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Hilfe für den Hummer auf Helgoland

Hummer und Helgoland gehörten lange Zeit zusammen. Doch inzwischen ist das Krustentier dort vom Aussterben bedroht. Die Meeresbiologen der Biologischen Anstalt auf Helgoland versuchen deshalb, den Hummer wieder an den Unterwasserfelsen der Insel anzusiedeln.

Von Dietrich Mohaupt | 05.08.2013
    Manfred Weber ist extra aus Dortmund angereist - er ist Hummerpate mit Leib und Seele.

    "So was muss man einfach unterstützen - wenn man dran denkt, wie leichtsinnig oder unüberlegt man solche Tiere manchmal gegessen hat, dann kann man durchaus auch einen Obolus geben, um sie zu unterstützen."

    25 Euro kostet die Hummerpatenschaft – damit fördert Manfred Weber die Bemühungen, einen weiteren Rückgang des Bestands zu verhindern. Seit Projektstart haben schon knapp 1.600 Paten mitgemacht. Vom Ei über die nur Stecknadelkopf große Larve bis zum etwa vier Zentimeter großen Jungtier ziehen die Wissenschaftler in der Biologischen Anstalt des Alfred-Wegener-Instituts – kurz AWI – die Hummer auf. Das dauert ziemlich genau ein Jahr. Im Meerwasserlabor können die Paten beobachten, wie zwei Mitarbeiterinnen den Hummernachwuchs aus den kleinen Aufzuchtbecken sammeln. Das verlangt eine Menge Fingerspitzengefühl – und ist deshalb nichts für grobe Männerhände, gibt AWI-Mitarbeiter Michael Janke zu.

    "Die sind noch so zerbrechlich – wenn man da zu stark zudrücken würde, dann wären die Matsch. Die sind also noch sehr empfindlich."

    Aber groß genug für ein Leben in der Freiheit. Den Transport dorthin bringen sie in einem etwas größeren Eierbecher hinter sich. Mehrere Paletten mit diesen Bechern werden auf den Forschungskutter "Aade" gebracht, der im Hafen der Gemeinde Helgoland angelegt hat. Hier gehen auch die Hummerpaten an Bord der Börteboote, mit denen tagsüber die Touristen von den Seebäderschiffen auf die Insel gebracht werden. Abends um kurz nach halb neun legt die "Aade" ab – im Schlepptau eine kleine Armada von Börtebooten. Gut 20 Minuten dauert die Fahrt in den Sonnenuntergang, Richtung Nordspitze von Helgoland. Dort auf dem felsigen Meeresgrund finden die jungen Hummer ideale Lebensbedingungen. Gegen kurz nach neun heißt es dann: Maschinen stopp – die Boote treiben jetzt nur noch in Sichtweite Helgolands. Langsam verschwindet die Sonne hinter dem Horizont – es wird Zeit, die Hummer in die Freiheit zu entlassen, Projektleiterin Isabel Schmalenbach gibt den Startschuss.

    "Es ist dunkel genug, es ist keine direkte Sonneneinstrahlung mehr auf dem Wasser. Das heißt: Kurz unter der Oberfläche ist es schon dunkel. Wir können jetzt beginnen."

    Ein Becher nach dem anderen wird über die Bordwand entleert – jetzt in der Dunkelheit sind die kleinen Hummer erst einmal sicher vor Fressfeinden.
    "Sobald die an der Wasseroberfläche ausgesetzt werden, schwimmen die aktiv nach unten und suchen sich unter dem nächsten Stein eine Versteckmöglichkeit – sie fangen sofort an, aktiv zu buddeln. Also die Überlebenschancen sind sehr, sehr gut."

    400 einjährige Hummer werden auf diese Weise in die Nordsee gesetzt – rund 15.000 waren es insgesamt in den vergangenen zehn Jahren, schätzt die Biologin. So konnte der Bestand bei Helgoland immerhin stabilisiert werden – mit vermutlich 20 bis 30.000 geschlechtsreifen Exemplaren allerdings auf sehr niedrigem Niveau.

    "Wenn man das vergleicht mit den damaligen Zahlen, so schätzen wir, dass in den dreißiger Jahren der Bestand größer als eine Million war."

    Um wieder auf vergleichbare Zahlen zu kommen, müssten über mehrere Jahre hinweg noch einige zehntausend Hummer ausgewildert werden – trotz Patenprogramm eine schier unlösbare Aufgabe. Die Biologen konzentrieren sich deshalb nicht nur auf den Felssockel rund um Helgoland. Vom kommenden Jahr an sollen 3.000 in den Hallen der Biologischen Anstalt aufgezogene Hummer in einem Offshorewindpark nordwestlich der Insel Borkum ausgewildert werden. Zum Schutz der Fundamente der Windkraftanlagen wurden dort große Mengen Natursteine in der Nordsee versenkt – eine ideale Basis auch für den Naturschutz.

    "Da die Tiere ja hauptsächlich Steine bevorzugen als Lebensraum oder nur ausschließlich auf diesem Lebensraum vorkommen, gibt das alles her, was für eine Hummerheimat notwendig ist. Diese Experimente dienen als ökologische Grundlagenforschung – wie hoch muss die Dichte sein für eine erfolgreiche Ansiedlung – aber auch, um dem Hummer weiterhin eine Grundlage zu bieten, seine Art zu erhalten."

    Taucher sollen die auf Helgoland aufgezogenen Hummer im Seegebiet des Windparks aussetzen, wenn sie eine Größe von etwa zehn Zentimetern erreicht haben. Das Land Niedersachsen fördert das Pilotprojekt mit 700.000 Euro.