepatienten die Bestätigung, dass das Medikament da ist, nicht aufs Handy schicken kann:
    "Nein, sie haben hier leider kein Netz. Das ist das Problem. Draußen wohl. Also müssen wir jetzt raus gehen, dann hätten sie den Empfang schon bekommen."
    Auch Kundin Renate Bogner, die in einem Nachbarort im Neckartal wohnt, bestätigt die Probleme mit dem Mobilfunknetz. Deswegen habe die auch noch kein Smartphone, sagt sie:
    "Es gibt viele, viele weiße Flecken, hier im Tal."
    Grüttner verspricht Ausbau
    Der hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner, der die Szene beobachtet, ist nicht sehr überrascht. Er hat gelernt: Wenn man so etwas wie eine "digitale Apotheke" will, um den Patienten auf dem Land lange Wege zu ersparen, muss man sich als Fachminister auch um Mobilfunk-Verbindungen in den Tallagen der heimischen Mittelgebirge kümmern:
    "Solange die Funknetze oder die entsprechenden Lizenzen noch versteigert werden, ohne dass es entsprechende Ausbau-Vorschriften gibt, gibt es ein Problem – das wir dann möglicherweise ein schnelles Internet in der Apotheke haben, aber wenn beispielsweise der Lieferservice die Adresse nicht findet und hier nochmal anrufen will, dass er unterwegs möglicherweise im Funkschatten ist und kein Netz hat, um entsprechend hier anrufen zu können. Und deswegen gehört beides zusammen. Der Ausbau des mobilen Funknetzes in Firm von Funkmasten auf der einen Seite und der Internet-Anschluss in den einzelnen Räumlichkeiten."
    Apotheken liefern über Landesgrenzen
    Immerhin: In der hessischen Hirsch-Apotheke, die nur einen Steinwurf von der Landesgrenze zu Baden-Württemberg entfernt liegt, gibt es anders als bei den Hausärzten keine Konkurrenz um die medizinische Versorgung mit Apothekern im Nachbarland – im Gegenteil, versichert der Apotheker Arnd Heilmann. Er liefere viel über die Landesgrenze aus. Hilfreich seien auch Boten, die sich auch in den Dörfern des Nachbarlandes so gut auskennen, dass sie ohnehin kein Smartphone gucken müssen, um ans Ziel zu kommen:
    "Wir wissen auch jetzt schon, uns zu behelfen. Ich habe Fahrer, die sich gut auskennen. Der eine Fahrer ist ehemaliger Briefträger, der weiß, wo er hin muss."