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Hier spricht Ihr Reifen!

Technik. - Zu dieser Jahreszeit beäugt jeder Autofahrer besonders nachts misstrauisch Fahrbahndecke: glitzert sie so, weil sie nur feucht ist, oder ist es gar glatt? Was der Chauffeur vom beheizten Sitz aus und mit Blick auf den Außentemperatur-Anzeiger nur abschätzen kann, sollen zukünftig die Reifen sicher erledigen. Das von der EU finanzierte Vorhaben entwickelt Sensoren, die für optimale Bodenhaftung sorgen sollen und sich dazu mit Motor, Fahrer und vielleicht auch mit dem Winterdienst austauschen.

    Auf dem Prüfstand 2 des Institutes für Kraftfahrwesen Aachen IKA der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen dreht eine Felge gemächlich ihre Runden. Nach Stunden Fahrt mit 60 Kilometern in der Stunde folgen weitere drei weitere Stunden mit doppeltem Tempo. Doch nicht Haltbarkeit steht hier im Visier der Ingenieure, erklärt Andreas van de Sand: "Wir entwickeln intelligente Reifen, die durch geeignete Sensorik die Zustände in der Kontaktfläche zwischen Fahrbahn und Reifen bestimmen." Was in der Formel Eins über Sieg oder Niederlage entscheidet, spielt bei Schnee, Eis, Regen oder abgenutzten Reifen auch für Otto Normalverbraucher eine wichtige Rolle: der Reibwert, der über die Haftung der Droschke am Untergund entscheidet und also nicht hoch genug sein kann. Je nach Fahrbahn- und Pneu-Zustand ändert sich die Form der Reifenaufstandsfläche. Hier hat der Reifen unmittelbaren Kontakt zum Teer, und dieses wichtige Areal messen die Aachener Forscher mit sensibler Elektronik.

    "Man kann das mit optischen Sensoren machen, die Verformungen im Reifen selbst messen. Der Sensor kann sich einerseits auf der Felge befinden und dort messen. Man kann ihn aber auch direkt in das Gummi einvulkanisieren. Da sind verschiedene Sensorprinzipien denkbar", resümiert der Oberingenieur des IKA. Das optische Verfahren beispielsweise sendet einen Lichtstrahl auf den Innenreifen aus. Eine Diode erfasst anschließend die Reflektionen, wandelt sie in elektrische Signale und leitet sie an einen Rechner weiter. Jede Umdrehung fällt ein Datensatz an - das genügt, sagt van de Sand. Den nötigen Strom erhalten die Sensoren drahtlos, und auch die schnelle Rotation bei hohen Geschwindigkeiten oder hohe Temperaturen machen ihnen nichts aus. Schwieriger ist da schon die Datenübertragung per Funk zum Bordcomputer. Auch die weitere Verarbeitung birgt ihre Tücken. "Wir können die Information der Reifen nutzen, um etwa den Fahrer zu warnen, dass er auf glattem Untergrund ist, oder um Fahrwerksysteme mit geeigneten Informationen zu versorgen. So kann zum Beispiel der Bremsweg verkürzt oder nachfolgende Fahrzeuge per Funk gewarnt werden." Selbst der Winterdienst könnte die Meldungen der Fahrzeuge auswerten und noch schneller und gezielter reagieren.

    Auf dem Prüfstand funktioniert die Technik bereits, für den praktischen Einsatz aber müssen noch viele Details abgearbeitet werden. Noch ungelöst ist etwa, wie das System reagieren soll, wenn Sensoren verschiedener Fahrzeuge unterschiedliche Zustände melden. Doch solche Feinheiten soll APOLLO auch gar nicht lösen - dies obliegt jenen Partnern, die den intelligenten Reifen zur Marktreife bringen werden.

    [Quelle: Mirko Smiljanic]